Ehrerbietung
Heute vor genau 30 Jahren verstarb Enzo Ferrari. Nein, es ist kein Zufall, dass genau zu seinem 30. Todestag ein Ferrari-Buch auf den Markt kommt. Ok, noch ein Ferrari-Buch – gähn, mag man da denken. Doch dann sieht man den Preis (5000 Euro für die Collector’s Edition – und gar 25’000 Euro für die auf 250 Stück limitierte Art Edition), man sieht den Herausgeber (Taschen, so etwas wie eine Garantie für grossartige Projekte) – und spätestens dann dürfte man genauer hinschauen wollen. «radical» hat das übernommen, auch deshalb, weil das Werk, 32 x 43 Zentimeter gross und 480 Seiten dick, kaum in jeder Buchhandlung aufliegen wird. (Nein, wir haben das Ding auch nicht – aber ein .pdf davon.)
Es ist ja nun wirklich nicht einfach, noch ein g’scheites Ferrari-Buch zu machen, es gibt so viele – und manche sind wirklich gut, sehr informativ, mit jenen Details, nach denen der Kenner sucht. Pino Allievi, der Autor des Taschen-Buchs, hatte Enzo Ferrari noch persönlich gekannt, verfasste gemeinsam mit «il Commendatore» dessen letztes Werk «Ferrari Racconta». Wir haben beim Querlesen nun allerdings nicht viel gefunden, was nicht schon bekannt war; auch die Auszüge aus den Tagebüchern von Enzo Ferrari sind nicht wirklich neu. Trotzdem: es liest sich gut – und das ist ja schon einmal ein erfreulicher Unterschied zu so vielen Auto-Büchern, die einfach trockene Aufzählungen von Fakten sind. Es entsteht ein Bild von «il drago», das vielleicht etwas gar positiv ist, aber das darf man durchaus gelten lassen, gehörte der charismatische Italiener doch zu den ganz grossen Figuren der Automobil-Geschichte. Wir würden uns aber bei gewissen Themata schon gern noch etwas mehr Licht ins Dunkel wünschen, das Verhältnis zu Lamborghini, wie war das damals mit Ford, mit Pininfarina, bei der Palast-Revolution.
Oh ja, es gibt grossartige Bilder. Auch solche, die man noch nicht auf jedem Amateur-Blog schon gesehen hat. Und doch fragen wir uns beim Layout: weshalb gibt es doppelseitige Bilder, die über den Falz laufen? Moderne Gestaltung sieht da anders aus, heute gibt es technische Möglichkeiten, die Fahrzeuge wirklich in ihrer ganzen Pracht aufzeigen können – und solches darf man von einem Buch, das 5000 Euro kostet, schon erwarten. Aber viel Geld ging halt in die äussere Aufmachung, gestaltet von Marc Newson, bei der Collector’s Edition ist es eine Alu-Box, die einen Zwölfzylinder nachempfunden ist, bei der Art Edition, signiert unter anderem vom kürzlich verstorbenen Sergio Marchionne, ist es gar eine Art Altar. Es ist ja heute so, dass solche Bücher auch eine Form von Investition sind, sie werden nicht gelesen, sondern ungeöffnet schön präsentiert – damit man sie dann in ein paar Jahren für reichlich Aufgeld wieder verschachern kann. Es wäre deshalb nett vom Verlag, wenn der Inhalt des Werks, der auch alle Rennsiege von Ferrari auflistet, für die wahren Fans zugänglich gemacht würde.
Selbstverständlich ist das Ding, das in einer Auflage von 1947 Stück kommt (warum wohl?), viel zu teuer. Doch darum geht es ja gar nicht, es werden sich genügend Ferrari-Besitzer finden, die ihr Fahrzeug mit diesem Buch noch aufzuwerten versuchen, es gibt mehr als genug «Investoren», die schon den schnellen Euro riechen. Lobenswert ist die Publikation trotzdem, Taschen zeigt wieder einmal seine Liebe zum Buch als solches, seine Fähigkeit, auch ganz grosse Projekte auf höchstem Niveau durchzuziehen – und dafür gebührt dem Verlag grosser Respekt.
Mehr Ferrari finden sich alleweil in unserem Archiv. Das Verlagsprogramm von Taschen finden Sie: hier.
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