Swinging‘ Sixties
Die Swinging‘ Sixties waren zwar noch nicht richtig in Schwung gekommen, doch Jaguar hatte 1961 seinen E-Type vorgestellt, und 1962 kamen die Cobra und der 250 GTO von Ferrari, alles grossartige Träume für Sportwagen-Fahrer mit dem dicken Portemonnaie. Da war es für den «kleinen Mann» geradezu eine Erleichterung, im wahrsten Sinne des Wortes, als Lotus im Oktober 1962 auf der British Motorshow die Elan vorstellte. 680 Kilo schwer, zuerst einmal ein 1,5-Liter-Vierzylinder mit 100 PS, das war natürlich nicht so böse wie eine Cobra – aber es war herrlich. Und viel, viel günstiger. Also zog Emma Peel sich in «Mit Schirm, Charme und Melone» (erstaunlicher Original-Titel der Serie: The Avengers) einen schwarzen Leder-Catsuit an und hatte nur noch Augen für den kleinen Lotus. (Gute Frage, so nebenbei: ist es der oder die Elan?)
Die Elan war der Nachfolger der Elite. Die war 1957 vorgestellt worden und das erste Auto mit einer selbsttragenden Karosserie aus glasfaserverstärktem Kunststoff – wunderbares Gefährt, aber teuer in der Herstellung, die Elite riss ein tiefes Loch in die eh selten gut gefüllte Kasse von Colin Chapman. Die Elan hat dann einen X-förmigen Zentralrahmen aus Stahl (der aber trotzdem nur 34 Kilo wiegt); die hinteren Federbeine sind an den hohen, dünnen Auslegern dieses Rahmens befestigt. Die Karosserie wurde natürlich weiterhin aus GFK gefertigt. Länge: 3,69 Meter, Breite: nur gerade 1,42 Meter, Höhe: auch nur 1,14 Meter. Das Design stammte von Ron Hickman, der 1966 auch den Europa zeichnete – und das grosse Geld machte, als er sich den Black & Decker WorkMate patentieren liess.
Anfangs gab es den 1,5-Liter, doch bald schon kam der neue Lotus-Motor mit dem Cortina-Block. Der Zylinderkopf bestand aus Alu, besass selbstverständlich zwei obenliegende Nockenwellen, dazu noch die halbkugeligen Brennräume, 1558 ccm Hubraum. Dieses Aggregat sollte für lange Jahre die Stütze sein sämtlicher Lotus, aber auch Ford verwendete diese Maschine. Dass sie relativ kräftig war, hatte auch einen Nachteil: die Gelenke der Antriebswellen waren gummigefedert, die Elan neigte dazu, sich aufzuschaukeln, wenn man zu heftig oder vor allem unregelmässig Gas gab.
Das kleine Ding, natürlich rundum mit Einzelradaufhängung und vier Scheibenbremsen, war das reine Vergnügen zu fahren. Es war sogar einigermassen luxuriös ausgestattet, es gab elektrische Scheiben, Teppiche, eine Heizung, ein Armaturenbrett aus Holz. Und Klappscheinwerfer. Damit liessen sich die Mädels schon beeindrucken – so das Ding denn lief. Denn gerade in den ersten Jahren war die Qualität relativ weit entfernt von auch nur annehmbar, vor allem die Elektrik machte Ärger (kein Wunder, denn die Erdung macht an der GFK-Karosse halt Schwierigkeiten). Es gab die Elan übrigens in den erste Jahren auch als Bausatz, ganz einfach deshalb, weil man sich so die Steuern auf fertig gebaute Autos sparen konnte. Die Bastelei war aber problemlos, innerhalb eines Wochenendes hatte man den Lotus fertiggestellt.
Die Elan war ein Erfolg, von Anfang an. Die ersten, Type 26, waren Roadster (ab 63 gab es sogar ein Hardtop), aber 1965 kam dann das Coupé dazu (Type 36). 1966 wurde der Roadster durch ein Cabrio ersetzt (das heisst ja dann in England jeweils Drop-Head-Coupé; Type 45), und ab 1967 konnte man auch den +2 (Type 50) kaufen. Böse Zungen behaupten, diese Version mit verlängertem Radstand (plus 31 Zentimeter) und zwei Notsitzen sei nur entstanden, weil Colin Chapman Nachwuchs erhalten hatte – und trotzdem Lotus fahren wollte. Aber auch der +2 ist ein feines Gerät, nicht ganz so handlich wie der Kleine (aber der ist auch fast nicht zu übertreffen in Sachen Agilität), es fehlte ihm anfangs allerdings ein bisschen an Power.
Also baute Lotus kontinuierlich stärkere Maschinen in die Elan ein, meist zuerst in den +2, kurz darauf dann auch in den Zweisitzer. Aber jetzt mal der Reihe nach: der S2 hatte grössere Scheibenbremsen vorne, Holz innen und auf Wunsch Räder mit Zentralverschluss. den S3 (65 – 68) gab es auch als Coupé und auf Wunsch mit einem stärkeren Motor (115 PS). Der S4 (68 – 71) ist an den breiteren Kotflügel und der gewölbten Motorhaube zu erkennen, innen gab es ein überarbeitetes Armaturenbrett. Im Sprint (71 – 73) arbeitete der so genannte Big-Valve-Motor (126 PS). Den +2S (69 – 71) war nicht ganz so spartanisch ausgestattet wie die Basisvariante; der +2S 130 (71 – 74) verfügte über den Big-Valve-Motor, und der +2S 130/5 war dann auch noch mit einem Fünf-Gang-Getriebe ausgestattet. Eine aussergewöhnliche Variante gab es von Hexagon, die 1971 einen Shooting Brake von der Elan entwickelte; anscheinend wurden nur zwei Stück produziert.
