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Ferrari 375 MM

Immer mehr

Als ob nicht schon der Ferrari 340 MM ein Monster gewesen wäre, 4,1-Liter-Lampredi-V12, 300 PS. Bei der Mille Miglia gewann Gianni Marzotto auf einem dieser wunderbaren Fahrzeuge (#0280AM), auch weil der Ferrari der Konkurrenz in Sachen Fahrleistungen gnadenlos überlegen war. Doch schon zwei Monate später kam die Ernüchterung: In Le Mans waren die 340 MM gegen die Jaguar C-Type chancenlos. Und das nicht etwa, weil es ihnen an Leistung fehlte (der 3,4-Liter im Jaguar kam auf etwa 220 PS), sondern weil die Briten mit ihren Dunlop-Scheibenbremsen einfach überlegen waren.

Das konnte Enzo Ferrari nicht auf sitzen lassen, es musste sofort aufgerüstet werden. Scheibenbremsen wollte der «Commendatore» allerdings nicht, er bemühte sein altes, immer gleiches Rezept: mehr Leistung musste her. Es durfte ja einfach nicht sein, dass man Rennen gewinnen konnte, nur weil man besser bremste. Und seine Rechnung war so einfach wie logisch: Wenn man auf der Geraden genug Vorsprung herausfuhr, dann war man auch in der Kurve vorne.

Es gab zwei doch sehr unterschiedliche Motoren-Varianten für den 375MM. Die meisten Fahrzeuge erhielten eine Lampredi-Maschine mit erhöhtem Hubraum (Tipo 108), der Hub zwar auf 68 Millimeter verringert, die Bohrung aber auf 84 Millimeter vergrössert, das ergab dann 4523 cm3 . Es gab noch eine andere Kurbelwelle, drei Weber-40IF/4C-Vergaser – und schon war man bei 340 PS bei 7000/min. Die vom Werk eingesetzten Fahrzeuge waren allerdings mit dem Formel-1-Motor aus dem 375 F1 (Tipo 102) ausgerüstet, Bohrung x Hub 80 x 74,5 mm, 4494 cm3, drei Weber-42DCZ, aber auch 340 PS. Das würde dann wohl reichen, um die Briten mit ihren kümmerlichen Sechszylindern in die Schranken zu verweisen.

Es reichte: Beim 24-Stunden-Rennen von Spa, dem vierten Lauf zur Sportwagen-Weltmeisterschaft 1953, fielen zwar zwei der ganz neuen Ferrari 375 MM aus. Farina/Hawthorn hatten auf #0322AM aber am Ende 18 Runden Vorsprung auf einen privat gemeldeten Jaguar C-Type – bei einer Rundenzeit von fast fünf Minuten war das eine Weltreise. Auch den nächsten WM-Lauf bei den 1000 Kilometern auf dem Nürburgring gewann ein Ferrari 375 MM, diesmal mit Ascari/Farina (#0286AM). Den WM-Titel sicherte sich Ferrari aber dann trotzdem nur mit viel Glück: Die beiden Privatfahrer Mancini/di Lapigio (#0322AM) schafften bei der Carrera Panamericana den vierten Rang (hinter drei Lancia), damit blieb Maranello in der Rangliste vorne.

Das war es dann auch schon mit der Karriere als Werk-Rennwagen für den Ferrari 375 MM. Doch in den Händen von privaten Teams war der Ferrari immer noch eine Waffe, insbesondere in den USA und Lateinamerika. 23 Fahrzeuge wurden gebaut, 22 davon von Pininfarina eingekleidet, entweder als Spider oder Berlinetta; dazu kam noch ein Coupé von Ghia (#0476AM) sowie ein Spider von Vignale (#0286AM, der wie noch so manch 375 MM sein Leben als 340 MM begonnen hatte). Das gilt auch für das Fahrzeug, das wir hier zeigen, #0320AM.

Das war so: Seinen ersten Auftritt hatte #0320AM noch als 340 MM bei den 24 Stunden von Le Mans, Startnummer 14, pilotiert von Giuseppe Farina und Mike Hawthorn. Es lief zu Beginn auch bestens für das Fahrzeug mit seinem 4,1-Liter-V12, man lag kurz nach dem Start auf dem 2. Rang. Dann fuhr Hawthorn an die Box, anscheinend hatte er Bremsprobleme. Er erhielt neue Bremsflüssigkeit – und wurde sofort disqualifiziert, denn es gab irgendeine obskure Regel aus der Frühzeit von Le Mans, die das Nachfüllen von Flüssigkeiten vor der 28. Runde untersagte.

