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Das 19. Ende von Maserati

Piselli

The ICE in St. Moritz ist eine eigenartige Veranstaltung. Ein doch sehr kleiner, aber umso dekadenterer Kreis feiert sich bei Krim-Sekt auf und mit Schnee selber, treibt Klassiker (oder eher Replicas?) durch den Engadiner «Pflotsch» (eine Mischung aus Eis, Salz und Dreck), stellt sich mit Hypercars in einen Stau, der in erster Linie dazu dient, dass 12-jährige Car-Spotter ein paar verwackelte Bildchen an ihre eh nicht existenten Follower in Bangladesh verschicken können. Mittendrin und auch deshalb voll daneben: Maserati. Die Italiener haben die Veranstaltung im Engadin zum Standbein ihrer Kommunikation auserkoren (in Pebble Beach haben sie auch noch einen Aufschlag), das lässt man sich dann einen anständigen Teil des gesamten Kommunikationsbudgets kosten. Nun darf man sich schon fragen: Warum ausgerechnet the ICE? Es ist mit Garantie unfassbar teuer, allein schon die Logistik und die Beherbergung kostet richtig viele Nieren – und «abgeholt» wird wer? Bei den grossen Sammlern und anderen Spekulanten steht die Marke derzeit sicher nicht auf der Einkaufsliste, deren Drittfrauen wollen auf gar keinen Fall einen Grecale – und für das elektrische Folgore-Gedöns ist der kalte Winter in den Bergen nun definitiv das komplett falsche Geläuf. Als bei Stellantis Carlos Tavares noch das Sagen hatte, hatte er das Marketing von Maserati harsch bemängelt, sehr teuer, dafür komplett unwirksam; er hatte auch damit recht. Doch unter der derzeitigen Führung von Stellantis wird das Engagement in St. Moritz wohl noch nicht in Frage gestellt, die reichen Italiener lieben das Engadin, sie haben dort alle einen steueroptimierten Wohnsitz. Und ausserdem: Schnee – man ahnt einen gewissen Zusammenhang.

Dabei müssten die Italiener ihr Geld jetzt ganz fest zusammenhalten. 2024 erlebten die Modenesen einen dramatischen Absturz der Verkaufszahlen um 57 Prozent auf noch 11’300 Einheiten – sogar Ferrari schaffte mehr als 2000 Stück mehr, mit einem ganz anderen Ansatz. Aber die Frage darf halt schon erlaubt sein: Was hat Maserati denn zu bieten? Die klassischen Modelle Quattroporte und Ghibli sind tot, genau wie der Levante, der Grecale ist ein gepimpter Stelvio, der MC20 zwar ein grossartiges Automobil, aber komplett unterschätzt. Der GT2 Stradale, jüngstes Produkt und auf 914 Stück limitiert, ist sicher längst ausverkauft, ausser; man will noch einen, dann gibt es auch Rabatt. Zu den neuen GranTurismo und GranCabrio können wir nix mitteilen, nie gesehen und folglich auch nicht gefahren, aber der Renner ist das jetzt sicher auch nicht; anscheinend wurde in Deutschland seit Marktstart Ende 2023 noch kein einziges elektrisches Exemplar zugelassen. Man kann es jetzt schon ganz klar sagen: Folgore, also Stromer funktionierten bei Maserati schlicht und einfach nicht. Es ist einfach so: Gewisse Marken werden rein elektrisch nicht akzeptiert – und können folglich mittelfristig nicht überleben. Maserati gehört da ganz oben auf die Liste, Alfa Romeo ebenfalls; Abarth ist eigentlich schon tot.

Zudem hat Stellantis Modena dieser Tage auch noch 1,6 Milliarden Euro an Investitionen gestrichen, so: über Nacht. Wohl schon kurzfristig wird Maserati deshalb von Ferrari übernommen werden müssen. Das macht vielleicht wirtschaftlich ein klein wenig Sinn, da bestehen jetzt schon gewisse Synergien, das lässt sich wahrscheinlich auch noch ausbauen. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass Ferrari bei Maserati das Sagen hat – bloss hat das noch nie funktioniert. Wer auch nur einen Hauch von Verständnis für die Geschichte der beiden Marken hat, dem ist das ganz klar, dass da zusammen nichts gehen wird, kann; die ehrenwerte Grossmutter, geboren 1914, wird sich sicher nicht vom schnösligen Emporkömmling sagen lassen, wie sie die Pasta zubereiten muss. Aber solches verstehen die Piselli-Zähler ja nie, zwei günstiger eingekaufte Blinker sind ein «deal», das ist alles, was heute noch zählt. Bloss wird von zwei günstigeren Blinkern das Modellprogramm von Maserati aktuell auch nicht attraktiver – insbesondere dann nicht, wenn schon angestossene Projekte jetzt in der Schublade landen.

