Danach
Ja, auch wir schreiben hier ganz oft vom Colombo-V12. Und ja, es ist auch viel Ehrfurcht geboten vor der Konstruktion von Gioacchino Colombo, geboren 1903, der den ersten Zwölfzylinder für Ferrari konstruiert hatte, zuerst mit 1,5 Liter Hubraum. Diese Maschine lief erstmals am 11. Mai 1947, kam dann in diversen frühen (Strassen)-Ferrari mit immer mehr Hubraum zum Einsatz, 159, 166. Für Rennwagen taugte der kleinvolumige V12 allerdings damals wenig. Colombo (unten links, rechts: Lampredi) suchte sein Heil in Kompressoren, was dem «Commendatore» allerdings gar nicht passte – «supercharged» war ihm zu sehr englisch.
Also heuerte Enzo Ferrari Aurelio Lampredi an, der ihm dann – mit etwas Verzögerung – für die Formel 1 auch das lieferte, was er wollte. Colombo war aber derart sauer, dass er sich 1950 zu Alfa Romeo absetzte – um für die Mailänder mit Farina und Fangio und vor allem «supercharged» gleich die ersten zwei F1-Weltmeisterschaften zu sichern. Ferrari kam mit Lampredi erst 1952 zu den ersten Ehren (da war Colombo dann schon bei Maserati…) – und es sollte dann noch ein paar Jahre dauern, bis Lampredi den Colombo-Motor so weiterentwickelt hatte, dass dieser mit 3 und 3,3 Liter Hubraum zur ewigen Legende werden konnte. Um es kurz zu machen: Die wirklich legendären Colombo-Motoren waren eigentlich Lampredi-Maschinen.
Eigentlich wollte Aurelio Lampredi, geboren am 16. Juni 1917, ja Musiker werden. Klavier, so stellte er sich das vor. Doch sein Vater überzeugte ihn davon, dass dies brotlose Kunst sei – und schickte ihn an die technische Hochschule im schweizerischen Fribourg. Nach Abschluss des Studiums in der Schweiz arbeitete Lampredi zuerst für Piaggio, dann für Isotta-Fraschini, schliesslich für Reggiane, wo er seiner zweiten Liebe – Flugzeuge! – frönen konnte. 1946 kam Lampredi ein erstes Mal nach Maranello, konstruierte einen ersten grossvolumigen Motor für den Ferrari 275S. Dann ging er wieder zu Isotta-Fraschini, um dann 1948 wieder nach Maranello zurückzukehren. Damit das klar ist: Chefkonstrukteur war da Colombo, der deutlich jüngere Lampredi sollte sich im Hintergrund zuerst einmal um nicht-aufgeladene Motoren kümmern. Es heisst, dass sich Colombo und Lampredi privat bestens verstanden haben.
Wie auch immer: Die neuen Motoren von Lampredi brachten den Erfolg. Zuerst war es eine neue Maschine für die Formel 1, eine obenliegende Nockenwelle pro Zylinderbank, der sich vom 3,3 zum 4,1 und schliesslich zum 4,5-Liter wandelte, der als 375 F1 1951 den ersten Sieg für Ferrari in der Formel 1 einfuhr. Doch gleichzeitig arbeitete Lampredi auf Anregung von Alfredo Ferrari, dem Sohn von Enzo, auch an Vier- und Sechszylindern – es muss eine gewisse Hektik geherrscht haben in Maranello, damals, heute mag man sich kaum mehr vorstellen, wie eine derart kleine Firma, wie es Ferrari damals noch war, all diesen Aufwand stemmen konnte.
Um es einigermassen kurz zu machen: Mit dem Lampredi-Vierzylinder gewann Ferrari 1952 und 1953 die Formel-1-Weltmeisterschaft. Und mit den grossen Lampredi-V12 holte sich Ferrari die beiden ersten Sportwagen-Weltmeisterschaften, 1953 und 1954. Und so ganz nebenbei entwickelte Lampredi noch den Colombo-V12 so weiter, dass dieser bis 1988 (im 412i) im Einsatz bleiben konnte. Lampredi selber kehrte Ferrari 1955 entnervt den Rücken, als ihm Vittorio Jano als neuer Chefkonstrukteur vor die Nase gesetzt wurde. Doch was er zwischen 1948 und 1955 in Maranello alles auf die Reihe brachte, das ist unfassbar: Ferrari 195, Ferrari 212, Ferrari 275 S, Ferrari 340 America, Ferrari 340 Mexico, Ferrari 225 S, Ferrari 250 S, Ferrari 342 America, usw. (to be continued, ja, wir füllen das noch auf…).
Auch wenn es (für Ferrari) bitter tönt, aber es folgten danach seine besten Jahre. Bei Fiat war Aurelio Lampredi mehr als zwei Jahrzehnte lang, bis 1977, Chefkonstrukteur – und entwickelte in jenen Jahren ein paar der erfolgreichsten Motoren der Automobil-Geschichte überhaupt. Nicht seine Arbeit für Ferrari wird am höchsten geschätzt, den Titel «Lampredi-Motor» trägt der ursprünglich für den Fiat 124 Sport konstruierte Doppel-Nockenwellen-Vierzylinder. Dieser bereitete den sportlich ambitionierten Fiat- und Lancia-Fahrern fast drei Jahrzehnte lang Vergnügen, mischte in der internationalen Rallye-Szene ganz vorne mit und erlebte, mit zwei Ausgleichswellen versehen, seinen zweiten oder auch dritten Frühling als «Komfort-Motor» im Lancia Thema und Fiat Croma. Lampredi ruht sich jedoch nicht auf diesen Lorbeeren aus, sondern setzte mit dem Dino-V6 ein weiteres Highlight in der Motorengeschichte. Seine genialen Fähigkeiten bei der Konstruktion von Rennmotoren brachten dem Fiat-Konzern im 131 Abarth, im Lancia Montecarlo Turbo, im Lancia 037 und im schliesslich im Delta S4 zehn Weltmeistertitel ein.
Und dabei empfand Aurelio Lampredi ja Rennlärm als unangenehm. Er hörte lieber klassische Musik. Lampredi verstarb am 1. Juni 1989 in Livorno – und gehört zusammen mit Vittorio Jano und Giotto Bizzarrini (ebenfalls aus Livorno) zu den wichtigsten Konstrukteuren des 20. Jahrhunderts. Und ja, wir schreiben in Zukunft vom Colombo/Lampredi-V12, versprochen.
Es ist dies eine related-Story zu den Sportwagen-Weltmeisterschaften 1953, 1954 und weitere Jahren. Mehr schöne Geschichten haben wir in unserem Archiv.
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