Danach ging es zurück ins Werk, denn eben: Es musste mehr Leistung her, also gab es den neuen 4,5-Liter-Motor (in diesem Fall, weil Werkswagen: Tipo 102). Es gab auch noch aerodynamische Verbesserungen, eine kleinere Heckscheibe, denn die Fahrer hatten sich in Le Mans beklagt, dass die Scheinwerfer der hinter ihnen fahrenden Wagen sie zu stark blendeten. Für die 24 Stunden von Spa war #0320AM wieder bereit, am Steuer Villoresi/Ascari, die nach 218 Runden mit Getriebe-Problemen aufgeben mussten. Mike Hawthorn und Umberto Maglioli gewannen dafür Mitte August die 12 Stunden von Pescara, die allerdings nicht zu irgendeiner Meisterschaft gehörten.

Bereits im Oktober 1953 wurde #0320AM an Tullio Pacini aus Rom verkauft. Der das Fahrzeug aber für die Carrera Panamericana zur Verfügung stellte, wo der Ferrari in den Händen von Ricci/Salviati das Rennen begann. Nachdem aber Maglioli auf dem 375MM #0358AM ein Rad verloren hatten, übernahm Maglioli das Fahrzeug von Ricci – und fuhr auf der zweitletzten Etappe einen Schnitt von 222 km/h, ein Rekord, der bei einem Rennen auf öffentlichen Strassen nie mehr übertroffen werden sollte; zu mehr als einen 6. Rang reichte es trotzdem nicht. Maglioli gewann kurz darauf auf Guadeloupe und wurde Zweiter bei einem Rennen im mexikanischen Guadalajara. Danach verkaufte Pacini den Wagen, der er wohl gar nie gesehen hatte, an Luigi Chinetti.

Dann wurde es richtig wild. 1955 kauften Mark und Louise Schellenberg den nicht mehr taufrischen Ferrari. 1957 kreuzte eine Dame den Weg des 375 MM in Denver, er erhielt danach eine neue Front und wieder die grosse hintere Scheibe (die einfach viel besser aussah). Noch in den 50er Jahren wechselte der Ferrari vier Mal den Besitzer in den USA (tiefster Preis: 3000 Dollar…), kam in Anfang der 70er Jahre über Gene Curtis zu Steve Griswold, der das Fahrzeug restaurieren liess, 1976 an Robert Sutherland verkaufte, der ihn dann 1993 für knapp eine Million Dollar an Jermone Sutherland verkaufte. Bis 1998 hatte sich der Preis mehr als verdoppelt, Duncan Hamilton war der neue Besitzer, 1999 kam Sir Anthony Bamford dazu, in den Nuller-Jahren Sir Paul Vestey. 2013 versteigerte RM Sotheby’s #0320AM für 9’856’000 Euro, seither herrscht endlich Ruhe um dieses wunderbare Fahrzeug.

Einfach der Ordnung halber, hier mal alle 375MM: #0286AM (Spider Vignale), #0318AM (Berlinetta Pininfarina, war ein 340 MM), #0320AM (Berlinetta Pininfarina, war ein 340 MM), #0322AM (Berlinetta Pininfarina, war ein 340 MM), #0358AM (Berlinetta Pininfarina), #0360AM (Spyder Pininfarina), #0362AM (Spyder Pinfarina), #0362AM (Spyder Pininfarina), #0364AM (Spyder Pininfarina), #0366AM (Spyder Pininfarina, später umgebaut von Scaglietti), #0368AM (Berlinetta Pininfarina), #0370AM (Spyder Pininfarina), #0372AM (Spyder Pininfarina), #0374AM (Spyder Pininfarina), #0376AM (Spyder Pininfarina), #0378AM (Berlinetta Pininfarina), #0380AM (Berlinetta Pininfarina), #0382AM (Spyder Pininfarina), #0402 (Spyder Pininfarina, spàter umgebaut von Scaglietti), #0412AM (Spyder Pininfarina), #0416AM (Berlinetta Pininfarina), #0450AM (Spyder Pininfarina, spàter umgebaut von Scaglietti), #0456AM (Berlinetta Pininfarina – das «Bergmann»-Auto), #0460AM (Spyder Pininfarina), #0472AM (Berlinetta Pininfarina), #0476AM (Coupö Ghia), #0490AM (Berlinetta Pininfarina).