Es ist doch so: Noch manch eine europäische Marke lebt in erster Linie von ihrer Geschichte. So ein Grecale mag ja ganz nett sein, aber er hat halt reichlich und auch starke Konkurrenz (mit zumeist besserem Wiederverkaufswert). Wenn man ihn trotzdem kauft, dann oft deshalb, weil es da vorne einen Dreizack drauf hat – und man damit Stil, Verständnis für Kultur, vielleicht sogar etwas Liebe zu den Geschichten rund um Fangio, einem 450S, einem Ghibli Spyder ausdrücken kann. Solche Kunden gibt es aber immer weniger, eben, etwas mehr Zehntausend waren es noch im vergangenen Jahr, weltweit; im Rekordjahr 2017 waren es noch gut 50’000 gewesen. Maserati war immer schon Nische, eine sehr schöne, Design, feinste Materialien, auch saubere Verarbeitung (zumindest in den vergangenen Jahren), grossvolumige Motoren mit grossartigem Sound (oder dann: Nettuno). Aber das scheint jetzt vorbei, einmal mehr.

Wir haben ganz viele schöne Maserati-Geschichten: hier.

9 Kommentare

  1. Wenn man halt Autos für die Politik bauen muss ist das schwierig. Und je ’sinnloser‘ und emotionaler ein Auto ist umso schwieriger ist es. Viele der ‚alten weissen Männer‘ haben dann einfach kein Bock darauf etwas neues zu kaufen. Wenn man dann noch bedenkt dass genau diese Zielgruppe oft sehr wohlhabend ist wird die Sache sehr schwierig. Ich jedenfalls kann mit dem neuen Zeugs auch nicht anfangen.

  2. AlfaChev AlfaChev

    “ Es ist einfach so: Gewisse Marken werden rein elektrisch nicht akzeptiert – und können folglich mittelfristig nicht überleben. Maserati gehört da ganz oben auf die Liste, Alfa Romeo ebenfalls; Abarth ist eigentlich schon tot.“

    Genauso ist es ! Aber diese Liste fängt doch hier erst an. Ihr glaubt’s doch nicht, dass es bei Bentley, Rolls Royce, Mercedes Benz und erst recht nicht für Porsche besser laufen wird…insbesondere weil Porsche das Budget für ICE Motoren wieder aufgestockt hat, nachdem man merkt, dass ein nur E- Macan nicht bei den Kunden ankommt.
    Bei der ebenfalls Stellantis-Marke Dodge wird in den USA derzeit mit dem neuen elektischen Challanger / Daytona viel Lehrgeld verbrannt, weil die angestammte Kundschaft eben einen V8 erwarten – und auch keinen R6 der alternativ eiligst zum EV nachgeschoben wird…Es ist doch so offensichtlich: Der Autoindustrie geht es doch wegen dem E-Auto derzeit so schlecht – und nicht trotz des EV….

  3. Rolf Rolf

    Der blaue MC20 sieht schwer nach Alpine A110 (der gerade leider in sein letztes Produktionsjahr geht) aus. Ohne Spoiler ist er trotzdem ein feiner Sportler.

    Vielleicht muss sich ja doch jemand hinsetzen und „technologieoffen“ den Wundersprit erfinden, der die Verbrenner nur noch heisse Luft ausströmen lässt.

    Das mit den E-Autos wird nichts und es wird auch der Umwelt nicht viel bringen, dafür einen Hersteller nach dem anderen dahin raffen.

    Bald wird es bei uns aussehen wie auf Kuba und alte Verbrenner werden mit Heftpflaster geflickt fahren, weil keiner die E-Autos will. Sie sind einfach zu früh gekommen, die Batterien sind zu wenig leistungsfähig und daher viel zu schwer und die Motoren sind ineffizient.

    Im Autohimmel werden dann Jaguar, Maserati und weitere friedlich zusammensitzen und über die roaring times reden.

