Klartext
Der Defender ist tot. Und alle, alle trauern, schreiben landauflandab liebevolle Abhandlungen, geschmückt mit Anekdötchen und Besserwissen und Weisheiten aus der Wüste und sonstigen wilden Abenteuern, weinen ein bisschen um ein Urgestein (von dem übrigens nach 68 Jahren eigentlich keine Schraube mehr gleich ist wie, damals). In diesen Kanon wollen wir auch einstimmen, aber halt so ein bisschen anders: Es sei hier geschrieben von meinen ganz eigenen Erfahrungen, denn mein Defender feiert in diesen Tagen seinen 10. Geburtstag. 180’000 Kilometer, also: Langzeittest.
Damals, vor einem Jahrzehnt, gab es mehrere Gründe, sich diesen weissen Td5, logischerweise einen 110er, anzuschaffen. Einer der wichtigsten: das Preis/Leistungsverhältnis. Fürs gleiche Geld hätte der Familienvater auch einen Skoda Octavia (mit Allrad) oder einen Opel Zafira gekriegt, was er beides nicht wollte. Ausserdem wollte der grad frischgebackene Papa damals ein Auto, in das er den Kinderwagen reinbrachte, ohne ihn zusammenzufalten. Dazu kam das Wohnen etwas abseits der Hauptverkehrsadern, Schnee, manchmal sogar viel Schnee, und da ist man froh nicht bloss über einen g’scheiten Allrad, sondern in erster Linie über reichlich Bodenfreiheit (ich fahre das weisse Zeugs jeweils einfach: platt). Und ja, es war schon immer mein Traum gewesen, einmal einen Defender zu besitzen; deshalb war der Moment damals genau der richtige.
Um ehrlich zu sein: Er wurde nie umgebaut, obwohl da grosse Pläne bestanden (noch bestehen, eigentlich). Mein Defender war auch nie in der Wüste, nicht einmal in Afrika. Er durfte zwar immer wieder mit auf grosse Reisen, zumeist vollgepackt bis unters Dach (und es geht unglaublich viel rein, 825 Kilo Zuladung), aber da fuhr er nur selten so richtig abseits der üblichen Gassen. Die Geländeuntersetzung brauchten wir nur selten, bei einigen Gelände-Fahrkursen, die er mitmachen durfte, manchmal im Schnee, aber so in Sand und Sahara, das blieben: Träume. Aber was haben wir gelächelt, wenn die bekannten SUV am Schneeberg scheiterten, unser Landi aber noch nicht einmal das kleinere Knüppelchen in der Mittelkonsole bemühen musste. Bodenfreiheit, das ist das, was es wirklich braucht. Und das blöde Gesabber von den richtigen Reifen, das nervt nur: die Standardbereifung ab Werk schaffte 80’000 Kilometer, der zweite Satz (BF Goodrich, 225/85 R 16) hat jetzt über 100’000 drauf und macht locker noch einen Frühling. Und über die Bubis, die 285er-Niederquerschnitt-Schlappen (meist zusammen mit einem nicht angeschlossenen Luft-Rüssel) montieren, darf man getrost ein bisschen lächeln.
Überhaupt, die Unterhaltskosten: Verbrauch an Schweröl bei ganz knapp unter 10 Litern, Öl nix, aber wirklich nix, Bremsen wie die Reifen sind erst beim zweiten Satz, ansonsten wohl nur noch überdurchschnittlich viel Wischerwasser (und entsprechend im Winter Frostschutzmittel), weil die Windschutzscheibe im Wind steht wie eine Wand. Übers Geld lässt sich also beim besten Willen nicht klagen, ganz besonders dann nicht, wenn man den Service nicht beim offiziellen Land-Rover-Dealer machen lässt (der zumeist eher ein Apotheker ist, zumindest in der Schweiz, halt gerne Range-Rover-Preise verrechnet, da muss man sich sowieso den Mechaniker seines Vertrauens suchen). Aber – aber davon schreiben wir dann später noch.
Ein Rennwagen ist ein 2,125 Tonnen schwerer 110er mit seinen 122 PS sicher nicht, obwohl: in der Abendsonne, mit Heimweh sowie bergab, da streifte er manchmal die Marke von 150 km/h. Zumindest auf dem Tacho. Aber eigentlich ist Tacho 120 eine saubere Reisegeschwindigkeit, sind wohl echte 105, 107, dann ist auch der Lärm nicht derart penetrant, dass er unerträglich wird. Auf langen Strecken wird er das sowieso, Wind- und sonstige abenteuerliche Geräusche, aber da kämpft man ja dann auch mit der nicht gerade vorbildlichen Sitzposition, mit der kaum je vernünftig dosierbaren Heizung und Lüftung, mit dem heftig vibrierenden Schalthebel, auf dem man locker auch einen Milch-Shake zubereiten könnte. Das Fahrverhalten ist problemlos, weil man, eben, ja nicht besonders schnell ist, weil man ja weiss, dass die Bremsen nicht wirklich überragend sind und sich deshalb allgemein etwas zurückhält. Dass der Geradeauslauf nicht gut sei, liest man des Öfteren, aber jene Beschreiber sind wahrscheinlich einen anderen Wagen gefahren. Eine Katastrophe ist hingegen der Wendekreis, ähnlich jenem eines toten Blauwals – bis man gemerkt hat, dass es rückwärts bedeutend besser geht. Die Übersicht hingegen ist vom Feinsten, man weiss genau, wo der Wagen anfängt und aufhört – und die Kinder lieben die hohe Sitzposition hinten, sie schauen auf all die Hochwohlgeborenen in ihren Touareg und Cayenne und Bayern-SUVs runter. Als 9-Plätzer taugt er übrigens auch bestens zum Transport von ganzen Junioren-Fussball-Mannschaften; da war ich dann jeweils froh, dass die Umbaupläne nie so recht vorankamen.
