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Fahrbericht Honda Prelude

Over-engineered

Dann und wann, zum Beispiel: wenn man grad so sitzt und «The Köln Concert» von Keith Jarrett hört, das vor genau 50 Jahren aufgenommen wurde, dann und wann also fragt man sich, wie denn die Damen und Herren Marketing-Genies bei den Automobil-Herstellern auf die Bezeichnungen ihrer Fahrzeuge gekommen sind. Prelude, zum Beispiel, also das Vorspiel, das Präludium: Wir gehen mal davon aus, dass die Japaner dabei nicht an Sex gedacht haben. Sondern mehr so an klassische Musik, vielleicht sogar an das «wohltemperierte Klavier» von Johann Sebastian Bach (womit der Kreis zu Keith Jarrett dann auch gleich wieder geschlossen wird), eher aber an die 24 Préludes op. 28 von Frédéric Chopin, die sind leichter verdaulich als die 24 Präludien und Fugen von Bach. Aber was will Honda uns damit sagen, was hatte ihr Auto – den ersten Prelude gab es ab 1978 – mit einem Vorspiel zu tun? Es heisst, Honda habe den Prelude immer als Versuchsträger gesehen, ihm technische Neuerungen mit auf den Weg gegeben, die es vorher noch nicht gab (was teilweise wohl sogar stimmt, ABS beim AB, Vierrad-Lenkung ab dem BA4, Antriebskraftverteilung beim BB6/8/9, etc.), doch der erste Prelude (Typ SN) war einfach ein Coupé auf Basis des Accord, technisch gab es da keine Besonderheiten.

Egal, jetzt, 23 Jahre nach dem Auslaufen der letzten, der fünften Generation des Vorspiels, gibt es wieder einen neuen Prelude (Typ BF1). Und darüber sollen wir glücklich sein. Einigermassen kompakte Sport-Coupé gibt es so viele nicht mehr, der 2er-BMW ist nicht wirklich ein Coupé (und wenn er doch eines sein will, dann ist er weit von coupéhafter Eleganz entfernt), dem Supra von Toyota schlägt bald sein letztes Stündchen (und so richtig kompakt ist der nun auch nicht), der Prelude hält also eine aussterbende Gattung am Leben. Sein Design will von einem Segelflugzeug inspiriert sein, das kann man sicher hineininterpretieren, wenn man denn will, doch in erster Linie ist der Japaner hübsch, zurückhaltend elegant – ein wahrer Sonnenschein in unserem von SUV dominierten Strassenbild. Und wenn man ihn dann auch noch in diesem Blue Pearl bestellt, dann ist er eine Wohltat fürs Aug.

Also: 4,53 Meter lang, 1,88 Meter breit, 1,35 Meter hoch. Weshalb uns Honda den Prelude als Viersitzer verkaufen will, verstehen wir nicht, hinten können knapp Babies oder allenfalls Möpse gelagert werden. Sinnvoller ist es, die Rücksitze abzuklappen, dann hat man anständige 760 Liter Kofferraumvolumen, die über eine grosse Heckklappe gut zugänglich sind. Fahrerin und Beifahrer haben zwei unterschiedliche Sitze, links ist es etwas härter, mit mehr Seitenhalt; dass Honda Sitze so gut kann wie nur wenige andere, weiss man spätestens seit dem Civic Type R. Von dem hat der neue Prelude eh noch so vieles im Innenraum, das ist alles wie aktuellen Civic, ein schmuckeres Lenkrad wurde dem Prelude aber verpasst. Das ist alles auch schön und gut gemacht, Honda spielt da in der Audi-Liga – und von da ist man sich in den letzten Jahren ja auch den grossflächigeren Einsatz von Kunstleder und Plastik gewohnt. Die Bedienung ist übersichtlich, vor allem dann, wenn man Car Play benutzt. Ein ganz fieses Problem ist da aber: Das Gebimmel des Tempolimit-Warners lässt sich tatsächlich nicht abschalten. So haben wir das noch nie erlebt, das nervt massiv – zumal mindestens ein Drittel der Schilder nicht richtig erfasst wird.

