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Test Seat Ibiza 1.5 FR

Der Gutundgernegross

Es freut uns natürlich, wenn wir uns jeweils selber bestätigen können. Der Ibiza hatte uns schon auf einer ersten Probefahrt überzeugt – und jetzt, im Test, wurde eigentlich alles noch besser. Für «radical» ist der Spanier eines der interessantesten Fahrzeuge des Jahres 2017 – es fällt uns nicht viel ein, was besser sein könnte an diesem Wagen. Insbesondere nicht, wenn er mit dem neuen 1,5-Liter-Vierzylinder mit Zylinderabschaltung ausgerüstet ist, der es auf 150 PS bringt und folglich für sehr anständige Fahrleistungen sorgt: Der Seat Ibiza 1.5 FR rennt in 7,9 Sekunden auf 100 km/h, damit ist er fast schon auf dem gleichen Niveau wie bei seinem Vorgänger der Cupra.

Ja, diese Maschine ist eine Freud‘. Rollt man friedlich einher, schaltet er fast unmerklich zwei Zylinder ab (und etwas merklicher wieder ein), was selbstverständlich Sprit spart. 4,9 Liter sollen es nach Werksangaben im Durchschnitt sein – und dort draussen, im wirklichen Leben, kamen wir auf 5,8 Liter. Das ist deshalb lobenswert, weil wir den kleinen Spanier schon ziemlich forderten, Spass hatten. Zwar tönt der Vierzylinder nicht nach Fahrfreude, aber er bringt sie bestens: 250 Nm maximales Drehmoment schon ab 1500/min sorgen für feinen Durchzug, das manuelle 6-Gang-Getriebe bietet die richtigen Anschlüsse dafür. Die kurzen Schaltwege animieren dazu, das präzise Rührwerk auch zu verwenden, ein bisschen zu spielen – es ist schön, wie sauber ausbalanciert der Wagen ist, auch wenn man massiv anbremst vor der Kurve und noch einen anderen Gang braucht, es ist bewundernswert, wie sauber dann aus der Kurve zieht. Klar, da hat es schon Krafteinflüsse auf die Lenkung, doch das durchschaubar, da geschieht nichts Überraschendes, auch dank der elektronischen Differentialsperre (beim FR serienmässig); erstaunlich auch, wie lange der Fronttriebler neutral bleibt, eigentlich nur über die Vorderräder schiebt, wenn man wirklich zu schnell ist. Die sehr präzise Lenkung und die fein dosierbaren Bremsen helfen natürlich bei der sportiveren Fahrweise.

Das Fahrwerk haben wir mit dieser Beschreibung ja indirekt schon gelobt. Doch es kann halt noch mehr: der Ibiza, der auf dem kleineren MQB namens A0 basiert, ist ähnlich komfortabel wie ein Golf. Und das ist ein Fortschritt, bisher waren die Kleinwagen aus dem Volkswagen-Konzern ja schon eher bockig. Doch MQB-A0 bringt halt eben nicht nur mehr Steifigkeit (plus 30 Prozent gegenüber dem Vorgänger), sondern auch die feinere Klinge bei der Fahrwerksabstimmung. Der Kompromiss aus angenehmen Gleiterfähigkeiten und feiner Sportlichkeit für das Angasen am Berg ist absolut gelungen; ein zukünftiger Cupra wird wohl einfach härter, aber kaum besser werden. Mit dem 1,5-Liter-Motor wiegt der Ibiza 1320 Kilo, das ist jetzt nicht gerade Weltrekord, aber doch ein guter Wert.

 

Weil er nun über 4 Meter lang ist (4, 06 Meter, um genau zu sein), hat der Ibiza zwar das klassische Kleinwagen-Segment eigentlich verlassen. Doch man soll ja nicht kleinlich sein – und sich freuen über die guten Platzverhältnisse im hübschen Spanier. Das ist so viel besser als früher, da hat man wirklich das Raumgefühl eines höheren Segments, sogar hinten sitzt man wie einst in der Golf-Klasse. Und dazu kommen auch noch 355 Liter Kofferraum-Volumen – es gibt eigentlich wirklich keinen Grund mehr, einen Leon (oder eben Golf) zu kaufen, der Ibiza kommt seinen grösseren Brüdern und Schwestern in quasi allen Bereichen sehr, sehr nahe. Zumal er in der Inneneinrichtung, bei den Assi-System und auch beim Infotainment ja alles vorweisen kann, was die Konzern-Regale auch für die teureren Modelle hergeben, MQB sei Dank. Und deshalb wollen wir uns hier auch nicht zum 107. Mal über die Bedienerfreundlichkeit auslassen, man kann es, falls denn noch Interesse besteht, nachlesen etwa beim Skoda Karoq. Im Seat sitzt man aber viel tiefer – und folglich viel besser.

Und dann plaudern wir doch mal über Geld. Mit 22’800 Franken ist der Ibiza als FR (also mit schon ganz netter Ausstattung) und mit dem 150-Pferder angeschreiben (die Basis gibt es ab 13’890 Franken, dies mit 65 Pferdchen). Das ist ein sehr, sehr fairer Preis, unserer bescheidenen Meinung nach; wir werden ihn, den Preis und auch den Ibiza, dann noch mit dem Polo vergleichen, dessen Fahrbericht wir noch schreiben müssen. Er zeigt vor allem auch auf: Wolfsburg will die spanische Tochter jetzt endlich so richtig auf den Weg bringen. Wir haben so ein bisschen das Gefühl: Seat ist unterdessen das, was Skoda einmal war – nämlich das beste Angebot innerhalb des VW-Konzerns. Schon der Ateca ist irgendwie das coolste Teil unter den MQB-SUV, sowohl preislich wie auch optisch, beim Arona (Fahrbericht folgt) kann man Gleiches schreiben (oder zumindest: denken), und der Ibiza ist günstiger als der Polo – und deutlich hübscher.

Mehr Seat haben wir in unserem Archiv.

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