Das Monster
Von den Ferrari 340 haben wir schon ein paar Geschichten, 340 Mexico, 340 America. Auch die Zusammenarbeit von Ferrari und Vignale haben wir schon mehrfach beschrieben, es gibt sogar eine Auflistung dazu. Es braucht nun unbedingt auch noch den von Vignale eingekleideten Ferrari 340 MM, auch deshalb, weil eines der seltenen Exemplare bald schon bei RM Sotheby’s unter den Hammer kommt, #0350AM, Schätzpreis 6 bis 8 Millionen Euro.
Aufgeladene Motoren mit kleinem Hubraum, das war die grosse Herausforderung für Ferrari vor der GP-Saison 1949. Enzo Ferrari war aber nicht von der Tauglichkeit dieser Konstruktionen für Langstreckenrennen überzeugt, obwohl ihm sein Chefingenieur Gioacchino Colombo eine aufgeladene Version seines bewährten V-12 vorgeschlagen hatte. Aurelio Lampredi hatte einen anderen Vorschlag:. Er wollte mit einem Saugmotor mit grossem Hubraum antreten. Seine Konstruktion verfügte über eine völlig andere Architektur, die einen längeren und höheren Motorblock, einfache Einlasskanäle und eine Doppelzündung vorsah. Dieser Motor mit einem Hubraum von anfangs 3,3 Litern wurde in der Formel 1 sehr erfolgreich und führte zur Beförderung von Lampredi zum Chefingenieur von Ferrari im zarten Alter von 30 Jahren. Colombo wanderte genervt zu Alfa Romeo ab.
Der 3,3-Liter-Lampredi-Motor wurde zuerst in das Chassis mit der Nummer 0030 MT eingebaut und zusammen mit einem ähnlichen Geschwistermodell an der Mille Miglia 1950 eingesetzt. Getriebeschäden führten bei beiden Fahrzeugen zum Ausfall, aber die Maschine war sehr vielversprechend. Auf dem Pariser Salon im Oktober 1950 stellte Ferrari eine 4,1-Liter-Version vor, die den Namen 340 America trug. Ausgestattet mit Weber40-DCF3-Vergasern mit zwei Drosselklappen und Marelli-ST66-Zündverteilern, schaffte der Lampredi-Motor etwa 280 PS. Der 340 America hatte bald Erfolg und gewann 1951 die Mille Miglia, zudem erwies er sich bei SCCA-Rennen in den USA als sehr konkurrenzfähig. Trotz des Potenzials des 340 America blieb der Erfolg in Le Mans jedoch aus, und Ferrari versuchte, einen leistungsstärkeren Nachfolger zu bauen, um den Sieg des 250 Sport bei der Mille Miglia 1952 zu verteidigen.
Anfang 1953 wurde der Ferrari 340 MM vorgestellt, der sich während der gesamten Rennsaison als dominierendes Fahrzeug etablierte. Zu den Modifikationen gehörten die Vergrösserung des Radstands von 2420 auf 2500 Millimeter sowie die Montage breiterer Räder, die nun vorne 6 Zoll und hinten 7 Zoll gross waren (im Vergleich zu den 5,5 und 6 Zoll breiten Rädern des America). Mechanisch wurde der Lampredi-Motor mit leichteren Pleueln und 3fach-Weber-Vergasern auf den neuesten Stand gebracht. Der Verteiler des Vorgängermodells wurde nun durch einen Magneten ersetzt, und in Kombination mit der erhöhten Verdichtung kam der Motor nun auf deutlich über 300 PS (ein Leistungszuwachs, der besonders bei Drehzahlen über 5000/min deutlich wurde). Mit einem größeren 177-Liter-Kraftstofftank im Vergleich zum 140-Liter-Tank des America war der MM perfekt für den harten Wettbewerb bei Langstreckenrennen geeignet.
Ursprünglich wurden zehn Fahrzeuge gebaut, von denen sieben von der Scuderia Ferrari in der neuen FIA-Sportwagenhersteller-Meisterschaft eingesetzt wurden. Siege bei der Mille Miglia, den 24 Stunden von Spa, den 1000 Kilometern auf dem Nürburgring und dem Giro di Sicilia verhalfen Ferrari zum Sieg in der Sportwagenmeisterschaft 1953. Der 4,1-Liter-Lampredi-Motor zeigte bei der Carrera Panamericana Potenzial und wurde zudem zu 4,5- und 4,9-Liter-Konfigurationen weiterentwickelt, von denen letztere die Grundlage für den beeindruckenden Sieg in Le Mans 1954 bildete. Aber die Saison 1953, die von den attraktiven 340 MM dominiert wurde, sollte als die erste anhaltende Erfolgsphase von Ferrari im Rennsport in Erinnerung bleiben und machte den 340 MM zu einem der am höchsten eingeschätzten frühen Sportwagen aus Maranello.
Zu den ganz grossen Siegen trug der Ferrari 340 MM mit der Chassisnummer #0350AM, das letzte gebaute Exemplar und Schwester-Fahrzeug des Mille-Miglia-Siegers, nichts bei. Und doch ist er ein ausgesprochen wichtiges Fahrzeug in der Geschichte von Ferrari. Denn mit seinen Siegen trug er entscheidend zum guten Ruf der Italiener in den USA bei. Der Ferrari wurde über Luigi Chinetti bestellt von Sterling Edwards, einem prominenten kalifornischen Geschäftsmann, Flieger und Sportwagenrennfahrer, der später seinen eigenen europäisch geprägten Sportwagen, den Edwards America, baute und einer der Gründungsvorsitzenden der Pebble Beach Road Races war. Edwards kam im September 1953 mit seiner neuen Gattin in Europa an. Er muss von der einzigartigen Vignale-Karosserie des Wagens begeistert gewesen sein. Der Vignale Spider folgte im Wesentlichen der Form früherer Ferrari-Barchettas und wies die für den Karosseriebauer charakteristischen dreifachen, ovalen Bullaugen an den vorderen Kotflügeln, dreieckige Kühlluftöffnungen an den hinteren Kotflügeln, fünf Abgasschlitze auf jeder Seite und aussenliegende Scheinwerfer auf. Die auffällige Karosserie war in einer Kombination aus Dunkelblau und Weiss lackiert.
Nachdem er mit seinem neuen Ferrari Flitterwochen hinter sich gebracht hatte, eine Reise, die der Route der Mille Miglia sehr nahe kam, brachte Edwards den Wagen nach San Francisco und begann sofort, ihn bei einer Reihe von SCCA-Rennen an der Westküste zu fahren. Der Erfolg stellte sich sofort ein, denn der 340er gewann bei seinem ersten Auftritt auf der Stead Air Force Base in Reno, Nevada, im Oktober 1953. Es folgten Siege bei der Veranstaltung in Palm Springs im Februar 1954 und bei den 5th Annual Pebble Beach Road Races zwei Monate später. Auch die Del Monte Trophy holte er ab, und Edwards‘ Triumph über mehrere amerikanische V-8-Rennwagen kam zusammen mit einer Rekordrunde, die nie unterboten wurde. 1955 verkaufte Edwards seinen geliebten Ferrari, seither ging er durch viele Hände, unter anderem auch durch jene unserer Freunde bei DK Engineering.
Mehr Ferrari haben wir in unserem Archiv. Und wie schon erwähnt: Ferrari und Vignale, dort finden sich einige schöne Stories.
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