Evolution
Zum Ferrari 166 MM haben wir schon geschrieben, doppelt, einmal etwas allgemeiner zum Fahrzeug mit der Chassis-Nummer #0058M, einmal zur Chassisnummer #0024M und ihrem wilden Leben. Beides sind Barchetta von Touring, die wir so charakterisierten: «Ach, die Barchetta. Was Touring da mit seiner Superleggera-Bauweise schuf, ist sicher eines der ganz grossen automobilen Meisterwerke, ganz einfach, reduziert auf das Wesentliche, deshalb wohl so schön und harmonisch». Es sei die Geschichte, die 1949 begann, deshalb nicht noch einmal wiederholt.
1953 war der 166 MM eigentlich schon ein altes Auto, vor allem für einen Rennwagen. Ferrari bot unterdessen den 340 MM und kurz darauf den 375 MM mit richtig mächtigen V12-Motoren. Doch es musste auch etwas geben für die Privatfahrer, da war dann einerseits der 250 MM – und ein aufgefrischter 166 MM, bezeichnet als 166 MM/53. Grossartig waren die Veränderungen nicht, eigentlich ging es nur um den bekannten Colombo-V12 mit seinen 2 Litern Hubraum, der für das 53er-Modell überarbeitet wurde und nun anstatt auf 125 auf stolze 160 PS kam. Dies unter anderem mit drei Weber-Vierfach-Vergasern.
Von dieser zweiten Serie der 166 MM wurden nochmals 13 Stück verkauft (von der ersten Serie waren es 33 Exemplare gewesen). Darunter war eine sehr hübsche Berlinetta von Pininfarina (#0346M) – und interessanterweise zwei Fahrzeuge, die inhouse bei Ferrari gestaltet wurden (#0264M, #0272M), wohl zum ersten Mal überhaupt. Man geht davon aus, dass es Aurelio Lampredi persönlich war, der den Entwurf zeichnete; umgesetzt wurde er dann wohl der ansonsten unbekannten Carrozzeria Autodromo.
0272M wurde von einem Dottore Alberico Cacciari aus Castelfranco gekauft. Er meldete das Fahrzeug 1953 für die Mille Miglia, dem zweiten Lauf zur Sportwagen-Weltmeisterschaft 1953 – Beifahrer war R.H. Bill Mason, der Vater von Nick Mason, Drummer bei Pink Floyd und selber berühmter Ferrari-Sammler. Sie erreichten den 56. Gesamtrang – und den dritten Platz in der Klasse bis 2 Liter Hubraum. Auch 1954 war das Fahrzeug wieder bei der Mille Miglia dabei, diesmal in den Händen von Emmanuel de Graffenried und G. Parravicini. Doch es ging dabei weniger um das Rennen als um den Film «The Racers» von Kirk Douglas, durch den dieser Ferrari (im Film als «Spyder Burano» bezeichnet) Berühmtheit erlangte.
Dazu kamen noch drei Berlinetta und sieben Spyder von Vignale. Wir zeigen hier einen dieser Spyder, #0328M, ein sehr interessantes Fahrzeug, denn sein erster Besitzer war Porfirio Rubirosa, einer der berühmtesten Playboys der 50er und 60er Jahre, zu dessen Gespielinnen unter anderem Zsa Zsa Gabor, Marilyn Monroe, Rita Hayworth und Dolores del Rio zählten. Rubirosa, von Beruf Diplomat für sein Heimatland, die Dominikanische Republik, hatte ab 1950 schon einem 166 MM besessen, Chassisnummer #0050M – und als er 1953 den 166 MM/53 bestellte, verlangte er von Ferrari, seinem neuen Fahrzeug die gleiche Chassisnummer einzuschlagen. Was ihm viel Steuern einsparte (und was Ferrari für gute Kunden immer wieder gerne machte).
Rubirosa meldete seinen neuen Ferrari 1953 für die 24 Stunden von Le Mans, als Beifahrer Pierre Leygonie, doch er reiste dann doch nicht in die Sarthe. Weil er sich gerade von der reichen Doris Duke scheiden liess, um die noch viel reichere Barbara Hutton heiraten zu können. Er fuhr nur ein einziges Rennen mit #0328M/#0050M, die 12 Stunden von Reims, dann ging der 166 MM/53 wieder zurück ins Werk – wo er nochmals eine neue Chassisnummer erhielt, diesmal #0308M. Die ursprüngliche #0308M war ebenfalls ein 166 MM/53, aber mit einer Berlinetta-Karosserie von Vignale, gehörte einem Franzosen namens Antoine Causse, der damit im September 1953 einen schweren Unfall hatte. Warum dann aus #0328M/#0050M auch noch #0308M wurde sowie aus #0308M dann #0050M, das ist nicht ganz klar, soll aber tatsächlich so sein.
Einen 166 MM/53 haben wir noch: #0314M, wieder ein Spyder von Vignale. Und auch dieses Fahrzeug hat eine wilde Geschichte, gehörte zuerst Edoardo Lualdi-Gabardi, kam irgendwann in die Hände des deutschen Abenteurers Helmut Frevel, der ihn unter anderem ein paar Jahre in Südafrika als «daily driver» nutzte, dann 22 Jahre wegstellte.Später ging #0314M durch mehrere deutsche Hände, wurde bei der Mille-Miglia-Neuauflage 2000 gestohlen, sieben Jahre später wieder gefunden. Es fehlten dann ziemlich viele originale Teile, doch bei Ferrari Classiche findet man gegen entsprechendes Entgelt für solche Probleme immer Lösungen – und so erstrahlt #0314M heute quasi wieder wie neu.
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Die „related“ Geschichten finde ich absolut gelungen. Es macht soviel Spaß, diese zu lesen. Hoffentlich geht es so weiter.
VG Ralf
Es erstaunt mich immer wieder wie bei Ferrari mit den „original“ Chassis Nummern umgegangen wird. Da werden immer wieder Fahrzeuge umgestempelt, wenn die Kasse stimmt. Auch aus „ganz wenigen“ Originalteilen ganze Autos neu aufgebaut, obwohl gar keine original Teile mehr vorhanden sind. Nach dem Aufbau eines praktisch „Neuwagens“ bekommt das Fahrzeug auch noch ein Zertifikat für die Originalität. Für mich ist das eigentlich schon ein Betrug am Kunden. An diesem Auto ist ja praktisch fast gar nichts original, sondern alles mit neu gefertigten Teilen aufgebaut. Höchstens die Zeichnungen von einst sind original, wenn überhaupt? Dass diese „Neuwagen“ dann noch etwelche Preise gewinnen finde ich sehr daneben und skandalös. Die so „legalen“ Betrügereien machen mich sprachlos. Da liebe ich doch noch die alten Ferrari mit ihren Gebrauchsspuren. Enzo Ferrari währe mit der heutigen „Restauration“ seiner Autos zu Neuwagen sicher nicht einverstanden. Sicher wird einmal diese Gebaren von Ferrari untersucht werden!