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Die hohe Kunst der japanischen Küche (7)

Tsukemono, vom Eingemachten

Ein französisches Sprichwort behauptet, dass ein Essen ohne Käse mit einer einäugigen Schönheit zu vergleichen sei. Der Japaner sagt: «Kuchi ga sabishii», meinem Mund fehlt etwas, doch er meint dann sicher nicht den Käse, sondern die Tsukemono, das Eingelegte, das meist in seinem eigenen Saft und Salz, in Essig, manchmal auch in Sojasauce oder Sake Eingemachte. Obwohl mittlerweile in Japan, durch den längst nicht mehr vernachlässigbaren westlichen Einfluss, am Ende eines Mahls auch noch Früchte oder gar Süsses verspiesen werden – fehlt das Saure nach dem Reis, so ist das Menu irgendwie nicht komplett.

Manch ein Japaner reist ins Ausland nur, wenn er einen Behälter mit seinen liebsten Tsukemono mitnehmen kann: Das Eingelegte, das auch als o-shinko bezeichnet wird, erinnert ihn an zu Hause. Nicht ohne Grund werden die Tsukemono als ultimativer Ausdruck der japanischen Hausmannskost, ofukuro no aji, angesehen – die hauseigenen Rezepte haben häufig eine Tradition, die mehrere Generationen überdauert hat.

Tsukemono werden fast ausschliesslich zusammen mit Reis gegessen; was in westlichen Gefilden Chips oder die noch übleren Erdnüsschen sind, das ist dem Japaner eine Schale go-han, mit Eingelegtem. Diese Verbindung ist nicht nur sehr schmackhaft, sondern wohl so alt wie die japanische Küche selbst: Ein Rezept für Umeboshi, in Reisessig eingelegte Salzpflaumen, wurde schon im 10. Jahrhundert erstmals schriftlich erwähnt – und wird noch heute in sehr ähnlicher Form verwendet.

In diesen vergangenen Zeiten, als der grösste Teil des fruchtbaren Landes für den Anbau von Reis verwendet wurde, gab es nur wenig frisches Gemüse – und dieses musste durch eine ausgefeilte Einmachtechnik lange haltbar gemacht werden. Früher war der oft hohe Salzgehalt ein Problem (vor allem im kalten Norden Japans leiden auch heute noch viele Menschen an einem zu hohen Blutdruck ob des übermässigen Salzkonsums), doch bei den guten professionellen Herstellern wird dieser mittlerweile genau kontrolliert. Man schätzt, dass es in Japan rund 4000 verschiedene Tsukemono gibt und mehr als 100 verschiedene Zubereitungsarten.

Auf dem wohl grössten (und teuersten) Feinschmeckermarkt der Welt, der Einkaufsstrasse Nishiki-koji in Kyoto, überbieten sich auf mehr als einem Kilometer Länge die Feinkostgeschäfte mit ihrer Auswahl (die natürlich auch immer höchst attraktiv präsentiert wird). Die einfachsten Spezialitäten heissen Shio-zuke; Gurken, Rettich (Daikon), Kohl und vieles mehr werden geschnitten, in einem riesigen Fass gelagert, mit viel Salz – Shio – bestreut, das Fass mit einem schweren Stein bedeckt. Nuba-zuke wird in Reiskleie eingelegt, Miso-zuke in Miso, Kase-zuke in Sake. In Kyoto besonders beliebt ist Senmai-zuke, hauchdünn geschnittener Daikon mit winzigen Teilen von rotem Chili, eingelegt  in Seetang. Takuan-zuke, ein gelber Rettich, ist in Japan so berühmt und geschätzt, dass seinem Erfinder, einem Priester ohne Namen, in Tokio gar ein eigener Schrein gewidmet ist.

Der Juni ist die grosse Zeit des «Einmachens» in Japan: Sämtliche Kochmagazine – von denen es in Japan Dutzende gibt – und die vielen Kochprogramme im Fernsehen widmen sich dann fast ausschliesslich den Tsukemono. Die Resultate, auch jene aus den privaten Häusern, können sich immer wieder sehen lassen: Da ist eine saure Gurke nicht einfach ein Cornichon, also ein saures, salziges, schlabbriges Teil, sondern tatsächlich noch eine Gurke, die mitten im Winter noch so schmeckt, wie eine anständige, frische Gurke schmecken kann.

Unsere kleine Reihe zur japanischen Küche besteht unterdessen aus: Reis, Etikette, Suppe, Gebratenem, also Yakimono, Frittiertem, also Agemono, und auch noch Eintöpfen. Automobile haben wir im Archiv.

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