  4. Es ist ein Trauerspiel.

    Das mit Maserati.

    Und auch das mit der „Autoszene“:
    Diese neue Mode der „Rennen“ auf Schnee und Eis, sei es in Zell am See oder in St. Moritz, mit riesigen VIP-Zelten, Trophy-Women in Pelzmänteln, Champanninger aus Magnum-Flaschen, dem unvermeidlichen Ted Gushue und seinen Porsche-Aqua-di-Parma-Rolex-Marketing Kampagnen und seiner süßlich lächelnden Gattin im Schlepptau, Brian-James-Trailern und riesigen Autotransportern, feinen Sonderkarosserien, die mit neckischen Holzski und -schlitten dekoriert werden, statt an lauen Sommernächten vor dem Ritz vorzufahren, historischen Grand-Prix-Rennwagen, die in der Gluthitze von Tripolis oder Monza um Sieg und Ehre kämpfen sollten und stattdessen zuerst durch die Splitt- und Salzlake und dann durch den Schneematsch des zugefrorenen Sees gelenkt werden und dennoch nur Statisten des Fegefeuers der Eitelkeiten sind, alles natürlich sehr instagrammable und trefflich zu vermarkten, das ist dermaßen grauenhaft und neureich und eigentlich nur albern.

    Alles wird zum Event stilisiert, im Vergleich zu „The Ice“ ist die Kitzbüheler Alpenrallye ein bißchen wie das Alt-Opel-Treffen in Detmold.

    Und Maserati?
    War in der Tat schon oft in Extremis, wurde aber dann doch immer wieder irgendwie wiederbelebt, man denke an das phänomenale Wiederauferstehen durch den Quattroporte IV mit Achtzylindermotor und den überirdisch schönen 3200 GT, die Weiterentwicklung zum 4200 und den herrlichen Quattroporte V.

    Danach wurde es komisch, Ghiblis mit Dieselmotor, SUV’s auf Jeep-Basis, Brüllauspüffe und günstige Leasing-Angebote, dagegen waren Jaguar X-Type und S-Type ja Heritage durch und durch…
    Und dann kam plötzlich das riesige 2+2-Coupé wieder aus dem Leichenkeller gefahren, schon mit Verbrennermotor war er nicht wirklich reizvoll, aber als Elektroauto ist er einfach völlig sinnbefreit.

    Ich gehöre keinesfalls zur Fraktion der Elektroauto-Gegner, aber bestimmte Fahrzeugarten und ganz besonders bestimmte Marken machen als Elektroautos einfach keinen Sinn:
    Ernsthafte Geländewagen wie ein Mercedes G, ein Grenadier, ein Defender, ein Land Cruiser.
    Richtige Hochleistungs-Sportwagen wie ein Porsche, ein Ferrari, ein Maserati, ein Aston Martin, Autos, die sich durch das Zusammenspiel von Kraft, Klang und Karosserie definieren und die, wenn man sie artgerecht bewegt, nicht alle 100 Kilometer aufgeladen werden müssen.

    Aber ich kann mir gut einen elektrischen Lotus, eine elektrische Alpine, auch einen elektrischen Abarth vorstellen, alles Autos die man nicht zwingend über ihren Motor definiert, Autos, die auch mit Elektroantrieb funktionieren können, sofern sie (einigermaßen) leicht, schnell, attraktiv sein würden.

    Und ich kann mir auch einen elektrischen Jaguar vorstellen, elegant und schlank und flüsternd, nur wie ein rosafarbener Panzerwagen sollte er nicht aussehen…
    Der Rolls Royce Spectre funktioniert ausgezeichnet und wenn EQS und EQE nicht aussehen würden wie die Hotelseife im Stuttgarter Congresshotel, dann wären sie vielleicht auch verkauft worden.

    Und für Kurz- und Mittelstrecken erscheint mir der Elektroantrieb in jedem Fall sinnvoll, aber dafür braucht man aus meiner Sicht keinen Maserati…

    • Christian Christian

      …auch einen elektrischen Abarth… Einspruch Euer Ehren, Abarth = Auspuff = Lärm für die Einen, Musik für die Anderen. OK, Lärm kommt heute aus dem Lautsprecher, der entsprechend kostet. Also gut, dann bitte einen elektrischen Abarth mit Lautsprecher zum Vorzugspreis. Damit der Schampus nicht sauer wird.

