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radical zero: Fahrbericht Renault Scenic E-Tech

In Szene setzen

Einer der (vielen) Gründe, warum «radical» im vergangenen Jahr aus der Jury von «Car of the Year» austrat (siehe: hier), waren die doch eigenartigen Bestimmungen, welche Fahrzeuge denn überhaupt an der Wahl teilnehmen dürfen. Keine Ahnung, wie die Regeln unterdessen gebeugt werden können, aber meiner bescheidenen Meinung nach sollten Neuheiten, die erst Mitte des Jahres tatsächlich zu den Händlern kommen, nicht in die Auswahl kommen dürfen. Aber Renault scheint da einen gewissen Bonus zu haben, da reicht anscheinend eine gedruckte Preisliste; schon vor zwei Jahren durfte der Megane E-Tech mittun, obwohl die Kundenauslieferungen noch in sehr weiter Ferne standen. Damals wurde der Franzose abgestraft – heuer gewann der Scenic nun aber die Wahl. Vielleicht reicht dann in Zukunft auch schon ein Rendering eines vielleicht noch gebaut werdenden Modells, um «Car of the Year» werden zu können.

Egal, das Auto selber, der ganz neuen Renault Scenic E-Tech, kann ja nichts für die Macken seiner Marketing-Strategen und einer Auszeichnung, die sich immer mehr selber demontiert. Vor 27 Jahren gewann der Renault Scenic schon einmal den Titel «Car of the Year». Damals war er noch ein kompakter Familien-Van, sein Konzept war einst bahnbrechend, fand noch so manchen Kopisten, vom Opel Zafira bis zum VW Touran. Bis 2023 konnte Renault gut fünf Millionen Exemplare verkaufen, der Ruf des Scenic war nicht bloss bei Familien ausgezeichnet – man wundert sich höchstens, warum sich die Kunden von diesem cleveren Raum-Konzept abgewandt haben, anscheinend lieber in öden, un- sowie gleichförmigen SUV sitzen.

Es ist noch schwierig, den neuen Renault Scenic einem Segment zuzuordnen. Ein Mini-Van ist er sicher nicht, ein SUV aber auch nicht. Er bleibt in den Aussenmassen erfreulich kompakt, 4,47 Meter lang, 1,86 Meter breit (ohne Aussenspiegel, 1,57 Meter hoch. Der Franzose verfügt dabei über einen erstaunlich grossen Kofferraum, 545 Liter sind es in der normalen Konfiguration, bei abgeklappten Rücksitzen kommt er auf 1670 gut nutzbare Liter. Der Radstand ist mit 2,78 Meter nicht so exorbitant lang wie bei anderen Stromern, doch das Platzangebot im Innenraum ist trotzdem gut, auch in der zweiten Reihe sitzen die Passagiere nicht in der Enge. Zum guten Raumgefühl trägt sicher das gewaltige Glasdach bei, das allerdings erst in den höheren Ausstattungslinien serienmässig ist. Und stufenlos abgedunkelt werden kann.

Das Cockpit dominiert beim Renault ein hochkant stehender 12-Zoll-Monitor, der neben zahlreichen Touchfunktionen auch noch Drucktasten bietet, zum Beispiel für die Heizscheibe oder die Klimaanlage. Diese Schaltzentrale ist verheiratet mit dem ebenfalls volldigitalen 12,3-Zoll-Kombiinstrument vor der Fahrerin, das bestens ablesbar ist und individuell konfiguriert werden kann. So sehen moderne Automobile heute innen aus, die Lösung von Renault wirkt bestens durchdacht, gut aufgeräumt. Zum guten Eindruck tragen auch hochwertige Materialien bei, man fühlt sich auf Anhieb wohl. Das Betriebssystem für das Infotainment kommt von Google, damit begeben sich die Franzosen zwar in die Arme der grossen amerikanischen Daten-Krake, brauchen sich aber keine Sorgen um die Bedienerfreundlichkeit zu machen. Es gibt rund 30 Assistenzsysteme, noch so manche sind unnötig, doch sie lassen sich ohne grosse Umwege durch sieben Menuschritte ausschalten. Da hat Renault die Zeichen der Zeit erkannt und gibt dem Piloten wieder etwas Eigenverantwortung zurück. Mühe hatten wir bei dieser ersten Ausfahrt allerdings mit dem elektronischen Innenspiegel, der manchmal etwas verwirrliche Licht- und Schattenspiele liefert.

Angeboten wird der Renault Scenic mit zwei Batteriegrössen. Da gibt es den kleineren 60-kWh-Akku, der Energie für umgerechnet 170 PS und 280 Nm maximales Drehmoment über ein 1-Gang-Getriebe für den Frontantrieb liefert. Diese Version wird in der Schweiz allerdings nicht angeboten, es kommt einzig der 87-kWh-Akku, die Leistung liegt dann bei 218 PS und 300 Nm. So ausgerüstet will der Renault in 7,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h rennen; die Höchstgeschwindigkeit ist auf 160 km/h beschränkt. Damit gehen die Franzosen – wie auch ihr sehr direkter Konkurrent Peugeot mit dem e-3008 (siehe: hier) – den sanften Weg, weg von der Übermotorisierung anderer EV-Hersteller, hin zu mehr Vernunft. Der Renault ist mit einem Leergewicht von knapp über 1,9 Tonnen gut 200 Kilo leichter als der e-3008 – und will wohl auch deshalb auf eine Reichweite von 625 Kilometern kommen. Beim Verbrauch sind die Angaben etwas verwirrlich, in der Schweizer Preisliste stehen 18,9 kWh/100 km, in der Werbung wird von 16,8 kWh/100 km gesprochen. Wie es in der Realität aussieht, wird sich aber erst nach einem ausführlichen Test berechnen lassen. Aber Renault ist bekannt dafür, dass seine Stromer erfreulich sparsam mit der Energie umgehen. Geladen werden kann mit maximal 150 kW; das ist kein Spitzenwert, aber der konservativen, kostengünstigeren 400-V-Architektur geschuldet.

