Wer bremst, verliert
Toyota hatte da ein Problem. Zwar verkaufte sich der Celica bestens, doch Datsun hatte mit den Z-Modellen (ab 1969) ein Angebot, das der Toyota-Führung ziemlich Bauchweh verursachte. Es musste also unbedingt etwas auf den Markt, das den Datsun ein wenig die Butter vom Brot nehmen konnte. Die erste Idee war nicht besonders einfallsreich: Im April 1978 begann Toyota mit der Produktion des Mark I Supra, genannt Celica XX, der eigentlich nur ein klassischer Celica Liftback war, aber über einen gut 13 Zentimeter verlängerten Radstand verfügte. In Japan kam das Fahrzeug mit einem 2-Liter-Sechszylinder mit 110 PS auf den Markt (Motoren mit mehr als 2 Liter Hubraum waren damals in Japan mit einer heftigen Luxussteuer belegt), für die USA gab es aber einen 2,6-Liter-Sechszylinder, der allerdings auch nicht mehr als 110 PS schaffte. Geschaltet wurde über ein manuelles 5-Gang-Getriebe oder eine 4-Gang-Automatik. Schon 1979 legte Toyota für den japanischen Markt aber nach, spendierte dem 2-Liter-Reihensechser einen Garrett-T03-Turbo, die Leistung stieg auf 145 PS; es war dies der erste Toyota, der vom Werk mit einer Aufladung versehen wurde. Und 1980 wurde der Hubraum des amerikanischen Modells auf 2,8 Liter angehoben, doch die 116 PS rissen immer noch niemanden vom Sitz; der Sprint von 0 auf 60 Meilen (96 km/h) dauerte 10,2 Sekunden. Man sah weiterhin ziemlich alt aus gegen den Datsun Z, der schon 1969 mit einem 2,4-Liter-Reihensechszylinder auf 151 PS gekommen war; 1975 hatte Nissan den 280Z eingeführt, auch 2,8 Liter Hubraum wie der Celica XX, aber stolze 170 PS.
Für das Modelljahr 1982 legte Toyota den Celica neu auf, und davon profitierte auch der Supra (der nur noch in Japan als Celica XX bezeichnet wurde). Noch immer war dieses Fahrzeug klar als Celica-Derivat erkennbar, doch für Europa gab es nun immerhin etwas mehr Leistung: der 2,8-Liter-Motor kam auf 170 PS, als Getriebe wurde einzig ein manueller 5-Gänger angeboten. In Japan und den USA gab es auch noch andere Motor- und Antriebsvarianten. Doch der MA61, wie er intern hiess, war unterdessen ein ganz anständiger Sportwagen, vielleicht etwas kopflastig, doch die vier innenbelüfteten Scheibenbremsen sowie das Sperrdifferential untertstützten eine sportliche Fahrweise. Wobei: wir sind mal so einen MA61 gefahren – und staunten ein wenig, wie drehunwillig der Sechszylinder ist. Das Ding muss richtig kräftig getreten werden, damit es einigermassen in Fahrt kommt. Die Lenkung erinnert mehr an das Steuer-Werkzeug auf einem Öltanker, die Wege sind unglaublich lang, die Reaktionen dabei gering. Aber man hat eh genügend Zeit, auch die Schaltwege des 5-Gang-Getriebes sind beachtlich. Da merkt man halt schon, dass unterdessen 30 Jahre vergangen sind. Aber dafür ist der Celica Supra ein komfortables Gefährt, das über guten Langstrecken-Komfort verfügt.
