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Fahrbericht VW Polo L

Flashback

Bald wird ja der neue Polo vorgestellt. Grund genug, einen schönen alten Text von Markus Chalilow auszugraben, der einst ein Urmodell fahren konnte. Und um mit diesem Fahrbericht VW Polo L von 1977 ein bisschen in Erinnerungen zu schwelgen.

Ach, das dürre Lenkrad. Die dünnen Sitze. Die hauchdünnen Türverkleidungen. Und ein Auto, das nach Auto riecht. Ein Mischung aus Benzindämpfen und verbranntem Öl. Nein, nicht penetrant, richtig angenehm riecht es im Polo aus der Sammlung von Volkswagen Classic. Statt Duftbäumchen oder Raumsprays duftet es im Polo von 1977 so, wie es in einem Auto riechen soll. Und dies, obwohl der Wagen komplett restauriert wurde. Im Bug ein kleiner Vierzylinder mit 40 PS, dazu 13-Zoll-Rädchen, ein Ausfpuffröhrchen, das heute nicht mal mehr zur Entlüftung eines E-Bike-Antriebs ausreichen würde. Und dann die Farbe, das Baby-Blau, war damals ganz schön in Mode.

1975 ging der Polo in Serie, er war so etwas wie die Spar-Variante des bereits 1974 vorgestellten Audi 50. Wir fuhren einen Polo L von 1977, also ein Modell, das sehr  spartanisch ausgestattet ist. Und trotzdem: es ist eigentlich alles an Bord, was es zum Autofahren braucht. Vier Gänge, natürlich manuell sortiert, ein in unserem Fall etwas zickiger Vergaser, Scheibenwischer, Licht und eine Heizung mit zweistufigem Gebläse. Natürlich gibt es keine Servolenkung – und so lernt man wieder, erst dann am Lenkrad zu drehen, wenn sich die Räder bewegen. Ein echtes Flashback. Und: ein echtes Vergnügen. Denn 40 PS reichen auch heute noch aus, um im Verkehr mitzuschwimmen – also natürlich nur, wenn das Auto nur etwa 700 kg wiegt. Der heutige Polo ist nahezu doppelt so schwer und hat alles an Bord, was in den Siebzigerjahren einem Rolls-Royce vorbehalten war.

Klar, man muss arbeiten am Lenkrad, die Spurtreue ist trotz der schmalen Reifen nicht die allerbeste. Aber das 0,9-Liter-Motörchen ist wunderbar elastisch, nix vom 16-V-Drehzahlwahnsinn; man hört immer was das Auto macht. Die L-Version verfügt zwar schon über einen Teppich, dennoch hört man genau, welches Rad gerade einfedert oder aus dem Schlagloch hüpft. Und der Vierzylinder gibt unverhohlen seinen Senf dazu. Herrlich.

Doch: könnte man so ein Auto auch heute noch tagtäglich nutzen? Theoretisch ja, mit etwas Hingabe, viel Fingerspitzengefühl bei der Choke-Bedienung und dem Mut, anders zu sein. Natürlich gibt es keinen Katalysator, der Verbrauch ist im Vergleich zu heute enorm. VW nannte damals einen Wert von 7,3 Liter pro 100 Kilometer. Die Bremsen wird man in der helvetischen Topografie auch an ihre Grenzen bringen. Wer aber wieder einmal Auto fahren möchte, dem empfehlen wir so einen Flashback von ganzem Herzen. Kommt dazu: bis zu 900 Liter Kofferraumvolumen, da muss man bei den aktuellen Kleinwagen schon ein Weilchen suchen, um ähnliches zu finden, denn der erste Polo ist nur 351 cm lang. Und das Auto hat durchaus Charme, vielleicht gerade wegen der spartanischen Aussttatung. Oder wars doch nur wegen der Farbe?

Mehr schöne Klassiker haben wir in unserem Archiv.

3 Kommentare

  1. Danke für den Beitrag.

    Du hast es genau getroffen: Ich mag meine Verbrenner halt auch. Bei uns zu Hause riecht man in der Garage, ob der Oldtimer drin steht oder nicht. Schon wenn ich oben in den Lift einsteige. Dann rieche ich, und denke, jawoll. Ich nehm heute den alten. Mit Choke. Dem 3-AKS (3-Anzeigen-Kontroll-System), also immer ein Auge auf Temperatur, Spannung, Oeldruck.