So weit, ganz gut. Aber jetzt kommen noch ein paar: aber. Gern wird der Defender ja als unkaputtbar beschrieben, der hält alles aus, kann alles, ist überall mit dabei. Stimmt allerdings beim besten Willen nicht. Und wir plaudern da jetzt nicht nur vom absurd hohen Verbrauch an Leuchtmitteln, sondern etwa vom Differential, das nach knapp 50’000 Kilometern seinen Dienst quittierte. Ein Schaden, der massiv ans Portemonnaie ging – und meinen Defender zwei Wochen aus dem Rennen warf. Ein Knacken in der Lenkung, unregelmässig, nicht nachvollziehbar, ab Kilometer Null, damit lernt man irgendwann leben. Der Keilriemen jammert, egal, ob alt oder neu. Überhaupt macht er manchmal Geräusche, da wundert man sich, aber das ist auch gut so, man bleibt alleweil aufmerksam auf solches, so ein bisschen wie bei einem Oldtimer.
Dann, vor drei Jahren, die unschöne Überraschung. Der Defender hatte hinten, am genieteten Übergang zwischen Dach und Unterbau, einen Anflug von Rost. Der Besuch beim Spengler erbrachte dann allerdings die Erkenntnis, dass es nicht bloss so ein bisschen ist, sondern dass die gesamte Leiste, die das Dach mit dem Rest verbindet, komplett am Verrotten war – von aussen nicht ersichtlich, innen aber eine Katastrophe. Das bedeutete dann: das ganze Dach samt Leiste wegflexen, alles sauber neu aufbauen, Dach wieder drauf. Auch das dauerte länger, auch das ging grob ins Geld. Eine Alternative wäre gewesen, den Wagen wegzuschmeissen, doch weil ich meinem Sohn versprochen (angedroht?) hatte, dass er dereinst auf dem Defender seinen Führerschein machen werde, machte ich dann halt keine gute Miene zu diesem unnötigen Spiel. Er hat jetzt wieder eine Stelle, hintere Türanflaschung, die mir ziemlich heftige Sorgen bereitet. Aber auch da müssen wir wohl durch, gemeinsam. Und nein, mit der Verarbeitungsqualität werden wir uns wohl nicht mehr anfreunden können, aber das gilt ja als britischer Charme, solches gilt es zu akzeptieren – wäre dies ein Produkt aus einem anderen europäischen Land, man hätte es wohl längst gesprengt.
Oh, ja, es braucht jede Menge Liebe, um den Defender zu mögen, zu schätzen, ziemlich blind muss man sein – und grosszügig. Das sind wir auch, sogar gern, er ist irgendwie auch so etwas wie ein Familienmitglied, da darf man aber auch manchmal etwas schimpfen; macht man ja mit den Kindern und der Katze auch.
Aber traurig, dass der Defender jetzt nicht mehr gebaut wird, bin ich nicht, eigentlich sogar ganz im Gegenteil. Denn die neueren Modelle, die Transit-Defender, sind mir im Vergleich zum meinem Td5 zu sehr weichgespült, haben zwar sechs Gänge (die hätte ich manchmal auch gern), aber auch eine komisch gestylte Mittelkonsole und vor allem die genialste Lüftung nicht mehr, diese herrlichen Klappen unter der Windschutzscheibe, die so wunderbar für Frischluft sorgen. Über 1000 Stück hat der Schweizer Importeur vom letzten Jahrgang noch verkauft, wohl vor allem diese pseudo-schicken Heritage-Versionen an Hipster, die jetzt in der Stadt verzweifelt nach einem Parkplatz suchen, um ihr ganz persönliches Bartpflegemittel zu shoppen, an Spekulanten, die nicht verstanden haben, dass ein in über 2 Millionen Exemplaren gebautes Fahrzeug nie zum Sammlerstück werden kann, an Media-Beraterinnen, die sich nun zwischen High Heels und Land Rover entscheiden müssen. Zwei Jahre, schätze ich, werden die Preise hoch bleiben, dann kommt ein massiver Zerfall bei den Gebrauchtwagenpreisen, und dann: schaumermal.
Nein, es gibt keine weiteren Land-Rover-Stories, findet zusammen mit Jaguar auf radical nicht mehr statt. Aber unser Archiv wollen trotzdem empfehlen. Und ich entschuldige mich jetzt schon mal bei den hardcore-Defender-Jungs, die dies Geschreibsel sicher doof finden, aber mann macht halt, was man kann.
100 prozentige Zustimmung!
[…] Langzeittest Land Rover Defender – Klartext […]
Also soll ich oder soll ich nicht einen kaufen? Bislang bin ich Subaru Outback Fahrer; vielleicht das nächste einen Defender?
schwierige entscheidung. jetzt im moment sowieso nicht kaufen, zu teuer, aber bald kommen die ersten gebrauchten des letzten jahrgangs…
[…] ist ja erst kürzlich der Land Rover Defender verstorben (mit gutem Grund, siehe: hier), doch es ist nicht der fröhlich rostende Engländer, der auf dem Gebrauchtwagen-Markt die […]
[…] «radical» wird ja von den Engländern nicht mehr berücksichtigt. Doch, einen haben wir noch: Dauertest Defender. Und Freunden klassischer Off-Roader sei unbedingt unsere Story zum Toyota Land Cruiser […]
[…] so, in den nächsten drei Wochen wird «radical» Pause machen, sprich: Ferien. Dafür musste unser Defender noch umgebaut werden, es wird einen hübschen Road-Trip geben, aber werden wohl in den nächsten […]