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Der blaue Helm

1952 war schon das Jahr des Alberto Ascari gewesen. Acht Rennen zählten zur Formel-1-Weltmeisterschaft, beim ersten Lauf in der Schweiz war Ascari nicht dabei, weil er sich in Indianapolis auf die ebenfalls zur Weltmeisterschaft zählenden 500 Meilen vorbereitete (die zum totalen Fiasko für Ferrari werden sollten). Doch alle anderen sechs Läufe gewann der Italiener; er wurde Weltmeister mit der maximal möglichen Anzahl von Punkten. 1953 war er Ascari dann nicht mehr ganz so dominierend, von neun Läufen gewann er «nur» vier, doch Weltmeister wurde er trotzdem wieder, souverän – und fuhr bei sieben aufeinanderfolgenden Rennen die schnellste Runde. Es wäre vielleicht in diesem Stil weitergegangen, doch weil Enzo Ferrari Ende der Saison Luigi Villoresi entliess, den väterlichen Freund von Ascari, kündigte dieser auch, wechselte zu Lancia. Die Turiner hatten grosse Pläne mit dem D50, doch das neue Fahrzeug war noch nicht ausgereift, Ascari sah nicht ein einziges Mal das Ziel.

Alberto Ascari, geboren am 13. Juli 1918 in Mailand, war der Sohn des Antonio Ascari, dem wohl besten Rennfahrer der 20er Jahre. Alberto verlor seinen Vater, als er sieben Jahre alt war. Trotzdem war für ihn schon als Bub klar, dass er auch Rennfahrer werden würde. Seine ersten Versuche machte als 18-Jähriger auf Motorrädern, hatte auch bald Erfolg, wechselte dann aber 1940 auf vier Räder. Eines seiner ersten Rennen war die Mille Miglia 1940 (die damals allerdings nicht auf den Strassen zwischen Brescia und Rom stattfand, sondern auf einem 167 Kilometer langen Rundkurs in Norditalien). Enzo Ferrari, der schon in jenen frühen Jahren ein enger Freund von Antonio Ascari war, traute dem jungen Mailänder sein erstes eigenes Auto an, den Auto Avio Construzioni 815 (Bild unten links), 1,5-Liter-Achtzylinder, Karosserie von Touring. Ascari kam nicht ins Ziel.

Nach der kriegsbedingten Zwangspause startete Ascari ab 1947 zuerst auf Cisitalia, wechselte dann kurz zu Maserati, wo er Luigi Villoresi kennenlernte, für 1948 für Alfa Romeo – und ab 1949 dann für Ferrari. 1950, als erstmals eine Formel-1-Weltmeisterschaft stattfand, war Ferrari gegen Alfa Romeo und Nino Farina chancenlos, 1951 gewann Ascari dann seine ersten beiden Grand Prix (Deutschland, Italien) und lieferte sich mit Juan Manuel Fangio einen harten Kampf um den WM-Titel. Der Argentinier gewann, holte den zweiten Titel für Alfa Romeo – dies vor allem deshalb, weil Ferrari im letzten Rennen der Saison die falsche Strategie wählte. Doch 1952 und 1953 war der stark abergläubische «Ciccio», der immer das gleiche Trikot und den gleichen blauen Helm trug, dann unschlagbar.

Dass Alberto Ascari bei den Sportwagen nicht erfolgreicher war, das ist erstaunlich, war er doch einer der ersten Fahrer, der sich gezielt auf die Rennen vorbereitete, sehr schonend mit seinem Material umging, körperlich sehr fit war. Zwar gewann er in der Sportwagen-Weltmeisterschaft zusammen mit Farina auf einem Ferrari 375 MM (#0286AM) 1953 die 1000 Kilometer auf dem Nürburgring, doch sowohl bei den 24 Stunden von Le Mans (schnellste Runde) wie auch bei den 24 Stunden von Spa musste er aufgeben. Dass er nicht an der Carrera Panamericana teilnehmen durfte, ärgerte den Italiener, es war auch ein Grund, weshalb er zu Lancia wechselte.