Ab 1986 musste der Celica dann mit Frontantrieb antreten – und die dritte Generation des Supra durfte erstmals unter eigenem Namen fungieren. Und das selbstverständlich mit Heckantrieb. Motor-Varianten gab es in Hülle und Fülle, am spannendsten war sicher der 3-Liter, der auf 277 PS kam, aber nur in Japan angeboten wurde; es war dies ein Homologationsmodell für die Gruppe A, von dem nur 500 Stück gebaut wurden. Es soll aber gerade in der Schweiz den einen oder anderen Supra geben, die nach den japanischen Spezifikationen aufgerüstet wurden. Standardantrieb des MA70/71 war ein 3-Liter-Sauger mit zwei obenliegenden Nockenwellen, der auf 204 PS kam; dazu gab es noch den Turbo, der 238 PS leistete. Doch gerade der Turbo machte Probleme, er war einfach auf den bestehenden 3-Liter montiert worden, ohne die anderen technischen Komponenten anzupassen, und deshalb kam es etwas gar oft zu defekten Zylinderkopfdichtungen oder gar Motorschäden wegen Überhitzung. Diese Probleme sind heute gelöst, gerade die Turbo-Modelle beginnen langsam wieder zu steigen im Preis. Besonders gesucht sind natürlich die Targa-Modelle. Gebaut wurde der MA70/MA71 zwischen 1986 und 1992 – und Toyota überholte damit endlich den ewigen Konkurrenten Nissan, dessen ZX-Modelle unterdessen nur noch fetter, aber nicht mehr schneller geworden waren. 1989 gab es ein erstes Facelift mit einem wunderbaren Heckspoiler, 1991 gab es neue Felgen. Wir sind eine späte Variante gefahren, und obwohl deutlich schwerer als der MA61 (Leergewicht ab 1530 Kilo), fühlt sich gerade die Turbo-Variante ziemlich sportiv an; gemäss Werksangaben soll er in nur 6,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen (was vielleicht ein wenig optimistisch ist). Da gibt es zwar ein mächtiges Turboloch, mindestens eine Gedenksekunde, doch wenn der Supra dann mal auf Touren ist, dann schiebt er mächtig an. Bei unserem Gefährt war nicht die originale Auspuffanlage installiert, doch darüber wollen wir uns gar nicht beklagen, so ein Reihensechszylinder tönt halt schon gut.
Im Herbst 1993 durfte ein Toyota Supra in einem Vergleichstest des deutschen Fachblattes «auto, motor und sport» gegen einen Porsche 911 Carrera (272 PS), einen Ferrari 348 GTB (320 PS) und eine Viper RT/10 (394 PS) antreten (Bericht in Heft 25/1993). Im Sprint von 0 auf 100 km/h tat er keinen Stich (der Toyota war auch bis zu 280 Kilo schwerer als die Konkurrenz), wobei die 5,2 Sekunden trotzdem beachtlich waren; auch bei der Höchstgeschwindigkeit lief nicht viel, ganz einfach deshalb, weil der Japaner elektronisch auf 250 km/h eingeschränkt wurde (in den USA, wo er «offen» ausgeliefert wurde, kam er auf 285 km/h). Doch dann, bei den wirklich relevanten Zahlen, jenen, auf die es beim sportlichen Auftritt ankommt, da zeigte der Supra der berühmten Konkurrenz, wo der Hammer hängt. Auf der Kreisbahn schaffte er den ersten Rang, in Sachen Elastizität konnte nur die Viper einigermassen mithalten (Porsche und Ferrari sahen so richtig alt aus), und in Sachen Bremsleistung von 100 auf 0 km/h machte er sowieso alle platt. Der Supra stand schon nach 35,7 Metern, neun Meter früher als alle Konkurrenten.
Nun könnte man ja sagen: wer bremst, verliert. Doch mit der vierten Generation des Supra, allgemein bekannt als Supra Mark IV, hatte Toyota seinen ersten Supersportwagen gebaut (und mit Ausnahme des Lexus LF-A leider auch den bisher letzten). Hergestellt wurde der Mk IV zwischen 1993 und 2002, rund 45’000 Exemplare wurden in diesen Jahren weltweit verkauft. Dass der böse Supra kein grösserer Erfolg wurde, lag in erster Linie daran, dass er ab 1996 in Europa offiziell nicht mehr angeboten wurde, in den USA ab 1998 Schluss war. Ein Grund dafür war der nicht gerade reissende Absatz (in Deutschland kostete der intern JZA80 genannte Wagen satte 110’000 D-Mark), der andere die strengeren Abgasvorschriften, die dem Mk IV das Leben nicht leichter machten. Den JZA80 gab es als Coupé und als Targa, wobei nur das Targa-Modell offiziell nach Europa eingeführt wurde. In der Schweiz hingegen war auch immer das Coupé erhältlich (auf Wunsch auch nach 1996…), und die helvetischen Modelle verfügten noch über eine Besonderheit: es gab sie auch ohne den martialischen Heckflügel (und deshalb dann auch ohne den ansonsten automatisch ausfahrenden Frontspoiler). Dies deshalb, weil der Gesetzgeber das Ding nicht erlaubte. Dies führte aber zur aussergewöhnlichen Situation, dass viele ausländische Kunden ihren Supra in der Schweiz kauften, die einen deshalb, weil er halt unauffälliger war ohne das imposante Flügelwerk. Die anderen, die wahren Kenner, die wussten hingegen, dass der Mk IV ohne Spoilerverzierung schlicht und einfach schneller war. Und darauf kommt es bei einem Supersportwagen ja an.