Und so geht es dann hinaus in die Steppe. Als Antrieb dient dem Prelude nicht etwa der fröhliche 2-Liter-Turbo aus dem Civic Type R, der schafft Euro 7 nicht mehr und muss ja deshalb bald aufgeben. Dafür haben die Japaner ihrem Sportcoupé den Antriebsstrang aus dem Civic e:HEV spendiert, als auch ein 2-Liter-Vierzylinder mit dann eher mageren 143 PS und 186 Nm maximalem Drehmoment, die noch durch einen E-Motor ergänzt werden, womit die Gesamtleistung auf 184 PS und 315 Nm. Das tönt jetzt nicht so wild – und ist es beim besten Willen auch nicht. Ja, dank E gibt es keine Anfahr- oder Durchzugsschwäche, doch allein schon die Zahlen zeigen auf, dass der 1470 Kilo schwere Prelude weit entfernt ist von sportlich: 0 auf 100 km/h in 8,2 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 188 km/h. Und genau so fühlt es sich beim Fahren an: Gepflegtes GT-Gleiten geht gut, etwas höhere Ambitionen sollte man sich abschminken. Man kann nun sagenschreibendenken, das ist doch vernünftig, aber bei diesem Honda gehen Optik und Leistung, Anspruch und Wirklichkeit doch sehr weit auseinander.

Kompensiert werden soll da ein neues «Honda S+ Shift»-System, das so tut, als ob ein 8-Gang-Getriebe sei (in Tat und Wahrheit: E-Motor, 1 Gang). Da gibt es die volle Ladung, Schaltwippen, Zugkraftunterbrechnung, Zwischengas; es fehlen einig die OMG-Fehlzündungen. Dazu singt der Benziner, der eigentlich im mageren Atkinson-Zyklus läuft, ein virtuelles Lied. Das ist deshalb komisch, weil der Vierzylinder ja meist vom Rad abgetrennt mitläuft, er wird also so programmiert, dass er künstlich Lärm machen muss; er könnte, theoretisch, auch Chopin spielen. Ich bitte um Entschuldigung, dass sich mir der Sinn und Zweck solcher Spielereien nicht erschliessen kann. Zumal es ja dann nach viel mehr tönt als es tatsächlich fährt. Und eigentlich könnte er ja auch noch viel mehr, da ist ein blitzsauberes Fahrwerk, quasi 1:1 aus dem Civic Type R übernommen, inklusive der Brembo-Bremsen und komplexer Vorderachskonstruktion mit grossem Nachlauf und dem Sturz, der sich mit dem Lenkwinkel vergrössert. Ja, Honda kann Fronttriebler, hat auch noch einen neuen Handling-Assistenten (AHA) und adaptive Dämpfer eingebaut – die Frage ist eher, ob sich beim Prelude der grosse Aufwand lohnt, denn man wird sowieso mehr wie eine Rentnerin unterwegs sein. Und dann sicher auch den Verbrauch von nur 5,2 Litern erreichen, gemäss Werk und WLTP.

Und dann ist da noch ein Punkt: 47’900 Franken. Das ist dann doch sehr viel Geld für ein Automobil, das nicht einmal über eine elektrische Sitzverstellung verfügt; einziges Kreuzchen, das man noch machen kann, ist die Metallic-Lackierung für 990 Franken. So erfreut wir auch sind, dass uns Honda endlich wieder einmal ein hübsches Automobil beschert, die Eier hat, uns in dieser SUV-Panzer-Welt noch ein fröhliches Coupé hinzustellen, so bitter empfinden wir den Mangel an «ehrlicher» Leistung. Und ein paar Gimmicks weniger, etwa diese komische Schaltung oder AHA, dann wäre er vielleicht auch preislich vernünftiger. Aber Honda ist ja schon immer seinen eigenen Weg gegangen.

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3 Kommentare

  1. Nick Nick

    Hond wiederholt den Irrweg des CR-Z: Ikonische Modellbezeichnung, hübsches Coupé und dann verbaut man den lahmen, emotionslosen Kleinwagenhybrid.
    Zum Scheitern verurteilt, leider.

  2. Rolf Rolf

    Ja, an die 2. Generation Honda Vorspiel, schlicht, klar und mit Klappscheinwerfern erinnere ich mich gut. Er war sogar ein bisschen mondän. Honda war feiner als die anderen Japaner.

    Ein Freund hatte zu dieser Zeit den phantastischen Accord Aerodeck, einen echten Shooting Break. Der fuhr sehr sehr gut.
    Vom Civic gab es auch einen Shooting Break, auch nicht schlecht, aber halt nich so fein wie der große.
    Zu dieser Zeit wurde sogar der Polo (fast, er war ein bisschen zu verglast) als Shooting Break gebaut.

  3. Max Max

    Wir brauchen mehr Vierzylinder die sich als Achtzylinder identifizieren!

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