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Matra MS640

Überflieger

Die Geschichte von Matra reicht zurück ins Jahr 1937, da hiess die Firma noch Capra (Compagnie Anonyme de Production et Réalisation Aéronautique), 1941 taufte man sich dann um in Mécanique Avion TRAction, eben, Matra. Anfang der 60er Jahre kam Matra aus der Luft auf den Boden, 1964 wurde Automobiles René Bonnet übernommen, die Geschichte kennt man vom famosen Djet. Gleichzeitig gab der Chef von Matra, Jean-Luc Lagardère, eine klare Weisung an seine Mitarbeiter aus: «Ich geb Euch zehn Jahre, um die Formel 1 und die 24 Stunden von Le Mans zu gewinnen.» 1965 gewann Jean-Pierre Beltoise mit dem MS1 das erste Formel-3-Rennen, 1968 gewann Jackie Stewart auf einem Tyrell-Matra MS10 das erste Formel-1-Rennen, mit dem Matra MS80 (angetrieben von einem Ford-Cosworth-Motor) wurde Stewart 1969 Weltmeister, Matra holte auch gleich noch den Konstrukteurstitel.

Blieb noch Le Mans, da tat man sich aber etwas schwerer. Da gaben die Franzosen 1966 mit dem MS620 ihr Debut, waren aber chancenlos. Kein Wunder, denn der MS620 wurde von einem eigenartigen 2-Liter von B.R.M. angetrieben, der nicht nur keinen Stich tat gegen die bösen Ford GT40 und die Ferrari-V12, sondern auch noch unzuverlässig war. Auch 1967 war kein Blumentopf zu gewinnen, der MS630 war zwar eine interessante Weiterentwicklung vor allem in Sachen Aerodynamik, doch der B.R.M.-Motor blieb die Schwachstelle – Ende der Saison versuchte es Matra dann mit einem 4,7-Liter-Ford-V8, da zeigte sich eine sanfte Aufwärtstendenz. Doch der Chef hatte ganz andere Ideen: Lagardère verlangte es unbedingt nach einem V12. «Ich wollte, dass sich unser Motor allein schon durch seine Geräuschentwicklung von allen anderen unterscheidet», erklärte er, «man sollte auf Anhieb erkennen: das ist der Matra-V12.» Chefkonstrukteur Georges Martin baute das gewünschte 3-Liter-Aggregat, das sich für die Formel 1 zwar als zu schwer erwies, in der Langstrecken-WM aber absolut konkurrenzfähig werden sollte. 1968 trat Matra mit dem 630M an, Pescarolo kämpfte sich in Le Mans über Nacht bis auf den zweiten Platz vor, musste dann aber nach 283 Runden mit einem Aufhängungsbruch aufgeben.

Lagardère wollte mehr. Er engagierte den jungen Franzosen Robert Choulet, der mit dem Matra MS640 ein Fahrzeug entwarf, wie man es bisher noch nie gesehen hatte. Ausgezeichnete Aerodynamik, gepaart mit dem eigenen V12, da sollte in Le Mans doch einiges möglich werden. Henry Pescarolo fuhr das Fahrzeug bei den ersten Testfahrten in Le Mans im April 1969, doch kurz vor dem Ende der Hunaudières-Geraden hob der Wagen ab. Der Prototyp wurde beim Unfall komplett zerstört, Pescarolo erlitt schwere Verletzungen. Bei der Untersuchung des Unfalls stellte sich heraus, dass sich die Türen des MS640 verwunden hatten, was zu Verformungen an der Oberkante des Fahrzeugs führte – und zu Unterluft. Das Projekt wurde sofort abgebrochen, Matra konzentrierte sich auf den konventionelleren MS650 – und Aerodynamiker Choulet führte Porsche 1970 mit dem Langheck-917 zum Sieg in Le Mans. Gut, die Zeit von Matra kam auch noch, mit dem MS670 gewannen die Franzosen (und Pescarolo) dann 1972, 1973 und 1974 drei Mal hintereinander.

Die Geschichte des Matra MS640 ist deshalb aber noch nicht vorbei. Anfang der Nuller-Jahre erinnerte sich jemand (mit etwas Spaziergeld) an das aussergewöhnliche Fahrzeug, fragte bei Matra an, ob vielleicht noch ein paar Teile des Prototypen vorhanden seien. Es kam besser: Matra verfügte noch über die alten Baupläne, die Formen für die Karosserie, den originalen Motor und das Getriebe des verunfallten MS640. Und so entstand aus den Trümmern (und mit Hilfe von Choulet und Pescarolo) über die Jahre der Matra MS640-02. Den Pescarolo 2006 dann tatsächlich wieder in Le Mans fuhr, dabei fast 300 km/h erreichte – ohne abzuheben. Genau dieses einmalige Fahrzeug steht nun bei Bonhams in Paris 2025 zum Verkauf, der Schätzpreis beträgt 600’000 bis 800’000 Euro.

Mehr interessante Rennfahrzeuge haben wir in unserem Archiv.

2 Kommentare

  1. Martin Martin

    Der V12 von Matra mag zwar für die F1 zu schwer (und auch zu schwach) geraten sein – punkto Sound war er allerdings unübertroffen. 1968, in Monaco, unten am Schwimmbad, anderthalb Meter hinter der Leitplanke – der akustische Orgasmus schlechthin, da spielte die Klassierung dann nur eine Nebenrolle (JP Beltoise: Ausfall)…

    • Peter Ruch Peter Ruch

      Beim 100-Jahre-Jubiläum in Le Mans wurde etwa 30 Meter von meinem Wohnmobil solch ein Matra-V12 vorgewärmt. Sehen durfte ich ihn nicht, das Fahrzeug stand hinter einem Zaun in einem Zelt, aber der Sound war/ist unvergesslich.

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