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Ein Mann aus Stahl

Wenn man in Turin geboren wird und Farina zum Nachnamen heisst, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass man etwas mit Automobilen zu tun hat. Emilio Giuseppe «Nino» Farina, geboren am 30. Oktober 1906, war der Sohn von Giovanni Farina, Gründer der Stabilimenti Farina; sein Onkel, also der Bruder seines Vaters, war Battista «Pinin» Farina, Sergio Pininfarina war folglich sein Cousin. «Nino» hatte also beste Voraussetzungen, kümmerte sich allerdings in seinen jungen Jahren wenig ums Automobil, er wurde Offizier der Kavallerie, studierte Jura und schaffte einen Doktortitel in Wirtschaftspolitik an der Universität von Turin, er war ein ausgezeichneter Fussballer, Skifahrer, Reiter.

So ganz ohne Auto ging es dann doch nicht, «Nino» lernte schon mit neun Jahren das Fahren. Er kaufte sich 1925 einen gebrauchten Alfa Romeo, mit dem er, zusammen mit seinem Vater, beim Bergrennen von Aosta auf den Grossen St. Bernhard antrat. Giovanni schaffte den vierten Rang mit diesem Auto, «Nino» warf den Alfa dann aber gegen einen Baum, was ihm eine gebrochene Schulter, Verletzungen im Gesicht und viel Spott einbrachte. Aber: der Ehrgeiz war geweckt.

Aber es sollte noch ein bisschen dauern, bis er sich ganz auf die Rennerei konzentrierte. Dass er das schliesslich machte, hatte auch viel mit Tazio Nuvolari zu tun, dieser ewigen italienischen Legende, der Farina unter seine Fittiche nahm und in der Scuderia Ferrari unterbrachte. Sein Können zeigte er dann bei Mille Miglia 1936 auf einem Alfa Romeo 8C 2900, bei der er auf dem zweiten Rang fuhr, nur 32 Sekunden hinter Sieger Antonio Brivio. Es sollte der knappste Zieleinlauf in der langen Mille-Miglia-Geschichte bleiben. Und Farina hätte wohl gewonnen, wenn er nicht die ganze Nacht ohne Scheinwerfer hätte fahren müssen. 1937, 1938 und 1939 wurde Giuseppe Farina italienischer Meister – aber dann kam der Krieg.

Als die FIA 1950 eine erste Formel-1-Weltmeisterschaft ausschrieb, hatte Alfa Romeo zwar mit 158 das richtige Auto, doch nach dem Tod von Jean-Pierre Wimille und Achille Varzi fehlten den Italienern die gewünschten Fahrer. Juan Manuel Fangio hatten die Italiener schon engagiert, dazu Luigi Fagioli – und dann erinnerte man sich an «Nino» Farina. Der 44-Jährige bedankte sich mit einer souveränen Leistung gleich beim ersten Formel-1-Lauf am 13. Mai 1950, dem Grossen Preis von England in Silverstone: Er holte die Pole-Position, er fuhr die schnellste Runde, er gewann das Rennen. Farina gewann auch noch den Grossen Preis der Schweiz in Bern, er siegte beim Grossen Preis von Italien in Monza – und weil er zudem beim Grossen Preis von Belgien noch Vierter geworden war, ging der erste Formel-1-Weltmeistertitel an Dottore Emilio Giuseppe «Nino» Farina.

Farina gewann auch 1951 wieder den Grossen Preis von Belgien, wurde Vierter in der Weltmeisterschaft. 1952 fuhr er für Ferrari, wurde vier Mal Zweiter, hinter Ascari auch Vize-Weltmeister. Und 1953 gewann in er Deutschland seinen letzten Grand Prix, wurde noch einmal Dritter in der Weltmeisterschaft, dies im Alter von 47 Jahren. Noch bis 1956 fuhr «Nino» in der obersten Rennsport-Klasse, dann hängte er seinen Helm an den berühmten Nagel.

Erstaunlicherweise war der Palmares von Giuseppe Farina bei den Sportwagen nicht ganz so überragend. Zu den 24 Stunden von Le Mans trat er nur einmal an, 1953, doch da kam er gar nicht zum Fahren, weil sein Teamkollege Mike Hawthorn den Ferrari 340 MM bereits in der 12. Runde an die Boxen brachte, ihm da Bremsflüssigkeit nachgefüllt wurde, was zur sofortigen Disqualifikation führte. Dafür gewann Farina mit Mike Hawthorn dann die 24 Stunden von Spa sowie zusammen mit Alberto Ascari das 1000-Kilometer-Rennen auf den Nürburgring, dies jeweils in einem Ferrari 375 MM (#0322AM resp. #0286AM). Auch 1954 reichte es noch für einen Sieg bei den 1000 Kilometern von Buenos Aires, zusammen mit Umberto Maglioli, dies auf einem Ferrari 375 Plus. Bei der Mille Miglia wurde Farina nach 1936 auch 1937 und 1940 wieder Zweiter; 1954 hatte er souverän in Führung gelegen, als er wieder einmal von der Strecke abkam.

Es könnte auch am Fahrstil gelegen haben, dass «Nino» Farina bei den Langstreckenrennen nicht so erfolgreich war. Zwar sass er als einer ersten Fahrer relativ weit hinten, arbeitete mit einigermassen gestreckten Armen am Lenkrad, was dann relativ entspannt aussah, mehr so: cool. Doch Doktor Farina war ein sehr emotionaler Mensch, sehr stolz, er hasste Publicity und er hasste es noch viel mehr, wenn seine Gegner schneller waren als er. Er kämpfte mit sehr harten Bandagen, auch gegen die eigenen Teamkollegen – und er ging nicht sehr freundlich um mit seinen Arbeitsgeräten, fiel auffallend oft mit Getriebeschaden und Kupplungsproblemen aus. Stirling Moss, der den Fahrstil von Farina kopierte, meinte, es sei besser, wenn man «Nino» auf der Rennstrecke nicht zu nahe komme, Enzo Ferrari nannte ihn einen «kompletten Rennfahrer, ein Mann aus Stahl, innen wie aussen» – und Fangio sagte, dass nur die heilige Jungfrau den Italiener jeweils ins Ziel gebracht haben könne.

Nach seiner Zeit als Rennfahrer versuchte sich «Nino» Farina als Auto-Händler – und als Designer bei seinem Cousin Sergio Pininfarina. Am 30. Juni 1966 war Farina in seinem Ford Cortina Lotus auf dem Weg zum Grossen Preis von Frankreich in Reims, als er in den französischen Alpen bei Chambery von Eis überrascht wurde, in einen Telegraphenmast knallte und auf der Stelle tot war.

Es gehört diese Geschichte zu unserer neuen Serie: «related», in der sich ein erster Teil rund um die Sportwagen-Weltmeisterschaft 1953 dreht. Mehr schöne Stories finden sich in unserem Archiv.

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