Die aussergewöhnliche Geschichte eines Rennwagens
Am 16. Oktober 1965 warf der für die Ecurie Basilisk startende Architekt Werner Biedermann beim Training zum SAR-Bergrennen Grafenort – Engelberg seinen teuren Rennwagen weg. Wohl ziemlich heftig und übers Dach, denn das Wrack, das Hans Illert kaufte, schien nicht mehr viel wert zu sein. Illert entsorgte die Karrosserie, schnitt 20 Zentimeter aus dem Chassis – und stülpte den Aufbau eines Porsche 906 Carrera 6 über die Überreste. Er setzte noch einmal die Flex an, gestaltete die Karosse noch mehr um, am Schluss war sein «neues» Renngerät 200 Kilo leichter als das Wrack, das er gekauft hatte. Und Illert war schnell, im «LM-P» getauften und von der Squadra Tartaruga gemeldeten Fahrzeug gewann er im August das Bergrennen St. Ursanne – Les Rangiers. Auch 1967 fuhr Illert nochmals zu einem Klassensieg, diesmal beim Slalom Wangen auf dem Flughafen Dübendorf. Auch andere Piloten wie Herbert Müller, Dieter Spörry und Heini Walter sollen das Vergnügen gehabt haben mit diesem aussergewöhnlichen Fahrzeug.

Ein Jahr später verkaufte Illert das Fahrzeug an Pierre Sudan aus Zug. Dem schien die Performance des Fahrzeugs noch verbesserungswürdig, er ersetzte den bisherigen 3,3-Liter durch einen 4-Liter-V12, den er bei David Piper gekauft hatte. Das bekam dem Wagen aber nicht gut, das Fahrverhalten verbesserte sich nicht, im April 1969 verkaufte Sudan den Wagen schon wieder.

Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass da etwas stand von: 4-Liter-V12. Und damit wollen wir auch erklären, was Werner Biedermann da im Herbst 1965 in die Landschaft setzte: Es war ein Ferrari 250 LM, Chassis-Nummer 5899. Der schon vor dem Umbau durch Illert eine Schweizer Geschichte hatte, war er doch Mitte Juli 1964 an die Scuderia Filipinetti ausgeliefert worden, die dafür 64’200 Franken bezahlte. Seinen ersten Einsatz erlebte #5899 beim Bergrennen Sierre – Crans Montana Ende August, Ludovico Scarfiotti holte sich den Sieg. Auch bei der 15. Coppa Inter-Europa in Monza war der Ferrari 250 LM siegreich, diesmal war Nino Vaccarella am Steuer. Im nächsten Rennen, den 1000 Kilometern von Paris in Monthléry, schieden Vaccarella/Guichet nach einem Unfall aus, Filipinetti verkaufte das Fahrzeug an Biedermann, für 58’000 Franken.

Auch nach 1969, nachdem Sudan den Porsche, der eigentlich ein Ferrari war, nach Österreich verkaufte hatte, war die Karriere von #5899 wild. Er wurde weiterhin bei Rennen eingesetzt, hatte aber 1970 wieder einen heftigen Unfall. Das Wrack ging durch mehrere Hände, unter anderem jene von Rob de la Rive Box, und kam irgendwann in die Hände von Paul Schouwenberg, der wiederum von Piper den originalen 3,3-Liter-Motor zurückkaufte. Nächster Besitzer war Eric Stewart von der Pop-Band 10CC, der eine komplette Restauration in Auftrag gab, die vier Jahre dauerte, von 1977 bis 1981. Es folgten noch viele weitere Besitzerwechsel, 2015 kam #5899 zuletzt auf den Markt, wurde von RM Sotheby’s in Arizona für 9’625’000 Dollar versteigert.

Wir wagen hier noch einen Versuch der Schweizer Geschichte des Ferrari 250 LM #5899:
30.08.1964: Sierre – Montana-Crans, Ludovico Scarfiotti (Scuderia Filipinetti), #72, 1. Rang OA
06.09.1964: Coppa InterEuropa Monza, Nino Vaccarella (Scuderia Filipinetti), #31, 1. Rang OA
11.10.1964: 1000 Kilometer Paris, Nino Vaccarella/Jean Guichet (Scuderia Filipinetti), #4, Unfall
11.04.1965: Preis von Wien Flughafen Aspern, Pete Ettmüller (Ecurie Basilisk), #34, 2. Rang OA/2. Rang Klasse
11.07.1965: Trento – Bondone, Hans Illert (Ecurie Basilisk), 10. Rang OA
22.08.1965: St. Ursanne – Les Rangiers, Werner Biedermann (Ecurie Basilisk), #69, ?
12.09.1965: Mittholz – Kandersteg, Werner Biedermann (Ecurie Basilisk), #46, ?
16.10.1965: Grafenort – Engelberg, Werner Biedermann (Ecurie Basilisk), Unfall
20./21.08.1966: St. Ursanne – Les Rangiers, Hans Illert, #98, 1. Rang (?)
28.08.1966: Sierre – Montana-Crans, Hans Illert, (?)
11.09.1966: Mittholz – Kandersteg, Hans Illert, 1. Rang Klasse
24./25.09.1966: Eigenthal, Hans Illert, #86, 1. Rang Klasse
02.10.1966: Flughafen-Rennen Tulln-Langenlebarn, Hans Illert, 5. Rang
16.10.1966: Donau Cup Wien-Aspern, Herbert Müller, #88, 1. Rang Klasse
xx.xx.1967: Int. ADAC-Rennen Norisring, Hans Illert, #2
21.05.1967: Schwarzenberg – Bodele, Hans Illert, #61, 1. Rang
20.08.1967: St. Ursanne – Les Rangiers, Heini Walter, #91
xx.xx.1967: Turckheim – Trois Epis, Heini Walter, (?)
27.08.1967: Ollon – Villars, Hans Illert, #211
08.10.1967: Flugplatz-Rennen Innsbruck, Pierre Sudan, 1. Rang Klasse
Anfang 70er Jahre: im Besitz von Paul Blancpain (Matran)
xx.09.1974: im Besitz von René Widmer
später: im Besitz von Rob de la Rive Box
xx.09.2006: im Besitz von Henri-Louis Maunoir (Genf)
2011/2012: ausgestellt im Pantheon (Basel)

Es ist dies alles nur das Vorspiel für eine ausführlichere Geschichte zu den Ferrari 250 LM. Mehr interessante Fahrzeuge haben wir in unserem Archiv.
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