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Fahrbericht GWM Wey 03 / 05

Gute Gründe

Bevor wir zu den GWM Wey 03 und 05 kommen, müssen wir zuerst einmal über Sterne schreiben, genauer: Euro NCAP. NCAP steht für «New Car Assessment Programme» und ist ein Zusammenschluss von europäischen Verkehrsministerien, Automobil-Clubs und Versicherungsverbänden mit Sitz, wo wohl, ja, genau, in Brüssel (die Schweiz ist übrigens nicht vertreten). Gegründet 1996, beschäftigte sich die Organisation ursprünglich ausschliesslich mit Crashtests – und hat sicher viel, viel Gutes getan für die Sicherheit von Automobilen und deren Insassen, auch wenn sie eigentlich nur Informationen für Verbraucher liefern soll, also keine gesetzlichen Vorgaben machen kann.

Das ist ja alles auch gut und richtig. Doch in den letzten Jahren hat sich die Organisation zu einem bürokratischen Monster entwickelt. Auch weil dank Euro NCAP unterdessen so ziemlich alle Automobile die Vorgaben für die verschiedenen Crashtests locker erfüllen, die Höchstnote nicht mehr die Ausnahme ist, sondern die Regel, mussten – sicher auch aus Eigeninteresse – neue Regeln erfunden werden. Und die zielen nun ausschliesslich auf immer neue elektronische Assistenzsysteme – der Schwerpunkt hat sich von der passiven auf die aktive Sicherheit verschoben. Und da kann man nun wirklich geteilter Meinung sein, ob diese wirklich etwas bringen, zumal sich die Anforderungen jährlich ändern, sich die Euro-NCAP-Sterne kaum mehr vergleichen lassen.

So kann man 2023 nur noch fünf Sterne erreichen, wenn ein System installiert ist, das überwacht, dass keine Kinder im Auto zurückgelassen werden. Klar, das braucht es unbedingt, Tausende von Kindern wurden von ihren Eltern schon vergessen, während diese ihren Urlaub auf den Malediven in vollen Zügen genossen; wer die Tendenz hat, seinen Nachwuchs im Auto zu vergessen, sollte besser kein solches bewegen. Auch die Fahrerüberwachung muss nun aktiv sein, die Pilotin muss mündlich darauf aufmerksam gemacht werden, wenn sie ihre Aufmerksamkeit nicht zu 200 Prozent dem Verkehr widmet. Und dem Fahrer muss es in den Ohren klingeln, wenn er die vorgegebene Höchstgeschwindigkeit um einen km/h überschreitet. Nein, das alles ist nicht freiwillig, das ist alles Pflicht – 2023 haben bisher nur chinesische Automobile und der Lexus RZ die volle Punktzahl erhalten. Das ist nicht weiter erstaunlich, die Chinesen haben so ein bisschen mehr Erfahrung mit dem Überwachen – und sie haben mehr als genügend IT-Talent, das auch sofort und obrigkeitshörig umzusetzen.

Das bringt uns nun zum GWM Wey 03, der eines dieser chinesischen Produkte mit fünf Sternen ist. Und wenn das die Zukunft des Autofahrens darstellen soll, dann werden wir von «radical» dann wohl zukünftig darauf verzichten können. Fährt man einen km/h zu schnell, sagt eine Dame: «Sie haben die Höchstgeschwindigkeit überschritten» – oft liegt sie übrigens falsch, weil das mit der Verkehrszeichen-Erkennung halt mehr solala funktioniert. Richtet man die Augen kurz auf den Gegenverkehr: «Bitte widmen Sie Ihre Aufmerksamkeit ganz auf den Verkehr» – der Blick auf die gegenüberliegende Seite des Fussgängerstreifens gehört anscheinend nicht zum sicheren Fahren. Dazu drängt der Spurhalte-Assi nun richtig aggressiv weg von weissen Linien, es ist beängstigend – oder dann richtig lustig, wenn man zu schnell fährt, eine weisse Linie streift und gleichzeitig noch zur Seite schaut, dann kommt die Dame im Sprachmodul in Stress und verhaspelt sich bei all den vielen Warnungen, die sie aussprechen muss.

Ja, man das alles auch ausschalten. Wenn man es denn findet irgendwo in den Untermenus. Man macht das aber bei jedem Neustart. Und nein, während der Fahrt sollte man es nicht versuchen, da dreht die Warnerin durch. Für 2024 kommen dann wieder neue Scherze dazu, vor allem die Fahrerüberwachung wird noch einmal deutlich verschärft; es muss dann alles gefilmt werden. Man darf sich das durchaus mal antun, die Webseite von www.euroncap.com besuchen – wäre es nicht derart absurd, man könnte es für Satire halten. Könnten wir einen Titel für das nervtötendste Automobil des Jahres vergeben, der GWM Wey 03 wäre Favorit. Wobei dem Hersteller nicht viel vorzuwerfen ist, er erfüllt nur die dämlichen Vorgaben.

