Das Wunder
Und dann ist da ja noch diese berühmte Bild, «El Milagro». Umberto Maglioli bretterte 1954 bei der Carrera Panamericana auf seinem Ferrari 375 Plus durch die mexikanische Pampa, als er einen Ölverlust bemerkte. Da sah er am Strassenrand eine kleine Werkstatt, hielt an, versuchte das Problem zu schildern. Renato Martinez sah sich den Ärger an (er hatte vorher ganz sicher noch nie einen Ferrari gesehen), drückte dem Italiener eine Cola in die Hand, bastelte sich aus geschmolzener Seife eine Paste, schmierte diese auf das lecke Kurbelgehäuse. Was anscheinend funktionierte. Magioli, der eine Rolleiflex dabei hatte, knipste dieses Bild, setzte sich in seinen Ferrari – und gewann die Etappe. Martinez erhielt das Photo später mit einem Dankesschreiben von Enzo Ferrari. Se non è vero, è ben trovato.
Umberto Maglioli hielt sich selber nicht für einen der ganz grossen Rennfahrer. Die Formel 1 war nicht sein Ding, er bestritt zwischen 1953 und 1957 auch nur zehn Rennen, eigentlich nur Ersatzfahrer. Zwar kam stand er zwei Mal auf dem Podium, doch das war mehr den damals noch erlaubten Fahrerwechseln denn seinem Können zu verdanken. Auch mit den 24 Stunden von Le Mans konnte er sich nie recht anfreunden, 1963 schaffte er da zusammen mit Mike Parkes auf einem Ferrari 250 P zwar den dritten Rang – doch er kam bei 11 Teilnahmen 10 Mal nicht ins Ziel.
Noch öfter war er bei Targa Florio am Start, 19 Mal, dort gewann er aber drei Mal, 1953 auf Ferrari, 1956 auf Porsche – und dann noch einmal 1968, wieder auf Porsche, zusammen mit Vic Elford. Und das zeigt zwei Dinge: Je länger die Strecke, desto besser war der Norditaliener. Und: Seine Karriere dauerte unglaublich lange. Maglioli, geboren am 5. Juni 1928 in Bioglio in Norditalien, bestritt seine ersten Rennen 1951 (zusammen mit seinem Mentor Giovanni Bracco erreichte er bei der Mille Miglia einen sensationellen zweiten Platz in einer komplett unterlegenen Lancia Aurelia B20) – und seine letzten Auftritt als professioneller Fahrer hatte er 1970.
Der Italiener wurde von Teams und vor allem Kollegen geschätzt für seine fast schon stoische Ruhe. Und für sein unglaubliches Gefühl im Umgang mit Fahrzeugen und schwierigen Streckenverhältnissen. Regnete es, war Maglioli der Mann, den man im Team haben wollte. Gab es längere Stints zu fahren: Maglioli. Musste der Wagen geschont werden: Der ruhige Norditaliener würde es schon richten. Am meisten liebte er es, unbekannte Strassen zu fahren, sich von seinem einmaligen Gespür leiten zu lassen, was möglich war. Er war zudem für jeden Spass zu haben. Und trotzdem sehr zuverlässig. Und immer gut gekleidet.
Man muss seine Karriere in zwei Teilen sehen. In den ersten Jahren, bis 1955, war er einer der bevorzugten Fahrer von Enzo Ferrari. Berühmt aus jener Zeit ist sein Auftritt bei der Mille Miglia 1954, als er sich in einem Ferrari 500 Mondial ein episches Duell mit Luigi Musso auf einem Maserati A6GCS lieferte – und sich nach 1597 Kilometern mit einem Vorsprung von neun Sekunden den zweiten Platz hinter Ascari sichern konnte. Sein grösster Triumph, eine absolute Legende ist aber die Carrera Panamericana von 1954, wo er auf dem Ferrari 375 Plus (#0392AM) alles in Grund und Boden fuhr. Zwar hatte er mit dem 5-Liter-Ferrari das stärkste Fahrzeug im Feld, doch er nahm seinen ärgsten Gegnern, Phil Hill und Richie Ginther, die beide auch keine Nasenbohrer waren, in den Bergen am meisten Zeit ab. Im gleichen Jahr hatte er mit Farina schon die 1000 Kilometer von Buenos Aires gewonnen – mit zwei Siegen und einem zweiten Platz fuhr er Ferrari quasi im Alleingang zum Titel der Sportwagen-Weltmeisterschaft 1954, er holte mehr Punkte für Maranello als das zweitplatzierte Team von Lancia.
1956 dann wechselte er zu Porsche, holte für die Stuttgarter den so wichtigen ersten Sieg bei der Targa Florio auf einem 718, hatte dort grossen Anteil an der Entwicklungsarbeit für die Formel 2 und auch Formel 1, verunglückte aber 1957 schwer, brach sich beide Beine, musste lange aussetzen. Erst in den 60er Jahren war er wieder voll da, gewann 1963 mit John Surtees die 12 Stunden von Sebring. Und eben, 1968 noch einmal die Targa Florio. Umberto Vincenzo Luigi Maglioli, dieser heute leider kaum mehr bekannte Held, verstarb 1999 an einem Krebsleiden in Monza.
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