Einzelkämpfer
Sollte Netflix je eine Doku erstellen wollen über den wirklich tragischen Herrenfahrer, dann müsste vielleicht Giovanni Bracco der Titelheld sein. Geboren 1908, galt er schon vor dem dem 2. Weltkrieg als einer der besten Fahrer überhaupt, am Berg war er quasi unschlagbar. Doch Bracco rauchte drei Pakete Chesterfield am Tag, vernichtete im gleichen Zeitraum auch mindestens eine Flasche Whisky, seine Liebhaberinnen waren Legion. Bei einem Rennen in Modena 1947 verlor er die Kontrolle über seinen Delage, raste in die Zuschauermenge, fünf Personen kamen ums Leben.
Bracco trank danach noch mehr, trat drei Jahre nicht mehr bei Rennen an, erst 1950 versuchte er sich wieder bei der Mille Miglia, wurde Vierter. 1951 schaffte er es auf einer komplett unterlegenen Lancia Aurelia auf den zweiten Platz bei diesem italienischen Strassenrennen – und 1952 gewann er den italienischen Klassiker auf dem einzigartigen Ferrari 250 S. In dem er extra einen Flaschenhalter für seine Whisky-Flasche eingebaut hatte; vier Pakete Chesterfield soll Bracco geraucht haben zwischen Brescia, Rom und zurück nach Brescia. Und das bei einer Fahrzeit von 12 Stunden und neun Minuten. Aber noch eine Anekdote muss berichtet sein über Bracco und seinen Ferrari 250 S: Bei der Carrera Panamericana 1952 lag er souverän in Führung, als er über den deutschen Journalisten Günther Molter an das Mercedes-Team ausrichten liess, dass man ihn nicht mehr anzugreifen brauche, weil er eh bald mit technischen Problemen ausfallen werde. Kurz darauf musste Bracco tatsächlich aufgeben – wie viel Tequila er da schon intus hatte, ist nicht bekannt.
Also, nochmals: 1952 hatte Ferrari den 250 S angeschoben. Damals erhielt der Colombo-V12 erstmals 3 Liter Hubraum (Bohrung x Hub 73 x 58,8 mm) – die Maschine wurde nicht von Colombo selber überarbeitet, der hatte Ferrari schon 1950 verlassen, sondern von Aurelio Lampredi. Für anständigen Durchfluss sorgten drei Weber Doppelvergaser Typ 36DCF, man darf von etwa 230 PS ausgehen. Diese Maschine wurde nun in einen ehemaligen 225 S (#0156ET) eingebaut, der eine Vignale-Karosserie erhielt. Und ansonsten ziemlich konventionell war, Doppelquerlenker und Querblattfedern vorne, Starrachse mit Längsblattfedern hinten. Gleich beim ersten Start gewann Bracco die Mille Miglia (obwohl eigentlich Villoresi als Pilot vorgesehen gewesen war), Ascari schaffte dann auch noch die schnellste Rennrunde in Le Mans, doch nach drei Stunden war der 250S dann nicht mehr dabei.
Für 1953 überarbeitete Lampredi den Colombo-Motor noch einmal, spendierte ihm einen Vierfachvergaser, die Leistung lag nun bei 240 PS. Doch ansonsten wurde das Layout des 250S komplett übernommen – das neue Fahrzeug wurde dann als Ferrari 250 MM bezeichnet. Mehr Ferrari haben wir in unserem Archiv.
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