Der wahre Bastard
Als TVR das Projekt 7/12 1996 erstmals auf der Birmingham Motor Show ausstellte, sahen es viele Besucher gar nicht: Die Menschentrauben rund um das Gefährt sollen ähnlich jener gewesen sein beim Empfang der argentinischen Fussball-Weltmeister in Buenos Aires Ende des vergangenen Jahres. Doch das Ding sah nicht nur wild aus, auch die spärlichen technischen Angaben waren sehr grob: 7,7 Liter Hubraum, 12 Zylinder, mindestens 800 PS, weniger als 1000 Kilo. Zwar zielten die Engländer vor allem auf die GT1-Rennklasse, doch dafür mussten sie ja auch Strassen-Versionen verkaufen – und der 7/12 hätte auf der Strasse wohl alles vernichtet, was es damals zu kaufen gab, inklusive des wunderfeinen McLaren F1.
Es kam, wie es bei TVR fast immer war: das Projekt verzögerte sich. Es erhielt einen neuen Namen, Speed 12, die Rennversion war 1998 so weit fertig, dass man tatsächlich ein paar Rennen bestreiten konnte. Doch es haperte an der Zuverlässigkeit, was nicht weiter wundert, denn der Zwölfzylinder bestand aus zwei Speed-Six-Motoren, die auf einer Kurbelwelle zusammengeführt wurden. Der Motorblock bestand weder aus Gussiesen noch aus Alu, wie das für eine Rennmaschine eigentlich angebracht gewesen wäre, sondern aus Stahl. Bis TVR die Probleme einigermassen im Griff hatte, schrieb man schon das Jahr 2000, die GT1-Klasse war längst Geschichte, man musste sich also auf die Strassen-Version konzentrieren.
Die schrieb man mal mit 188’000 Pfund an – und konnte tatsächlich eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Kunden davon überzeugen, diesen Betrag schon einmal vorzuschiessen. Als man dann den Motor auf einen Prüfstand stellte, der bis 1000 PS ertragen sollte, zerbröselte der Dynamometer schon beim ersten Versuch. Peter Wheeler, damals Chef von TVR und mit einem durchaus schweren Fuss gesegnet, fuhr dann eines schönen Abends mit einem fertigen Prototypen nach Hause – und zog dem Projekt am nächsten Morgen den Stecker. Das Auto war einfach zu brutal, es hatte zu viel Leistung.
Damit hätte diese Geschichte ein Ende, wenn auch kein schönes, haben können. Doch 2003 erschien im englischen Fach-Magazin «Auto Trader» eine Anzeige, in der ein TVR Cerbera Speed 12 angeboten wurde. Es fand sich ein Interessent, Wheeler überprüfte ihn persönlich über seine fahrerischen und charakterlichen Eigenschaften, man baute für ihn ein Einzelstück mit dem V12 und einer Karosse eines Rennwagens zusammen, was ihn noch schneller machte. Das englische «Evo»-Magazin durfte den Bastard einmal fahren, nannte ihn «awesome» und «terrifyingly quick». Dann verschwand der TVR in einem Museum in England.

Jetzt kann man ihn kaufen. Ob es wieder eine Charakterprüfung braucht, wissen wir nicht. Wahrscheinlich braucht es aber ein gut gefülltes Portemonnaie, auch wenn der TVR Cerbera Speed 12 als «no reserve» auf der Versteigerung von Silverstone Auctions am 20. Mai 2023 angeboten wird. Auch der Unterhalt des Einzelstücks dürfte nicht ganz unproblematisch werden. Ach ja, TVR soll es anscheinend noch geben, zumindest existiert noch eine Webseite, anscheinend kommt 2024 ein E-Dings auf den Markt.
Mehr spannende Autos haben wir in unserem Archiv. Und ja, der TVR qualifiziert sich auf jeden Fall für unsere hübsche Reihe «Die Aussergewöhnlichen».
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