Wobei wir wohl zuerst einmal erklären sollten, wer GWM überhaupt ist. Great Wall Motors gehört zu den grössten chinesischen Herstellern – und auch noch zu den ältesten, schon in den 80er Jahren wurden im damaligen Kleinstädtchen Baoding (heute: 8 Millionen Einwohner) Automobile gebaut. Bislang bestand Great Wall aus fünf Marken, Ora, Wey, Haval, Tank und Poer, in Europa werden die Aktivitäten per 1.1.2024 zu GVM zusammengefasst, die lustigen Namen wie Ora Funky Cat und Wey Coffee werden dann durch brave Nummern ersetzt. Im vergangenen Jahr verkaufte Great Wall weltweit etwas mehr als eine Million Automobile – in Europa werden es 2023 rund 6500 Stück.

Doch 2024 wollen die Chinesen nun richtig durchstarten, zu den bisherigen fünf europäischen Märkten kommen einige mehr dazu, darunter auch die Schweiz. Und das neu GWM Wey 03 genannte SUV soll diesen Erfolg bringen, es ist wie sein grösserer Bruder, der GWM Wey 05, interessanterweise ein Plug-in-Hybrid. Noch vor kurzem waren wir eigentlich überzeugt, dass diese PHEV mit wenigen Ausnahmen (Toyota Prius) mit den in vielen Ländern auslaufenden Subventionen aussterben werden, doch wir werden gerade intensiv eines Besseren belehrt, gerade die deutschen Premium-Hersteller rüsten intensiv auf. Und machen dabei ihre PHEV mit rein elektrischen Reichweiten von über 100 Kilometern deutlich sinnvoller. Über 100 Kilometer nur mit Strom können die Wey 03 und 05 selbstverständlich auch, sie wollen gar «best in class» sein mit 139 bzw. 144 Kilometern. Unterstützung erhalten die E-Motoren von einem 2-Liter-4-Zylinder-Turbo mit 204 PS, den GWM selber entwickelt hat und der von einem 9-Gang-Doppelkupplungsgetriebe unterstützt wird.

Vom Wey 03 werden zwei Versionen erhältlich sein, einmal ein Fronttriebler mit 367 PS und 500 Nm maximalem Drehmoment, dazu der für die Schweiz interessantere Allradler mit stolzen 442 PS und 685 Nm. Der Strom wird in einem 34 kWh grossen Akku gespeichert, das erklärt dann auch die hohe rein elektrische Reichweite. Die stärkere Variante rennt in 5,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h und beide Versionen kommen auf 230 km/h Höchstgeschwindigkeit. Dies aber nur in Deutschland, in allen anderen Ländern wird die Sicherung der Geschwindigkeitswarnung vorher durchbrennen oder die Dame, die sie aussprechen muss, durchdrehen; keine Ahnung, was dann passiert. Am Schnelllader passiert dagegen viel, der 03 kann mit bis zu 50 kW geladen werden, das ist für einen PHEV ein Spitzenwert.

Es ist mit dem GWM Wey 03 wie mit noch so vielen chinesischen Produkten: Er ist ausgesprochen komfortabel. Man hört auch den Verbrenner kaum, die Ruhe ist entspannend. Und so fährt er sich dann auch (wenn man alle Warner ausgeschaltet hat): entspannt. Für den Trackday würden wir sicher ein anderes Fahrzeug wählen, eines, das sich weniger in die Kurven neigt, eine gefühlvollere Lenkung hat, bei dem die Bremsen besser dosierbar sind. Aber dieses zufriedene Einherrollen, das kann der Wey gut – man fragt sich dann bloss, weshalb man dafür über 400 PS braucht. Aber diese überdimensionierte Leistung hat anscheinend keinen Einfluss auf den Verbrauch: 15 Gramm CO2/km, 0,5 Liter Benzin auf 100 Kilometern. Klar, von den WLTP-Angaben ist bei den PHEV etwa so viel zu halten wie bei der Sicherheit von Euro NCAP.