Als erfreulich wollen wir auch das Fahrverhalten des Scenic bezeichnen. Für einen Stromer ist die Lenkung erstaunlich mitteilsam, sicher weniger schwammig als bei noch so manchem Konkurrenten. Auch das Fahrwerk ist gut abgestimmt, in erster Linie komfortabel, aber auch einer etwas flotteren Fahrweise nicht abgeneigt; in den spanischen Bergen zerpflückten wir einen Porsche 718 Boxster, der seine Augen nicht traute, wie flott der Franzose aus der Kurve beschleunigte. Man spürt da gerade im Vergleich mit dem Peugeot e-3008 gut, dass der Renault deutlich leichter ist, er schiebt erst sehr spät über die Vorderräder, bleibt also meist sehr neutral und gut beherrschbar. Ja, ein klarer Vorteil gegenüber dem Löwen, der in diesem Bereich dem Scenic das Wasser nicht reichen kann. Doch da steht der Peugeot definitiv nicht allein. Etwas gewöhnungsbedürftig sind allerdings die Bremsen des Scenic: Zuerst passiert fast gar nichts, dann packen die sie plötzlich ziemlich vehement zu. Doch daran hat man sich schnell gewohnt.

Das Design darf man sicher als gelungen bezeichnen. Und doch ist es gleichzeitig ein wenig die Problemzone des Renault Scenic. Der aktuelle Chefdesigner Gilles Vidal war vorher viele Jahre bei Citroën/Peugeot, seine Entwürfe für Renault sind (noch) auf einer sehr ähnlichen Linie. Immerhin wirkt der Scenic optisch moderner als sein in vielen Bereichen baugleicher, zwar älterer, aber auch kleinerer Bruder Megane E-Tech. Übrigens, wem das wichtig ist: Der Scenic wird in Frankreich gebaut, auch die Batterie stammt nicht aus China, sondern kommt aus Polen.

Mit einer Preisspanne von 43’700 Franken (Ausstattungslinie evolution) bis 49’700 Franken (iconic) ist der Renault Scenic E-tech 100% Electric, wie er bei vollem Namen heisst, nicht dringend das, was man als Schnäppchen bezeichnen möchte. Der E-3008 ist teurer, aber ein Tesla Model 3 ist günstiger. Doch das ist alles relativ, E-Fahrzeuge werden meist geleast, nicht gekauft – und da sind die Angebote noch nicht bekannt, sie können die Kostenrechnung entscheidend beeinflussen. Und wichtiger ist ja sowieso, ob ein Fahrzeug seinen Preis wert ist. Und das kann man bei diesem adretten Franzosen sicher bejahen, deshalb hat er den Titel «Auto des Jahres» – trotzdem… – verdient. Zwar ist sein Raum-Konzept nicht mehr ganz so clever, wie man sich das von früheren Scenic gewohnt war, doch zum Familienfreund taugt auch die Neuauflage. Ob das dann auch reicht für den Durchbruch an der Verkaufsfront (den der Megane bislang nicht geschafft hat), das wird sich weisen müssen. Doch Renault hat bereits den nächsten Pfeil im Köcher, den rein elektrischen R5, der auch noch diesen Sommer auf den Markt kommen soll. Der Scenic steht ab Juni beim Händler – siehe oben.

Mehr Strom gibt es bei: zero. Alles andere: Archiv.

1 kommentar

  1. maxi moll maxi moll

    ER ist hässlich!

    Egal ob im Januar, im Juli oder im November.
    In einer Jury zu sitzen, die Kunden-verarsche immer größer macht. ist
    keine Jury. ( das GELD der KUNDEN muss gemolken werden)
    Und darum schätze ich Sie ja. Auch wenn ich hart rüber komme.
    Wenn man sieht., wie sie mit Leidenschaft über die Schönen und seltenen
    oft androgynen Wägen berichten, die eben nicht wie gefühlt 99% aller Autos
    im Jahr 2024 wie ein Tritt auf die Augenmuskeln wirken ( der R5 von Renault ist
    die gelungene Ausnahme, ja ein habenwollenAuto in Strom zu fast normalem Preis!) ,
    dann passt das schon.
    Und ich frage halt immer, wozu man, wenn 30 50 70 und 100km/h erlaubt sind, wozu
    man eine Auto mit mehr als 45 Ps ( 30 kw) bringt das 800 kilo leicht mit 4 Meter Länge, ohne den Mumpitz, normale 13,900,- Euro kostet. 20 Jahre hält wie früher ein Opel Corsa, oder mein Porsche 911 gt3 ( der 230.000.- wenn net einer rein fährt), und gut ist.
    Es stimmt gar nix mehr in der Industrie. Und nein einen Täsle will ich nicht, der ist mir zu debil. Einen Porsche cayirgendwas schon gar net. ich bin kein Balkanarsch oder Oligarch in Kitzbühel.

    WANN WERDEN WIEDER ECHTE AUTOS GEBAUT?
    oder
    ab wann hat mein 3d Laser Titan Drucker die ersten Teile fertig?
    WEIL ICH MIR DIE KARRE SELBER BAUE.
    COOLER LEICHTER und so weiter.

    Derzeit an der Grenze zum Lächerlichen. BMW.. der dings SAV x irgend was.
    das ist ein Dacia Duster in größer. egal Mercedes, ab 200 Lebensjahr ..egal
    🙂

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