Denn mit dem Rennen in Mexico hatte er noch eine Rechnung offen, 1951 war Ascari hinter Piero Taruffi Zweiter geworden, dies in einem Ferrari 212 Inter. 1952 war er in einem Ferrari 340 Mexico (#0226AT) als grosser Favorit gestartet, hatte nach 80 Kilometern schon neun Konkurrenten überholt – ein grandioses Schauspiel sei das gewesen, beschreiben Zeitzeugen, er habe überholt, wo kaum ein Auto Platz gehabt habe, sei aussenrum an einem der Benzen vorbeigepfeilt, hab zwei Lancia auf einmal nassgemacht. Bloss: Ascari rutschte schon auf der ersten Etappe (von acht) nach weniger als 100 Kilometern (von fast 3500) in einen Abgrund. Sein Ferrari 340 Mexico war Schrott. Noch ein anderer Ausritt machte ihn berühmt: Beim Grossen Preis von Monte Carlo 1955 flog er in seinem Lancia ins Hafenbecken.

Und dann gab es da noch ein anderes grosses Rennen, mit dem er Frieden schliessen musste: Die Mille Miglia. In Italien gehört man erst zu den ganz grossen Piloten, wenn man dieses Strassenrennen für sich entscheiden konnte – und Ascari war 1940, 1948, 1950 und 1951 immer ausgeschieden. Und eigentlich wollte er auch 1954 nicht antreten, hatte seinen Teamchef Vittorio Jano um Freistellung gebeten. Als sich jedoch Villoresi bei einem Trainingsunfall verletzte, musste Ascari in die Bresche springen. Zur Halbzeit, in Rom, lag er vier Minuten hinter seinem Teamkollegen Taruffi zurück. Doch wie immer in der langen Geschichte der Mille Miglia: Wer in Rom führt, gewinnt nicht. Taruffi kam von der Strasse ab – und Ascari konnte erben, gewann in seinem Lancia D24 mit mehr als einer halben Stunde Vorsprung auf Vittorio Marzotto auf einem Ferrari 500 Mondial.

Am 26. Mai 1955, nur wenige Tage nach seinem spektakulären Ausritt in den Hafen von Monte Carlo, erhielt er daheim in seinem Haus in Mailand einen Anruf von seinen Freunden Villoresi und Castellotti, die in Monza einen Ferrari 750 Sport testeten. Ascari verfolgte die Testfahrten zuerst nur als Zuschauer, doch während seine Kollegen zum Mittagessen gingen, setzte er sich ans Steuer des Ferrari. In der dritten Runde kam er von der Strecke ab, der Ferrari überschlug sich, Ascari wurde aus dem Fahrzeug geschleudert und verstarb kurz darauf im Spital San Gerardo in Monza. Es heisst, dass er einem verirrten Spaziergänger habe ausweichen müssen. Sicher ist nur, dass er seinen berühmten blauen Helm nicht trug.

Alberto Ascari starb wie sein Vater Antonio im Alter von 36 Jahren, beide verloren ihr Leben auf einer Rennstrecke am 26. eine Monates. Wie sein Vater hinterliess er zwei Kinder, Antonio und Patrizia. Mit seiner Quote von 13 Siegen in 33 Formel-1-Rennen gehört er zu erfolgreichsten Piloten überhaupt, nur sein guter Freund Juan Manuel Fangio, mit dem er sich legendäre Duelle geliefert hatte, war mit 24 Siegen in 51 Rennen noch «effizienter». Wie sein Vater wurde er auf dem Cimitero Monumentale in Mailand begraben.

Es ist dies eine «related»-Story rund um Sportwagen-Weltmeisterschaft 1953. Mehr spannende Geschichten finden sich in unserem Archiv.

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