Innen ist das alles ganz nett, in etwa da, wo sich GWM mit den Wey-Modellen selber sieht: Upper Mainstream. Es gibt gleich drei Bildschirme, die Klimatisierung hat ihren eigenen, dazu ein kleiner Display vor den Augen des Fahrers (Head-up-Display gibt es auch noch) und der übliche grosse Touchscreen über der Mittelkonsole mit seinen etwa 176 Menu-Punkten. Ist, wie es ist, ganz ok, aber weder irgendwie aufregend noch besonders schön. Was auch für die verwendeten Materialien gilt, angenehm weich in der Berührung, aber halt nicht besonders edel oder ein Sonnenschein fürs Aug‘. Die Verarbeitung machte einen guten ersten Eindruck. Und trotzdem: Es ist halt nichts Besonderes. Was das Problem des GWM Wey 03 auch beim Design ist: Der Blick bleibt nun wirklich nicht hängen an diesem SUV. Hat man alles schon gesehen, so oder ähnlich. Der GVM Wey 05 ist da ein klein wenig aussergewöhnlicher, irgendwie eleganter. Aber auch kein Augenschmaus.

Und deshalb halten wir uns kurz bei diesem grösseren SUV aus dem gleichen Stall. Er ist 4,87 Meter lang (also 20 Zentimeter länger), er verfügt über 2,91 Meter Radstand und entsprechend gute Platzverhältnisse, er ist mit 476 PS noch stärker, er will nur mit Strom 158 Kilometer weit kommen. Doch sonst ist alles ähnlich, auch das Innenleben. Und das Fahrvergnügen. Bei 05 weiss man aber im Gegensatz zum 03 auch schon einen Preis: Es geht bei 59’900 Euro los (in Deutschland), wobei der Hersteller davon ausgeht, dass die meisten Fahrzeug geleast werden werden. Uns fehlt so ein bisschen die Phantasie, weshalb das jemand machen möchte, was die guten Gründe sein könnten, sich für diese Fahrzeuge zu entscheiden. Wie mehrfach schon erwähnt, sie sind ganz ok, in Sachen PHEV-Reichweite und «Sicherheit» ganz vorne, aber die Emotionen befinden sich im Winterschlaf. Und absolut vernünftige Automobile, die den Transport von A nach B und sogar zurück auch schaffen, gibt es schon viel zu viele – die meisten davon sind deutlich günstiger als so ein GWM Wey 03 oder 05.

Spannendere Automobile gibt es in unserem Archiv.

8 Kommentare

  1. Jürg Locher Jürg Locher

    Falls ich jemals auf die Idee komme mir wieder ein Auto zu kaufen, ist es ein Volvo 245 Ende ’70 Anfang ’80. Bis dahin ÖV und Velo, wobei mein rein theoretisches Interesse an Autos nicht fehlt.

  2. J.G. J.G.

    Das beste ist immer, wenn Euro NCAP ein Auto erneut testet, das vor ein paar Jahren noch mit fünf Sternen bewertet und angepriesen wurde – und plötzlich sind es nur noch 1,5 Sterne und die absolute Todesfalle. Wurden die Menschen derart fragiler binnen zehn, fünfzehn Jahren?

  3. Christian Christian

    Auf die Idee, dass das ganze Gebimmele, Gepiepse, Gelabere und Geleuchte vom eigentlichen aufmerksamen, vorausschauenenden Autofahren ablenkt und damit die Unfallhäufigkeit wohl ansteigen lässt, sind die Sesselpupser in Brüssel noch nicht gekommen? In Brüssel muss es sehr viele Wasseradern und Erdmagnetische Strömungen geben, die massiv auf das Hirn einwirken….

    JA, her mit den alten Autos, wo Autofahren noch Autofahren war und nicht Bevormundung und Überwachung. Denn darum geht es eigentlich, den „Pöbel“ überwachen, damit man nicht wie 1989 überrascht wird…. Gute Nacht!

  4. Chris Chris

    kein Wunder dass die Seite hier so schlecht besucht ist, hehehehe

    • Peter Ruch Peter Ruch

      sonst noch ein Problem?

  5. Willimann Albert Willimann Albert

    Bin interessiert an einem GEM Wey 05
    Wo kann ich das Auto kaufen ?
    Wann kommt die Vertretung in die Schweiz?

  6. Thomas Gerhold Thomas Gerhold

    Warum fahre ich heute einen WEY 05 Probe? Weil ich bei meinem Arbeitgeber kostenlos Strom ziehen kann, weil ich Platz für die Enkel samt Zubehör brauche, weil ich keine 80000 sondern nur 55000 Euronen (Angebot Luxury) locker machen muß, weil er groß und hoch ist und ich mich nicht rein und rausquälen muss (die Camaro Zeiten sind vorbei), weil er schnell und modern ist und …. weil er mir gefällt.

  7. Helmut Geißenhöner Helmut Geißenhöner

    und weil er u. a. eine gut funktionierende Abblendautomatik, eine Überholwarnanzeige
    und ein großes Leistungspotential für einen sicheren Überholvorgang bietet.

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