      Aber Spass beiseite, Herr Servatius, chapeau!

      Vielleicht muss es aber auch so sein, dass manche Marken verschwinden. Jede Zeit hat ihre Helden und manchmal ist es für den Fortbestand der bisher gebauten Autos ein Segen, wenn die Marke, die nur noch siecht und sich in Irrungen verliert, aufhört zu existieren. Borgward ist so ein Beispiel, oder Saab, oder Rover. Vermutlich sind alle Marken, die in dem Stellantis-Konstrukt aufgegangen sind, verloren. Stellantis – Atlantis – verschwunden im großen Ozean und nie mehr aufgetaucht?

  5. Alexander Krafft Alexander Krafft

    Boah, was für ein böser Artikel. Nur gibts kaum Argumente gegen den Inhalt. Stimmt alles. Ausser vielleicht, dass es keinen Krim Sekt gab….
    Ich verstehe einfach nicht, wie das Marketing solcher automobiler emotionaler Urgesteine (wie z.B. aber nicht ausschließlich Maserati) in die Hände von komplett NICHTautoaffinen Menschen gelangen konnte. Oder hat einfacher das Controlling übernommen? Leider sieht man durch die Bank bei den Traditionsmarken keine gute Entwicklung. Wie weit ist es aus europäischer Autosicht gekommen, wenn man zugestehen muss, dass es zB Hyundai, Genesis und Toyota aktuell irgendwie besser machen?

  6. Tobias R Tobias R

    Ich möchte mal eine Lanze für Maserati brechen – mit dem GranCabrio Folgore sind die Italiener immerhin die ersten (vom chinesischen MG Cyberster mal abgesehen), die ein ordentliches Elektrocabrio auf den Markt gebracht haben, das darüber hinaus auch an den 300 km/h kratzt. Dass man bei diesem Tempo nur 100 oder 150 km weit kommt ist klar, aber alles andere ist Wunschdenken und es wäre viel dramatischer, wenn Maserati ausschließlich auf Verbrenner setzen würde. Außerdem – endlich ein Maserati der hält…

  7. Patrick Chollet Patrick Chollet

    Für manche Kommentatoren ist immer gleich Politik und/oder das E-Auto schuld, wenn es einer Marke schlecht geht. Dabei wird gerne übersehen, dass es Maserati ja nie wirklich gut gegangen ist. War damals schon der Lohner-Porsche schuld?
    Oder liegt es vielleicht auch an den verschnupften Marketing-Etagen, die halt bei manchen Herstellern scheinbar den besseren Schnee bekommen?
    Manch eine Marke ist schon verschwunden oder hat wie oft Besitzer gewechselt, meist mit überschaubarem Erfolg. Wieso schafft es eine Marke wie Volvo, trotz abenteuerlichem ICE-Motorenkonzept, Selbstbeschränkung der Höchstgeschwindigkeit und deutlichem Schwenk auf eben E-Motoren, am Markt Erfolg zu haben, während Jaguar buchstäblich vor die Hunde geht, und zwar schon lange bevor sie seltsamste Videoclips produzierten (ach ja, ich vergass das andere Lieblingsschimpfwort vieler Kommentatoren und Politiker – wooohke)? Oder Alfa Romeo – jeder liebt sie, keiner will sie kaufen. Lancia – idem. Wie viele haben statt einem Quattroporte einen Model S gekauft (als das noch cool war)? Die Liste ist lang. Soll doch jeder gleich zum nächstgelegenen Maserati-Händler gehen und demonstrativ einen kaufen, und zwar mit Verbrenner! Freiwillige vor?

  8. Swissbob Swissbob

    Das Problem bei Maserati ist der Motor und auch der Preis.
    Der Nettuno ist relativ laut, aber schön klingt er nicht.

    Der Folgore klingt nach Abroll und Windgeräuschen, insbesondere als Grancabrio.

    Einer der primären Kaufgründe für einen Maserati war der Klang , sogar die Biturbos der 80er und 90er klangen erstaunlich betörend.

    Aber es ist ja bekannt dass Herrn Tavares den V8 Motor immer gehasst hat.

    Die Folgen sind bekannt…

    Dem aktuellen Granturismo/Grancabrio fehlt der V8 Bi-Turbo aus den zuletzt gebauten Ghibli und Quattroporte Modellen.
    Dann wäre auch der Preis akzeptabel.

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