Es gibt ganz viele wunderbare Geschichten um die einzelnen Fahrzeuge – wir werden eine Sammlung eröffnen, uns auch um Einzelschicksale kümmern.

Chassis-Nummer: #0360AM

Erstaunlicherweise wurde der erste 375 MM nicht vom Werk eingesetzt, sondern noch im Dezember 1953 an Piero Scotti, einen reichen Mineralwasser-Produzenten, verkauft. Scotti verschiffte den Wagen gleich mal nach Nordafrika, nahm auch noch den Formel-1-Weltmeister Nino Farina als Beifahrer mit – und plättete die Konkurrenz bei den 12 Stunden von Casablanca, 40 Kilometer Vorsprung fuhren sie auf den zweitplatzierten Ferrari von Ascari/Villoresi heraus. Scotti schaffte auf #0360AM noch ein paar weitere Siege, bei der Mille Miglia 1954 schied er aus, auf dem 3. Platz liegend. Der Ferrari steht bei Girardo & Co. zum Verkauf (Februar 2024).

Chassis-Nummer: 0364AM

Die Geschichte dazu gibt es: hier.

Chassis-Nummer: 0366AM

Motoren-Nummer: 0366AM

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2022, verkauft für 7’485’000 Dollar. Wurde im Dezember 1953 als Pininfarina-Spyder an den Portugiesen Casimiro de Oliveira ausgeliefert. Dieser zerstörte das Fahrzeug dann im September 1954 bei einem Rennen in Schweden – er hatte das Fahrzeug kurz vor schon verkauft. Die Ruine wurde nach Maranello zurückgeschickt, doch nicht Pininfarina übernahm den Neuaufbau, sondern Scaglietti, mit einem eigenen Design. Das macht dieses Fahrzeug unter den eh schon seltenen 375 MM einmalig.

Chassis-Nummer: 0374AM

Die Geschichte dazu gibt es: hier. Da geht es auch noch um #0362AM, #0376AM und #0382AM.

Chassis-Nummer: 0402AM

Wahrscheinlich einer der berühmtesten Ferrari überhaupt, begann dieser 375 MM seine Karriere im August 1954 als Pininfarina-Sypder. Erster Besitzer war der italienische Regisseur Roberto Rossellini, der mit dem Monster tatsächlich ein Rennen in Schweden bestritt, aber nicht beenden konnte. Kurz darauf setzte er den Wagen in einen Baum, Scaglietti musste den Ferrari neu aufbauen – und verwandelte ihn in eine Berlinetta. Das Design erregte viel Aufsehen (was Rossellini liebte), es war dies der erste Scaglietti-Entwurf für ein Strassen-Fahrzeug. Und gleich eine absolute Ikone. Rossellini behielt #0402AM bis 1964, verkaufte ihn dann an den Sizilianer Mario Savona. Dem der Wagen kurz darauf gestohlen wurde. Als der 375 MM wieder gefunden wurde, war er unansehnlich grün lackiert – und kam so 1970 zum Franzosen Charles Robert. Der #0402AM in seiner Garage 25 Jahre lang restauriert, das Fahrzeug galt als verschollen. 1995 spürte ein amerikanischer Händler den Ferrari auf – und konnte einen Verkauf an Microsoft-COO Jon Shirley vermitteln.

Chassis-Nummer: 0456AM

Und noch einer dieser berühmten Ferrari, #0456AM, und wieder hat der italienische Regisseur Roberto Rossellini etwas damit zu tun. Für den Salon von Paris 1954 (7. bis 17. Oktober) hatte Pininfarina einen ganz besonderen 375 MM auf dem Stand: den Aerodinamica Speciale. Rossellini verliebte sich in das Fahrzeug, kaufte das Fahrzeug für 6000 Dollar, liess es hellgold umlackieren – und schenkte es seiner Gattin Ingrid Bergman. Bloss, die wollte es nicht. Schon 1957 verkaufte Rossellini #0456AM an einen in Rom lebenden Amerikaner, der ihn bereits zwei Monate nach Kalifornien verschacherte. Der 375 MM ging im Lauf seines Lebens durch viele amerikanische Hände, heute steht es – wie auch #0402AM – in der Sammlung von Jon Shirley.

Und dann haben wir ja noch das Archiv.

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