Überschminkt
Es ist nicht immer sehr sinnvoll, wenn man gleich den ersten Gedanken in die Welt hinausposaunt. Aber hier muss es sein, denn der erste Eindruck wurde auch beim siebten Blick nicht anders. Eine hübsche junge Dame also, dachte ich, aber leider etwas überschminkt. So ein bisschen wie Agnetha Fältskog von ABBA, damals, auch die Alpine hat so blaue Zierelemente wie Agnetha einst Lidschatten, überall gibt es ein bisschen Spoilerchen und Schweller und Zeugs, so ähnlich wie die aufgeklebten Wimpern einst bei der Sängerin. In den 70er Jahren war das Mode, in den 70er Jahren hatte Alpine auch seine besten Zeiten, vielleicht schliesst sich so der Kreis. Ach ja: Bestellt man ihn in Blau, dann sieht das besser aus, dann fällt der Lidschatten nicht auf.
Wir hatten es erst kürzlich geschrieben: Der rein elektrische R5 von Renault ist ein richtig cooles Fahrzeug. Nicht bloss für einen Stromer, sondern: überhaupt. Wir hatten den R5 ja vor ein paar Wochen auf den Col de Turini getrieben, richtig Spass gehabt dabei. Die Alpine ist nun ein R5 mit mehr Power, in der schwächeren Variante mit 180 PS/285 Nm, in der stärkeren mit 220 PS/300 Nm. Gefahren sind wir nur letztere, die will in 6,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h rennen, die Voraussetzungen sind also eigentlich bestens für noch mehr Fahrfreud’. Zumal Alpine ja auch intensiv gearbeitet hat, um aus dem kleinen Stromer einen «Hot Hatch» zu machen. Es gibt breitere Räder (Michelin Pilot Sport S5 mit Alpine A29-Kennung, 225/40 auf 19 Zöllern) und neue Alu-Achsschenkel, die Spur wächst damit um stolze sechs Zentimeter. Vorne erhält die Alpine einen Alu-Hilfsrahmen und die Bremsen aus der A110, hinten eine bessere Mehrlenker-Achse, rundum grössere Stabis und Dämpfer mit einem Bump-Stop. Das Gewicht steigt nur sanft auf 1479 Kilo, das ist für einen Stromer weiterhin sensationell – es ist also angerichtet.
Und auf der ersten Ausfahrt in die Berge kommt dann auch wieder das Lächeln, das wir schon beim R5 hatten. Gute, präzise Lenkung, etwas direkter noch als im R5. Der Fahr- und Federkomfort bleibt auch auf schlechten Gassen ausgezeichnet, das darf man dem französischen Zwerg hoch anrechnen – fährt man ihn sauber, flüssig, dann bedankt er sich mit hohen Geschwindigkeiten, viel Spass. Doch Sie spüren schon ein bisschen, dass hier bald ein Aber kommt, also: Alpine Torque Pre-Control. Wenn man die Alpine nun also fahren will, wie man so einen frontgetriebenen Hot Hatch gerne bewegt, spät bremsen, irgendwie durch die Kurve würgen, dann auf Zug aus der Biegung, dann greift da die gerade genannte Spassbremse ein, dann wird (zu viel) Kraft weggeregelt (auch wenn das ESP ausgeschaltet ist). Scharrende Vorderräder, das Reissen an der Lenkung, das ist nicht, das wird elektronisch verhindert. Über die Gründe können wir nur rätseln, wir nehmen mal an, dass die Franzosen etwas Angst haben vor zu hoher Beanspruchung der Batterie. Damit das aber auch klar ist: Auch die A290 macht in kurvigem Geläuf wirklich viel Freud’. Bloss ist der Unterschied zum normalen R5 schon deutlich kleiner als erwartet. Und auch geradeaus macht er nur 20 km/h mehr, auf der Rennstrecke kommt er auf langen Geraden etwas gar früh an den Anschlag.
Es ist viel Elektronik in diesem Stromer. Da gibt es diverse Fahrprogramme, es gibt sogar Lernprogramme, etwa für Lift-off-Oversteer, also das Ausbrechen des Hecks durch Lupfen des Fahrpedals – und es gibt die Möglichkeit, seine Rundenzeiten online mit Gleichgesinnten zu vergleichen (das geht wohl nicht nur auf dem Track, sondern auch auf öffentlichen Strassen – was dann sicher zu Diskussionen führen wird). Es besteht auch die Möglichkeit, die Alpine lärmen zu lassen, das ist deutlich besser gelöst als bei anderen Stromern, aber trotzdem irgendwie, egal. Weil da aber viel Feintuning reingesteckt wurde, genügt auch die HiFi-Anlage höchsten Bedürfnissen.