Über die Fahrleistungen des Elan kursieren die wildesten Geschichten. Sicher ist, dass der 5-Gänger fast 200 km/h schaffte. Eher unsicher ist, ob der Elan in seiner Big-Valve-Version wirklich in 6,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigte, wie Lotus damals behauptete; Lotus war schon immer gern ziemlich optimistisch, was diese Zahlen angeht. (Die 6,6 Sekunden würden das Gerücht stützen, dass in Hethel die Beschleunigungswerte jeweils ausgewürfelt werden…) Doch das ist eigentlich egal, er ging gut, sehr gut sogar, und noch heute bereitet der kleine Lotus richtig viel Fahrfreude. Gebaut wurde er bis 1972 (Zweisitzer) und 1974 (+2), 17’392 Exemplare entstanden. Gute Elan sind heute sehr gesucht, aber gute Elan sind heute leider auch sehr selten. Es gab dann noch eine zweite Elan, ab 1989. Mit Frontantrieb, Motor von Isuzu, entwickelt und gebaut damals, als General Motors die Macht hatte bei Lotus. Man darf sie als düsteres Kapitel in der Lotus-Geschichte bezeichnen – und entsprechend war ihr Ende, sie wurde nämlich zwischen 1996 und 1999 noch als Kia Elan produziert.
Mehr Lotus haben wir in unserem Archiv.
[…] Lotus Elan […]
Erfreulich, das hier mal der Lotus Elan thematisiert wird. Unerfreulich, dass man sich mit Halbwahrheiten zufrieden gibt: „Eher unsicher ist, ob der Elan in seiner Big-Valve-Version wirklich in 6,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigte, …in Hethel werden die Beschleunigungswerte jeweils ausgewürfelt…“ Gemach, die Werte lassen sich ja in den historischen Testberichten nachprüfen. Die britische Fachzeitschrift Motor hat am 6. April 1971 für den Spurt von 0 auf 60 Meilen bei einem Elan Sprint 6,7 sec. gemessen. Autosport kam am 8. Feb. 1973 auf 6,6 sec., Car im Juni 1971 auf 6,6 sec., die amerikanische „Car and Driver“ im Jan. 1973 auf 6,8 sec., Autocar am 3. Juni 1971 auf 7,0 sec. Gewürfelt? Die Abweichungen hatten viel mehr mit Wetter, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Vergaser (Weber, Dellorto, Stromberg) zu tun. Für den grösseren Elan +2S 130 ermittelte Autocar am 25. Feb. 1971 den Wert von 7,4 sec. (im selben Bericht: Jag. E-Type 2+2 mit 7,4 sec., Porsche 911 T mit 8,1 sec., Alfa 1750 GTV mit 11 sec.). Das tönt für mich nach den Erfahrungen mit meinem Elan +2S 130/5 absolut plausibel. Und ja, er läuft tatsächlich 200 km/h, im 4. Gang (der 5. ist als Overdrive ausgelegt).
Beim +2 hat man nicht einfach den Radstand verlängert. Gleichzeitig ist auch die Spur verbreitert worden, und zwar um 20 cm auf 140 cm (hinten). Das ist entscheidend für das ausgezeichnete Handling, das US-Magazin Sport Car Graphic hat im Juli 1969 für den Elan +2 eine max. Querbeschleunigung (cornering capability) von 0,81 g ermittelt, was damals ein Bestwert war (Porsche 911 T: 0.73 g, Alfa 1750 GTV: 0.68 g).
Der längere Elan war auch nicht anfänglich schwach auf der Brust, weil es ihn von Beginn weg nur in der stärkeren Spec. Equipment. Ausführung mit 118 PS gab (später auf 126 PS angehoben, mit dem big-valve-Triebwerk).
Die Enstehung („Colin wollte ein Wagen für seine Kinder“) ist etwas anders: im Werk von Paul Robinshaw & Christopher Ross nachzulesen, dort hat Desginer Ron Hickman („the Hickman Diary“) geschildert, dass das Projekt des 4-sitzigen Elans bereits 1963 begann, als Coupé, Pick-up und shooting Brake. 1965/66 ging man bei Rover Car in den Windkanal, darum weist der Elan +2 einen für damals sensationellen tiefen Cw-Wert von 0,30 auf. Designmässig sieht man deutlich die Verwandschaft mit dem Rover-BRM-Turbinen-Rennwagen, der für LeMans gebaut wurde…
Mit dem Elan +2 wollte Lotus vor allem upmarket gehen, es war der erste Lotus, der nicht als Bausatz erhältlich war, die Qualität und Austattung wurde massiv verbessert. Rund 5000 Stück wurden davon gebaut, das Konzept ist für Lotus aufgegangen….
oh, schön, herzlichen Dank für die Ausführungen! da schreibt ein Kenner, und das freut uns. jene Aussage mit dem «Auswürfeln» begab sich vor ein paar Jahren bei «Automobil Revue», als wir mit einem Lotus – ich weiss leider nicht mehr, welcher es war – die Werksvorgaben bei weitem nicht erreichten. auf Rückfrage meinte der damalige Pressesprecher lapidar: «Bei Lotus werden die Beschleunigungswerte ausgewürfelt, deshalb kann gar keiner langsamer als 6,6 Sekunden sein». Und ja, wir wissen auch, dass dies so extremtotal ernst nicht gemeint gewesen ist.
Danke für die Infos!