    Da kommt kein nerviges “BING!!“ Geräusch wenn was im Argen liegt. Das Auto muss man selber im Griff haben. Nicht umgekehrt.

    Also bin ich so am fahren und grinse die ganze Fahrt. Und danach. Und denke: So ein geiles Auto. Und freue mich im Büro aufs Heimfahren.

    Meine Frau (sollte sie denn zu Hause sein) hört mich dann schon die Strasse hoch fahren. Die Nachbarn auch. Ja, früher machten Autos noch wunderschöne Geräusche. Dann kontrolliere ich daheim noch Wasser und Oel und gönne dem Alten eine Nacht Ruhe. Bis ich am nächsten Morgen wieder rieche, im Lift… Ich könnte ewig nur alte Autos fahren 🙂

  2. Stefan Langer Stefan Langer

    ….I ´m lovin it….Mit dem lernten Millionen von Anfängern das Autofahren in den 80ern, als der Polo 1 als 2. oder 3-Hand-Fahrzeug das erste eigene Modell wurde.
    Auch ich durfte damit 1987 meine erten eigenständigen Fahrerfahrungen machen; es war allerdings mit 50 PS und der noblen GL-Ausstattung etwas „besser“ als der „L“ aber mit Baujahr 3/ 78 noch einer mit den blitzenden (schwächlichen) Chromstoßstangen.
    Mein GLS war wie der erste Teddy, den vergisst und „entliebt“ man auch nie und ich war schon sehr traurig, als er 1990 mit M;otorschaden auf der Autobahn sein zeitliches Ende segnete, Der Nachfolger ein 83er Steilcheck „SP“ hatte nicht soviel Charme.
    Der vorgestellte, nicht „Baby-„, sondern „Miamiblaue“ Polo mit seinem 40 PS-Motor reichte vollkommen aus, um in der 50 Stadt mitzuschwimmen und auch über Land war das keine Katastrophe. Gut, Überholmanöver mußten geplant werden (ich schaffe es aber auch heute mit meinem 34-PS-Käfer und 50-PS -Golf -> beides Oldies), man war halt etwas langsamer unterwegs. Das kleine, nur knapp 700 kg schwere Auto konnte auch ohne Servolenkung rangiert werden; was nicht an Extras oder serienmäßigen elektisch bedienbaren Trallafitti drin war – das konnte auch nicht kaputt gehen! Und der Motor, er a als solcher erkennbar und mit etwas technischen Sachverstand, wurden Wartungsarbeiten selbst durchgeführt…von wegen Wartungsintervallverlängerung , Long-Liife und so….moderne TSI-Motoren geben heutzutage schon oft ab 70.000 Kilometern LL auf….heute gibt es fast keinen Polomotor l mehr, ohne die „schlimme“ Steuerkette….
    Sicherheit – okay , kann er den mit den heutigen Modellen nicht mithalten. Aber auch ich bin nach einem Auffahrunfall unbeschadet ausgestiegen, Ohne Airbag, ABS und Bremsassistent. Komfort. Drehregler für Heizung und Belüftung, Zweistufiges Gebläse, zwei verstellbare Mittelausströmer. Klimaanlage? Die beiden schwenkbaren Ausstellfenster (a la Käfer) , Das war meine Climatronic. Elektrischer Scheibenwascher? Quatsch, links im Fußraum mit Fußpedal zum Treten! Es hat Spaß gemacht und würde es immer wieder tun! Mein Herz schlägt weiter für den Ur-Polo,..oder Audi 50 🙂

  3. Meiner war ein 1980er Polo L mit 40 PS in silber. Erstes Auto. Zweieinhalb Jahre drauf gespart. 40 PS haben völlig ausgereicht. Ich habe mehrere zehntrausend Kilometer damit gemacht. Das Ziehen des Motors an den Vorderrädern hat richtig Spaß gemacht, wenn man mal „sportlich“ angefahren ist. Platz ohne Ende. Das Alpine-Radio war hinter der Plastikholzverkleidung auf der Beifahrerseite versteckt. Trotzdem ist es mir fünf mal geklaut worden. Die HECO Boxen habe ich bis heute gerettet. Und den Aschenbecher – warum auch immer. Trotz Motor Nr. 2 habe ich ihn dann irgendwann aus Rostgründen weggegeben. Ich würde wieder einen fahren heute. Und ich bräuchte eigentlich auch nicht mehr Auto… Danke für den Test!

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