Man sitzt zudem gut, hervorragender Seitenhalt, aber nicht beengt. Überhaupt ist die Alpine innen gut gemacht, sie wirkt selbstverständlich edler als der Renault, feinere Materialien, schön verarbeitet. Der Arbeitsplatz ist übersichtlich, vielleicht gibt es etwas gar viele elektronische Spielmöglichkeiten (siehe oben, all die Programme), aber die potentielle Kundschaft kennt solches ja vom Smartphone; Google liefert die Software, und das ist bekanntlich sehr bedienerfreundlich. Man kann sich aber auch ganz gut auf das Fahren konzentrieren, man muss ja nicht jedes Game mitmachen. Hinten ist nicht übermässig viel Platz, der Kofferraum mit seinen 326 Litern Volumen ist aber deutlich über dem Durchschnitt für ein nicht einmal 4 Meter langes Fahrzeug.
Die günstigste Alpine A290 gibt es ab 37’700 Franken, 180 PS, 52-kWh-Batterie, die für 380 Kilometer Reichweite sorgen soll. Die stärkere Version kostet in der Schweiz ab 40’900 Franken, eine komplett ausgestattete Prèmier Edition ist mit 45’100 Franken angeschrieben und auf 1955 Exemplare limitiert sowie sehr blau. Nun, für einen Kleinwagen ist das dann schon viel Geld, andererseits gibt es eigentlich keine Konkurrenz. Und vielleicht haben die Franzosen ja noch ein Einsehen, erlauben sich selber noch einen A290, der mehr Alpine ist, also böser, giftiger, so frech, wie man einen Hot Hatch halt gerne hätte.
Lift-off-oversteer also …. also das, was der Golf immer so gern gemacht hat (bis hin zum 7, den 8 habe ich noch nie gefahren). Ist für schreckhafte Fahrer gar nicht so ohne.
Dass nun an den bereits ausgebuchteten Kotflügeln nochmal Verbreiterungen montiert sind, sieht irgendwie seltsam aus.
Schade, eigentlich eines der gelungensten Autos der letzten Jahre.
Wenn der nur bei 25.000 € losgehen würde, dann wäre er perfekt, aber man ist mit dem einfachsten Modell schnell, sehr schnell, bei 35.000.
Nachtrag:
Eben auf der Website gesehen, kommt für 24.900 als Urban mit 300 km Reichweite und 95 PS. Toll!
Was mich wundert ist, dass er auch als Roland Garros kommt, das durfte doch früher nur Peugeot?
Renault hat da mehr bezahlt, die sind der neue Sponsor beim Tennis. Und es kommt nur der R5 für unter 25k, die Alpine gibt es nicht mit Schwachstrom.
Danke für die Info.
Hoffentlich zahlen die nicht zu viel, am Ende wird es ja aufs Produkt umgelegt.
Ich denke nur an Rolex und die Formel 1 …….
War schon klar, dass der Alpine der stärkste und teuerste bleibt, trotzdem toll, dass dieses richtig hübsche Auto auch für Berufspendler zum relativ kleinen Preis kommt und man nicht auf den eher hässlichen Citroen EC3 angewiesen ist.
Solche Autos geben einem die längst geschwunden geglaubte Hoffnung zurück, dass Elektromobilität und Emotionen vielleicht doch mehr gemeinsam haben können als den gleichen Anfangsbuchstaben…
Der R5 dürfte ein Erfolg werden. Was ich aber wie beim elektrischen MINI vermisse, ist ein Tabubruch.
Es wäre aufgrund des äusserst kleinen Elektromotors (Melonen-Grösse) ohne weiteres möglich gewesen, einen Heckantrieb aus diesen Fahrzeugen zu machen. Ein dramatisch besseres Fahrverhalten wäre die Folge gewesen.
Mit dem unmittelbaren Punch eines E-Motors scharren Fronttriebler ohne Ende.
Das stimmt, aber die meisten schwören auf den Frontantrieb.
Das ist zwar Käse, aber da sind immer noch bei vielen im Schnee festgefahrene BMWs im Hinterkopf, obwohl die seit dem 1991er 3er eine hervorragende Gewichtsverteilung haben und keine Probleme im Winter machen.
Mit grausen denke ich an den Golf 7 Variant meiner Frau mit 150 PS Benziner und DSG, der bei feuchter Straße fast nicht ohne Schlupf anzufahren war…….. wir haben die Gurke nach einem Jahr wieder verkauft.
Nun war ich gestern beim Renault Händler in Hamburg, der hatte so ziemlich alles da.
Der Traum: Alpine A110 in Abysse-Blau.
Den R5 habe ich nun zweimal gesehen, beide Gelb.
Bei einem saß der Deckel für den Ladestecker sehr schäbig drauf, machte keinen guten Eindruck bei einem Auto für 39.880 Euro.
Aussen könnte er ruhiger sein, hat sehr viele Ecken und Kanten. In einer dunklen Farbe fällt das wohl weniger auf. Die 195er sehen von hinten ziemlich mager aus bei so einem kleinen dicken Kerl.
Innen ist er erstaunlich eng, unser Clubman ist da deutlich geräumiger bei gleicher Außenbreite.
Rafale, Symbioz, Austral, e-Scenic, Arkana, Espace, e-Megane (der ist noch recht hübsch) sehen sich irgendwie ähnlich und nicht spezifisch nach Renault aus.
Könnten auch irgendwelche Asiaten sein.