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Fahrbericht Dodge Coronet 440 (1969)

Unguided missile

Diese Lenkung. Sie ist so leichtgängig wie ein nasses Stück Seife. Ungefähre Richtungsangabe, heisst das im Militär. Klar, man gewöhnt sich daran, wie man sich im Militärdienst auch an das miserable Essen gewöhnt hat, irgendwann und ungern. Aber es ist schon erstaunlich, dass Fahrzeuge wie dieser Dodge Coronet die letzten 55 Jahre im Verkehr überlebt haben, denn wirklich richtungsweisend ist diese Lenkung nun wahrlich nicht. Geradeaus geht, da muss man sich einfach am riesigen Lenkrad ganz fest festhalten, parkieren geht auch, da kurbelt man mal so lange, gefühlt etwa 5 Mal rundum, bis es dann irgendwie passt. Aber irgendwie sauber auf der Landstrasse an die Linie oder gar am Berg fein am Scheitel durch die Serpentine – viel Vergnügen. Da hätten sich die beiden Ellenbogen schon grob verknotet, wäre man nicht längst auf die Idee gekommen, dass gemächlicher besser ist, viel besser.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Dieser 69er Dodge hat kein technisches Problem. Das war damals so, bei allen Amerikanern. Zwar befinden wir uns gerade auf dem Höhepunkt der «Muscle Cars»-Ära, vorne im Motorraum bollerten bei allen US-Herstellern die wildesten V8 aller Zeiten, doch beim PS-Wettrüsten gingen die Fahrwerke gerne vergessen. Auf dem Drag-Strip musste es flott vorwärts gehen – und da ging es halt nur eine Viertelmeile geradeaus. Selbstverständlich gab es damals auch US-Cars, die konnten das (etwas) besser, die Corvette sowieso, auch die Mustang, Camaro, Challenger, Charger. Der Coronet war bei Dodge aber die brave Mittelklasse (so nebenbei: 5,25 Meter…), das Basis-Modell hatte einen eher müden Sechszylinder und war auf gemütliches Cruisin’ ausgelegt. Und dazu passte die sehr leichtgängige Lenkung.

Den Coronet gab es bei Dodge schon seit 1948, bis 1978 kamen sieben Generationen zusammen. Das Fahrzeug, das wir hier vorstellen, wird zur fünften Generation gezählt. Da muss man nun allerdings auch wieder unterscheiden, die ersten Coronet der fünften Generation (ab Modelljahr 1965, siehe auch hier) sahen ganz anders aus die späteren Modelle (ab Modelljahr 1968), rein optisch gehörten sie nun wirklich nicht in die gleiche Familie; es gab sie als 2- und 4-Türer, als Cabriolet, sogar ein Kombi war erhältlich. Doch spannend waren vor allem die Motorisierungen, gegen oben setzte da der 426er-Street-Hemi mit deutlich über 400 PS das Ausrufezeichen (wir könnten das jetzt noch erklären mit R/T und «Super Bee» und so, doch das würde zu weit führen – und sowieso, gibt es schon, hier). Da gab es auch ein «heavy duty»-Fahrwerk und angepasste Bremsen, doch das kostete dann auch richtig Geld, deshalb stand für die leistungshungrigen Käufer auch noch der klassische 440er im Angebot, also 7,2 Liter Hubraum, drei Holley-Doppelvergaser und etwa 380 PS. Mit genau einem solchen Coronet haben wir es hier zu tun, allerdings nach einer späteren Anpassung als «four barrel».

Und es ist halt schon eine Pracht, immer wieder eine Freude. Beim Drehen des Zündschlüssels schüttelt sich das ganze Automobil einmal durch wie ein nasser Hund, man hat das Gefühl, dass jetzt schon einmal etwa drei Liter Benzin durch die Vergaser gesogen wurden. Schnell fällt der Achtzylinder in einen ruhigen Leerlauf, mit doch guter Geräuschentwicklung, da ist halt auch reichlich Volumen. Man sollte ihm etwas Zeit geben, dem Coronet, auch das Öl der klassischen 3-Gang-Automatik sollte warm sein, sonst ist da alles etwas ruppig. Aber nach ein paar Kilometern ist das gut, am liebsten verweilt der Automat sowieso im höchsten Gang, man bringt ihn nur mit einem sehr schweren Fuss dazu, seine einmal getroffene Wahl zu ändern. Und das ist jetzt irgendwie eine geistige Herausforderung: Er kann ja schon, der Coronet, Kraft hat er ohne Ende – doch dann kommt man schnell in Geschwindigkeitsbereiche, welche die Rennleitung als nicht mehr belustigend empfindet. Und dann ist da eben noch diese Lenkung.

Das Exemplar, das wir hier vorstellen und das am 12. Oktober 2024 bei der Oldtimer Galerie Toffen versteigert wird, befindet sich einem wirklich feinen Zustand (was den relativ hohen Schätzpreis von 60’000 bis 65’000 Franken erklärt), aussen wie innen. Innen ist vorne unfassbar viel Platz auf einer durchgehenden Sitzbank (und folglich null Seitenhalt), die Bedienung bleibt auf die elementaren Bedürfnisse beschränkt (was eine Wohltat ist), der Coolness-Faktor ist extrem hoch. Die Benzin-Rechnung sicher auch.

Mehr spannende Klassiker haben wir in unserem Archiv. Einige seltene US-Cars haben wir gesammelt unter «Numbers».

1 kommentar

  1. Matthias Matthias

    Tolles Auto, die Form besticht in der Seitenansicht durch die wunderschön gestreckte Linie. Jetzt weiss ich endlich auch, woher die Designer des Opel Rekord B Coupé (Spitzname: „Der rasende Kofferraum“) ihre Inspiration bezogen…

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