Angeboten wurde der Supra in zwei Motor-Varianten, beides 3-Liter-Reihensechszylnder, einmal ohne, einmal mit zwei kleinen Turbos, aber immer mit zwei obenliegenden Nockenwellen, von Yamaha entwickelten Alu-Zylinderköpfen und vier Ventilen pro Zylinder. Ohne Turbo waren es beschauliche 220 PS (bei 5800/min) und friedliche 294 Nm maximales Drehmoment (bei 4800/min), mit Turbos dann aber anständige 330 PS (bei 5600/min) und fette 441 Nm maximales Drehmoment (bei 4800/min). Geschaltet wurde über eine 4-Gang-Automatik, die zwar ohne Aufpreis geliefert wurde, aber in Europa niemand haben wollte; die bessere Wahl war sicher das manuelle 6-Gang-Getriebe, das von Getrag geliefert wurde. Die Turbos erhielten zudem ein Differential nach Torsen-System für besseren Schlupf sowie eine abschaltbare Traktionskontrolle. Auch das Fahrwerk war sehr aufwendig. Rundum Einzelradaufhängung versteht sich von selbst, vorne mit oberen und unteren Dreieckquerlenkern, hinten gab es oben einen Dreieckquerlenker und einen Doppelquerlenker unten, dazu Stabis und Gasdruckstossdämpfer. Zwar ist der Mk IV mindestens 1,6 Tonnen schwer, doch bei einem Fahrversuch waren wir überrascht, wie leichtfüssig der Toyota zu bewegen ist – und wie satt er auf der Strasse liegt. Im Vergleich zu den Porsche und Ferrari jener Jahre ist er eher auf der komfortablen Seite, doch das tut der Fahrfreude keinen Abbruch, er meldet sich schön an, wenn dann hinten der Grip ausgeht, und ist deshalb erfreulich leicht zu schnell zu bewegen. Der Sound hingegen, der ist etwas dürftig.
Als der Supra Mk IV eingeführt wurde, wurde viel über seine Optik gelästert. So schreib «ams» im schon erwähnten Vergleichstest: «Nur deshalb sei hier auch die Meinung erlaubt, dass der Supra eine stilistische Entgleisung ist. Die aufgesetzte Hutze auf der Motorhaube und – weit schlimmer noch – der gigantische Flügel am Heck setzen aufdringliche Akzente, die Lichtjahre entfernt sind von der schlichten Eleganz eines Porsche oder Ferrari.» Heute sieht man mit anderen Augen, da wirkt der 4,52 Meter lange, 1,81 Meter breite und 1,27 Meter hohe Supra auch mit Spoilerwerk schon fast filigran. Serienmässig war der Toyota mit 235/45 ZR17 vorne, 255/40 ZR17 hinten ausgerüstet, doch es findet sich heute kaum noch ein Exemplar, das nicht mindestens auf 18-Zöllern rollt.
Ja, der Supra Mk IV war damals teuer. Doch dafür war auch die Ausstattung sehr vollständig: (bequeme) Ledersitze, Klimaautomatik, Radio/CD (damals noch nicht allerorten lieferbar), Tempomat, zwei Airbags. Heute wirkt das nicht mehr so edel, vor allem die grossen Mengen an Hartplastik der übelsten Sorte, die für das extrem auf den Fahrer ausgelegte Cockpit verbaut wurden, will man eigentlich nicht mehr sehen. Auch das riesige Lenkrad hat eine alles andere als sportive Anmutung. So richtig berühmt wurde der Supra eigentlich erst posthum, nachdem er in der ersten Folge von «The Fast and the Furious» (2001) eine Hauptrolle spielen durfte. In den USA stieg danach nicht nur die Zahl der Fans rasant an, auch die Preise für gebrauchte Mk IV machten einen Sprung nach oben. In Europa sind diese letzten Supra noch nicht wirklich gesucht, auch gepflegte Gebrauchte sind verhältnismässig günstig zu haben. Wir wagen aber die Prognose, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis die Sammler den Supra Mk IV entdecken; Kenner und Liebhaber wissen jetzt schon, was sie am ersten Supersportwagen von Toyota haben.
Photos: ©Wale Pfäffli. Mehr Toyota haben wir in unserem Archiv. Und ja, wir wissen, dass bald wieder ein Supra auf den Markt kommt. Aber wie singt Dua Lipa doch so schön: IDGAF.
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