Bekannte Grösse
Er kommt dann, wenn er dann eben kommt, sagt Maserati auf die Frage nach einem neuen GT-Modell. Und bis er dann eben kommt, der neue GT, so lange bleibt noch der bereits 2007 vorgestellte GranTurismo im Programm. Für das Modelljahr 2018 wurde er zusammen mit dem GranCabrio leicht überarbeitet, neue Stossstangen vorne und hinten, ein moderneres Infotainment-System mit einem 8,4-Zoll-Touchscreen, all dies Connectivity-Zeugs. Weil nach 37’000 verkauften Exemplaren die Investitionen längst amortisiert sind, ist das finanziell für Maserati ein feiner Zug, die Marge wird bei jedem verkauften Fahrzeug unterdessen mehr als nur anständig sein – und auch deshalb wird es wohl noch ein bisschen dauern, bis dann ein neuer GT kommen wird.
Eigentlich ist das ganz ok so. Denn der von Pininfarina entworfene GranTurismo ist und bleibt ein schöner Wagen, macht auf der Strasse eine gute Figur zwischen all den SUV und sonstigen Langweilern – und gerade das neue, dunkle Rot, das unser Proband trägt, sieht gut aus. So soll ein Maserati doch sein, zwar sportlich, aber nicht aufdringlich, zwar elegant, aber nicht öd, zwar ein adretter Anblick, aber schon auch einer mit ein paar Ecken und Kanten. Damals, vor zehn Jahren, da erschien er als zu gross, zu adipös auch – unterdessen darf man ihn im Vergleich zu den wenigen Konkurrenten, die dem GranTurismo noch verbleiben, trotz 4,91 Metern Länge als eher zierlich bezeichnen. Und ja, man sitzt übrigens auch hinten ganz anständig. Und ja, er hat einen vernünftigen Kofferraum – es gibt nicht viele Fahrzeuge, die in 4,7 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen sowie über 300 km/h schnell sind, die mit solchen Qualitäten aufwarten können. Hinten könnte man übrigens auch sitzen; wenn man muss.
Und ja, der GranTurismo gehört jetzt auch zum Club. 301 km/h soll er als MC schaffen, dies auch dank aerodynamischer Verbesserungen und 10 Kilo, die er irgendwo auf dem Weg verloren hat. Die Leistung des 4,7-Liter-V8 bleibt bei 460 PS bei 7000/min und einem maximalen Drehmoment von 520 Nm bei 4750/min, und das ist reichlich, denn: nix Turbo, wunderbar frei saugend. Was wiederum zur Folge hat, dass der Maserati weiterhin einen feinen Sound entwickelt, tief, schön, etwas vom Besten, was man für Geld kaufen kann. Und wunderbar schnell auf Zuckungen des Gasfusses reagiert, dies trotz nicht mehr ganz taufrischer 6-Gang-Automatik. Was man dann wohl an der Tankstelle auch merken wird, schon der Verbrauch nach Werk steht bei 14,3 Litern, im richtigen Leben dürfte es wohl nicht viel weniger sein; nach unserer Ausfahrt in die Hügel südlich von Modena stand beim Bordcomputer vorne eine 2. Ach ja, die Maschine wird bei Ferrari in Maranello zusammengebaut, im zu kleinen Werk in Modena findet dann die Hochzeit statt.
Doch es macht halt eben auch Freud‘, den Maserati ein bisschen durch die Kurven zu hauen. Zwar tut er dies mit reichlich Seitenneigung, aber am Volant hat man trotzdem Vertrauen, weil die Lenkung präzis ist, die Bremsen standhaft – und der Kraftfluss halt so, wie man das von einem klassischen Hecktriebler kennt. Weil sich der Vorwärtsdrang ab dem Scheitelpunkt sehr sauber linear entwickelt, kann man da einen schön schweren Fuss fahren, das bleibt alleweil beherrschbar, wenn man nicht übertreibt. Und wenn, dann ist da auch in der Fahrwerksabstimmung «Sport» ein elektronisches Sicherheitsnetz, das schön zurückhaltend, aber doch verlässlich arbeitet. Uns hat es auf jeden Fall viel Spass gemacht – und noch mehr Freude wird man wohl haben, wenn man den GranTurismo über lange Strecken auf der deutschen Autobahn hauen kann, dafür ist so ein GT ja eigentlich gebaut. Wenn man den Maserati aber voll ausdreht, dann wird er schon ziemlich laut, das könnte auf die Dauer etwas nerven.
Kritik? Ja, haben wir auch, das Innenleben könnte etwas liebevoller gestaltet sein, der Touchscreen sieht aus, als wäre er einfach nachträglich noch hingebongt worden (was ja auch der Realität enstpricht), der Material-Mix von (wunderbar verarbeitetem) Leder und Karbon-Teilen und auch etwas Plastik ist nicht überall glücklich gelöst – da haben wir an einen Maserati etwas höhere Erwartungen. Zu Beginn fürchteten wir uns auch ein wenig vor dem Sportsitzen, die sich dann aber auch nach längerer Berg- und Talfahrt als erstaunlich komfortabel erwiesen. Und besten Seitenhalt bieten. Mehr Tadel? Das Sound-System ist ein bisschen grauslig, aber dem kann man über die Liste der Sonderausstattungen Abhilfe verschaffen. Und überhaupt: höret auf die Maschinengeräusche.
Ab 137’500 Franken kostet so ein Maserati GranTurismo. Für den MC sind dann mindestens 162’300 Franken zu investieren, das ist ein happiger Aufpreis dafür, dass man im 300er-Club mittun darf (der Sport schafft nur 299…). Aber Sonderangebote waren die grossen Maserati noch nie, das darf auch so bleiben, die Kundschaft besteht eh nur aus jenen wenigen Kennern, welche die Qualitäten des Italieners zu schätzen vermögen. Und die ein Fahrzeug wollen, das nicht grad an jeder Ecke steht. Und die dann stolz sind auf sich selber, dass sie über einen solch aussergewöhnlichen Geschmack verfügen.
Photos: Fabian Mechtel während #theitalianjobs. Mehr Maserati haben wir im Archiv. Und es kommt dann noch mehr, dann aber altes Blech (siehe Bild oben).
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