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Fahrbericht Audi A8

Ein Schiff wird kommen

Nein, keine schalten Witze hier jetzt über die Bezeichnung. Auch wenn wir erzählen könnten vom Test mit dem hochrangigen Audi-Mitarbeiter auf der IAA, der die neue Nomenklatur alles andere als im Griff hatte (wir hatten einen Spickzettel). Wir möchten jetzt schon um Verzeihung bitten, falls uns da Fehler unterlaufen sollten (wir haben den Spickzettel verloren), aber wir mögen Dinge, die sämtlicher Logik entbehren, nicht auswendig lernen. Aber vielleicht weiss ja jemand eine passende Eselsbrücke?

Gross ist er geworden, der A8. Gut, das war er schon immer, aber jetzt sind es 5,17 Meter, nochmals vier Zentimeter mehr (die Langversion kommt auf 5,30 Meter, das kann man dann in der Schweiz eigentlich nirgends mehr legal parkieren – aber dafür können sich die Fond-Passagiere die Fussohlen massieren lassen…); der Radstand beträgt fast 3 Meter. Das erste Serien-Werk von Chefdesigner Marc Lichte soll sich nach Aussagen von Audi stark an der Studie Prologue orientieren, doch jenes Concept Car war halt schon schärfer, akzentuierter – für unser Gefühl ist der A8 mehr so eine Mischung aus «würdenwirgern» und «kennenwirdoch». Weil die Schulterlinie fast grad durchläuft, auch sonst in der Seite keinerlei Akzente gesetzt werden, wirkt der grosse Audi halt: gross. Von vorne fällt der massive Grill auf (mehr geht immer), das Heck wirkt filigraner, das durchgehende Leuchtband ist sicher ein Hingucker.

Es ist klar: China. Die Verkaufszahlen bei den ganz grossen Luxus-Limousinen sind in Europa unterdessen marginal, aber im Reich der Mitte gehört der Edelstahl weiterhin zum guten Ton. Wobei, Stahl ist da nicht mehr viel, die neue Plattform besteht aus einem Materialmix von nur noch wenig Stahl, dafür mehr Alu, Magnesium und Karbon. Das macht sich dann aber erfreulicherweise auch beim Gewicht bemerkbar: der 55 TFSI quattro, der uns als Testwagen zur Verfügung stand, wog 1920 Kilo. Das ist für so ein mächtiges Fahrzeug, zudem ausgestattet mit so ziemlich allem, was an Assistenzsystem verfügbar ist, ein guter Wert. Wenn man dann einen Hyundai i30 N, der ja so ein bisschen ein Sportwagen sein will und trotzdem über 1,5 Tonnen wiegt, daneben stellt, dann wundert man sich ein bisschen – und darf Audi unbedingt loben.

Man kann den A8 sowieso für ganz vieles loben. Es sind so Kleinigkeiten wie die Türen, die einem beim Öffnen entgegenkommen. Oder das Leder, das an den Kopfstützen weicher ist als weiter unten, dort, wo der Hintern aufliegt. Oder die unglaubliche Klarheit der drei verschiedenen Bildschirme, Höchstauflösung, das ist schon ganz hohe Schule, da kann derzeit kein Konkurrent mithalten. Gut, damit läutet man die automobile Revolution jetzt auch nicht ein – aber bis sie dann stattfindet (oder wahrscheinlich halt eher nicht), ist man mit so einem A8 schon ganz vorne mit dabei. 41 Assistenzsysteme sind eingebaut oder auf Wunsch erhältlich, wenn wir denn richtig gezählt haben, das dürfte auch ein neuer Rekord sein. Auch das teil-autonome Fahren wird noch kommen, Level 3 ab 2019, ein Staupilot – und solches kann ja durchaus Sinn ergeben, wenn man die heutigen Verkehrsverhältnisse betrachtet. All dies bedingt quasi das neue 48-V-Bordnetz, aber da spielt Audi ja sowieso eine Vorreiterrolle. Logisch, ins Top-Modell gehört alles, was technisch machbar ist, alles, was die besten Zulieferer zu bieten haben, doch es ist schon ziemlich beeindruckend, was möglich ist. Die Frage, ob man solches auch wirklich brauchen kann und will, die stellen wir uns jetzt hier nicht.

