Kommt gut
Endlich, so ist man versucht zu schreiben, nimmt Seat Fahrt auf. Im vergangenen Jahre schrieben die Spanier Gewinn, ein ganz neues Gefühl, sie verkauften über 400’000 Autos, obwohl der Ateca erst in der zweiten Jahreshälfte verfügbar war. Und in diesem Jahr sieht es richtig gut aus, plus 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr in den ersten drei Monaten, die lange Leidenszeit der zwar hübschen, aber ewig erfolglosen spanischen Tochter der Volkswagen-Gruppe dürfte zu Ende sein. Dazu kommt, dass jetzt auch noch der Ibiza in den Startlöchern steht – und in diesem Jahr noch der Arona kommt, ein kompaktes SUV auf Basis eben dieses Ibiza. Die Basis wiederum für Ibiza und Arona ist die neu entwickelte Plattform MQB-A0, also der bekannte modulare Querbaukasten von Golf & Co., jetzt aber nach unten angepasst für die Kleinwagen (zu denen dann auch der VW Polo (kommt im Herbst), der Skoda Fabia, der Audi A1 sowie deren allfällige Derivate gehören werden).
Dass der Ibiza als erstes MQB-A0-Modell raus darf, hat auch damit zu tun, dass viel der Entwicklungsarbeit in Spanien stattfand. Und dass die spanischen Fabriken der Volkswagen-Gruppe einen Grossteil dieser Kleinwagen herstellen werden, geplant sind 700’000 Exemplare pro Jahr. Und davon nun will und soll sich Seat ein anständiges Stück vom Kuchen abschneiden können, schliesslich ist der Ibiza, seit 1984 auf dem Markt und unterdessen in der fünften Generation, mit bislang 5,4 Millionen verkauften Exemplaren das Erfolgsmodell der Spanier.
Die Aussichten sind gut. Wenn nicht sogar: prächtig. Wir hatten es hier schon geschrieben, als wir den Ibiza vor ein paar Wochen auf dem Genfer Salon zum ersten Mal gesehen hatten: der ist cool. Leider konnte Seat bei den ersten Testfahrten farbigen Ibiza zur Verfügung stellen, es gab das übliche Leasing-Silber in zwei Schattierungen, dazu ein furchtbares Gold, das Mode sei, seit Apple seine iPhones auch in dieser Unfarbe lackiere. Und trotzdem, wir bleiben dabei: das ist vielleicht der hübscheste Seat aller Zeiten. Mit dem 18-Zöllern wirkt er so ein klein bisschen pummelig, aber nicht im Sinne von Babyspeck, mehr so: Teddybär. Und wenn gutes Design auch noch sympathisch wirkt, dann: kommt das gut. Man hört flüstern, dass die VW-Designer neidisch seien auf den Ibiza – weil ihr Polo, der dann wohl auf der IAA im Herbst präsentiert werden wird, ein nicht ganz so hübsches Kind sein soll.
Also, MQB, das mag jetzt zwar den Freund automobiler Vielfalt wenig erfreuen, den Kritikern von Badge Engineering mal wieder Wasser in ihre Mühlen giessen, doch andererseits: es funktioniert halt. Die Synergien lassen die Preis weiter fallen (oder zumindest die Gewinne grösser werden), für den Kunden bedeutet es aber in erster Linie: da weiss man, was man hat. Mit dem Golf 7.2. wurde die ganze Fuhre elektronisch weiter aufgerüstet, in Sachen Connectivity und Assi-Systeme gehört MQB und zukünftig auch MQB-A0 ganz nach vorne. Davon profitiert selbstverständlich auch der neue Ibiza, man könnte es eine Demokratisierung von HighTech nennen – der Kleinwagen Ibiza kriegt quasi alles mit auf den Weg, was bisher den gehobenen Klassen vorbehalten war, etwa den Abstandsradar und überhaupt sämtliche Sicherheitsfeatures aus dem Golf. Sogar das digitale Cockpit, wie es ähnlich auch im Lamborghini Huracan angeboten wird, wird auf Wunsch (und wohl gegen einen saftigen Aufpreis) erhältlich sein.
Der neue Ibiza kann also alles, was ein Smartphone auch kann. Aber er bietet halt viel mehr Platz als ein Telefon, auch hinten sitzt man gut, Knie- und Kopffreiheit sind überraschend grosszügig, der Kofferraum fasst stolze 355 Liter, das sind 63 Liter mehr als im Vorgänger (und zum deutlich grösseren Leon fehlen nur noch 35 Liter). Und das, obwohl der neue Ibiza mit 4,06 Metern genau gleich lang ist wie der bisherige Ibiza. Innen, ja, das kommt einem alles sehr bekannt vor, 8 Zoll grosser Touchscreen, viel Schwarz rundherum, so ein paar farbige Akzente; da zerreisst der Seat jetzt keine Stricke, aber das ist gut gemacht, ergonomisch bestens (weil: man kennt das ja alles), auch haptisch auf einem Niveau, das für einen Kleinwagen bis vor kurzem noch unerreichbar schien. Wobei, damit das klar ist: eine schöne Ausstattung kostet halt auch eine schöne Stange Geld.
In Sachen Antrieb zerreisst der neue Ibiza keine Stricke, an eine allfällige Elektrifizierung wollen die Spanier allenfalls später denken (und sie dabei dann aus den Konzern-Regalen bedienen). Die Motoren-Palette reicht von 65 bis 150 Benzin-PS, dazwischen gibt es auch noch die bekannten Diesel – und die (vorerst) stärkste Version erwies sich bei einer ersten Ausfahrt als Freudenspender. Die Fahrwerksabstimmung ist auf der eher sportlichen Seite, doch es ist eine noch gesunde Härte, die der hübsche Spanier da vermittelt. Bei einer flotten Fahrt auf den Berg überzeugten die präzise Lenkung und die fein dosierbaren Bremsen – er wird hinten allerdings etwas leicht, wenn man einmal etwas heftiger in die Eisen muss. Aber er ist schon auch erstaunlich, erfreulich, wie neutral diese modernen Fahrzeuge ausgelegt werden können, noch vor ein paar wenigen Jahren untersteuerte so ein Ibiza gnadenlos. Im Stadtverkehr gefällt der Spanier mit guter Übersicht und feiner Agilität.
Mit einem Einstiegspreis von 15’750 Franken für den 75-PS-Benziner gehört der Ibiza jetzt zwar nicht zu den Schnäppchen im Segment der Kleinwagen, doch der Preis scheint im Verhältnis zur gebotenen Leistung als durchaus fair. Die von uns gefahrene FR-Version mit 150 PS und manuellem 6-Gang-Getriebe erscheint noch nicht in der Preisliste, sie kommt dann erst im Herbst; die ersten Ibiza darf man aber schon im Juni beim Händler erwarten. Und «obwohl» der Ibiza mit gutem Design überzeugt, darf ihn trotzdem ernst nehmen: Seat kann in den letzten Jahren deutlich mehr Sein als nur schönen spanischen Schein bieten. Die Marke ist sicher auf dem richtigen Weg, wir müssten uns sehr täuschen, wenn der Ibiza nicht zum Erfolgsmodell werden würde. Ganz besonders in diesem schönen Rot.
Mehr Seat haben wir in unserem Archiv.
Faltiger ist er geworden… aber gut, er ist ja auch schon über 30 Jahre am Markt. Damals, in der ersten Generation, der einzige echte Spanier; nun nur noch ein faltiger Polo…
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