Was auch lobend erwähnt sein darf: wie sauber Audi die neue digitale und virtuelle Welt in den A8 eingepasst hat. Vor dem Fahrer das virtuelle Cockpit (auf Wunsch gibt es auch noch einen Head-up-Display), dann der grosse Touchscreen oben – und schliesslich noch eine saubere Glasfläche mit allen weiteren Bedienmöglichkeiten als Verlängerung der Mittelkonsole. Da ist Audi jetzt nicht nur weiter, viel weiter als BMW und Mercedes, sondern hat auch gleich noch Tesla und Volvo überholt, die bisherigen Vorreiter in Sachen moderner Innenraumgestaltung. Dass die verwendeten Materialien von edelster Güte sind, versteht sich von selbst, genau wie die exzellente Verarbeitung. Nicht verstehen muss man aber die Lichteffekte im Innenraum, aber das kann man wahrscheinlich individuell verändern oder hoffentlich auch ausschalten. Die Sitze vorne sind sehr komfortabel, aber leider auch etwas schwammig, man sucht so seine eigene Mitte. Hinten hingegen ist ein Traum, reichlichst Fuss- und auch Kopffreiheit – in China werden die Audi-Besitzer halt gerne gefahren. Ein massiven Kofferraum gibt es natürlich auch noch, 505 Liter sollten reichen für ein paar Aktentaschen oder Koffer voller Geld.

Luftfederung und die Hilfe von künstlicher Intelligenz beim Fahrwerk, das sind halt schon ganze feine Dingers. Man fährt weniger, man schwebt mehr im A8. Selbst gröbere Unebenheiten auf und in der Strasse werden souverän weggebügelt, da zieht man den Hut. Es gibt vier Fahrmodi, und wem es danach ist, den Audi auch sportlich-hart erleben zu wollen, der kann das auch haben – obwohl es so gar nicht zum Charakter der grossen Limo passt. Es ist aber schön, wie der A8 unter Last um die Ecken geht, die von Porsche bekannte Allrad-Lenkung bietet höchste Präzision (und man spürt trotz Allradantrieb kaum Kraftflüsse), für seine Grösse fühlt sich der Wagen erfreulich agil an. Aber in erster Linie geht es ja um den Komfort, die Langstreckenqualitäten, und da muss sich der Ingolstädter wahrscheinlich nicht verstecken vor den Konkurrenten (wobei, wir müssen zugeben, einen neuen 7er sind wir nur kurz gefahren, die aufgefrischte S-Klasse noch gar nicht).

Die 55 in der Bezeichnung deutet auf den 3-Liter-V6-Turbo mit 340 PS und einem maximalen Drehmoment von 500 Nm ab 1370/min. Das ist quasi der Einstiegsmotor, ein V8-Benziner wird noch nachgereicht, der V12 bleibt im Programm und kommt dann auch bald, vielleicht, vielleicht gibt es irgendwann auch noch einen scharfen S8; und nein, von den Audi-Selbstzündern schreiben wir jetzt hier vorerst nichts. Der Sechszylinder versieht seinen Dienst ausgesprochen ruhig und souverän, die 8-Gang-Tiptronic hält immer die passende Gangstufe bereit – mehr Kraft ist ja nie falsch, aber wenn die Vernunft regieren darf, dann ist diese Antriebsvariante absolut ausreichend, 5,6 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 sind ein anständiger Wert, die elektronisch abgeriegelte Höchstgeschwindigkeit liegt bei den üblichen 250 km/h. Ach ja, der Verbrauch: 7,5 Liter meint das Werk. Da hilft auch das 48-V-Bordnetz, der A8 ist ein sehr milder Hybrid mit gewissen Rekuperationsmöglichkeiten.

Wir haben es hier ja sonst nicht so mit den Audi, aber der A8 hat uns schon ziemlich beeindruckt, die Feinheiten, die Liebe zum Detail. Gut, das kostet auch richtig viel Geld, ab 111’800 Franken ist man dabei, die Liste der zusätzlichen Ausstattungsmöglichkeiten ist mehr so ein Buch, allein schon die Auswahl bei den Kombinationsvarianten von Aussenfarbe und Innenraumgestaltung erfordert ein abgeschlossenes Studium. Ein solches empfiehlt sich auch für das Bediensystem, nicht etwas deshalb, weil es so kompliziert ist, ganz im Gegenteil, aber die Möglichkeiten allein der Sprachsteuerung sind schon vielfältigst, auch das Navi ist bei entsprechender Bedienung über (leider auf Audi beschränkte) Schwarmintelligenz lernfähig; es ist so ein bisschen so wie bei modernen Kameras oder Smartphones, die auch viel mehr können als der Mensch wirklich brauchen kann.

Mehr Audi haben wir in unserem Archiv.

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