Überzeugend
Es ist jetzt nicht das erste PSA-Produkt, bei dem man sich schon fragen darf, warum man den Startknopf drücken muss wie ein junger Stier, bis es endlich die Systeme anwirft. Und warum es auch dann noch mehr als eine Gedenksekunde braucht, bis es dann endlich möglich wird, dass man auch noch einen Gang einwerfen darf. Vielleicht sind wir zu ungeduldig, aber meist schafften wir dies, also Starten und Gangwahl, erst je im zweiten Anlauf. Ist das schon die Vorbereitung auf den amerikanischen Markt, den Peugeot ja in absehbarer Zukunft überrollen will, eine Annäherung an die US-Standards, die unter anderem verlangen, dass es an der Mikrowelle eine Aufschrift braucht, dass man keine lebenden Tiere in ihr trocknen soll? Oder das Kaffee durchaus auch heiss sein könnte?
Dabei: Man möchte den neuen Peugeot 208 doch einfach nur fahren. Zwar sieht er auch im Stand gut aus, ist ein wirklich schmucker Kleinwagen, den man gerne betrachtet, der auch auf den zweiten und vierten Blick optisch überzeugen kann. Gut, die Front ist mit dem ganzen Lichtschmuck, dem Säbelzahntigertageslicht für ein Fahrzeug mit doch kompakten Aussenmassen vielleicht etwas überladen, doch sonst: gut. Hübsch, sympathisch – am Design wird der kleine Löwe (wie schon seine Vorgänger) nicht scheitern. Weil der kleine Löwe nicht unwesentlich gewachsen ist, mit 4,06 Metern misst er fast 10 Zentimeter mehr in der Länge, wirkt er jetzt irgendwie erwachsener – und passt gut in die Familie seiner ebenfalls gut aussehenden Brüder. Erfreulich ist, dass der 208 trotz mehr Gesamtvolumen um fast 100 Kilo leichter geworden ist, die Basis-Version kommt auf noch knapp über 1000 Kilo. Geht doch.
Unser Testwagen, vorangetrieben von einem 130 PS starken 1,2-Liter-Dreizylinder und einem automatischen 8-Gang-Getriebe sowie als «GT Line» sehr vollständig ausgestattet, war dann nicht mehr ganz so federleicht, aber die im Fahrzeug-Ausweis vermerkten 1300 Kilo sind immer noch ein guter Wert. Entsprechend leichtfüssig ist der Franzose unterwegs, die 230 Nm maximales Drehmoment, die schon bei 1750/min zur Verfügung stehen, sorgen für ausgezeichneten Durchzug, der Automat scheint jederzeit die richtige Stufe bereit zu halten, das ist wirklich erfreulich, überzeugend. Die 8,7 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h sowie die 208 km/h Höchstgeschwindigkeit sprechen da auch eine deutliche Sprache. Nein, eine GTI-Version wird es vom 208 nicht mehr geben (obwohl ein entsprechender Antrieb schon fertig entwickelt ist) – die leistungsstärkste Variante wird der e-208 mit seinen 136 PS werden.
Doch man vermisst eine stärkere Variante nicht wirklich, der Dreizylinder sorgt gerade im Sport-Modus für reichlich Fahrspass. Zwar ist er nicht gerade das, was man als drehfreudig bezeichen möchte (bei 5500/min beginnt der rote Bereich). Dafür bleibt er – sobald er warmgelaufen ist – im Normal-Modus erstaunlich ruhig, bei Schweizer Autobahn-Tempi dreht er im Eco-Modus im höchsten Gang friedlich bei knapp über 2000/min. Die gelungene Abstufung des Getriebes hilft sicher auch beim Verbrauch: Mit einem Schnitt von 5,5 Litern auf 100 Kilometern blieben wir doch deutlich unter den vom Werk angegebenen 6,1 Litern nach WLTP. Nein, das ist kein Verschreiber, es war dies tatsächlich der Durchschnitt auf den gut 3000 Kilometern, die wir den Peugeot nicht nur schonend bewegt haben. Die Franzosen beweisen wieder einmal, dass sie tatsächlich verbrauchseffiziente Fahrzeuge bauen können – auch wenn die 5,5 Liter noch deutlich von den ab diesem Jahr geforderten 95 Gramm/km CO2-Emissionen entfernt sind. Denn das sind umgerechnet nur gerade 4 Literchen…
Zum guten Gesamteindruck trägt auch das Fahrwerk viel bei. Die Lenkung ist nicht nur präzis, sondern bietet auch eine angenehme Rückmeldung von der Strasse – eine Qualität, die heute kaum mehr vorhanden ist. Die Bremsen haben mit dem kompakten Franzosen eh keine Mühe, sind auch gut dosierbar. Die Fahrwerk-Abstimmung selber ist ein schöner Kompromiss zwischen gutem Komfort und mehr als einem Schuss Sportlichkeit – die Agilität und auch Kurvengier des Löwen hat uns auf jeden Fall erfreut. Wichtig ist aber bei etwas flotterer Fahrweise auf kurvigen Landstrassen: Der Spurhalte-Assi muss ausgeschaltet werden. Denn das Ding ist etwas gar streng, drängt zu sehr in die Mitte der Spur – und wird somit schnell einmal zur Spassbremse. Eine Aufzählung der weiteren Assistenz-Systeme wollen wir unserer Leserschaft hier ersparen, es ist ganz einfach: Wahrscheinlich ist eh alles da, was es braucht. Und sicher auch noch Zeugs, das niemand will.
Nicht ganz so überzeugend ist das Platzangebot ganz hinten: Trotz Längenzuwachs wurde der Kofferraum 20 Liter kleiner als beim Vorgänger, fasst noch 265 Liter (bei abgeklappten Rücksitzen maximal 1106 Liter). Auch die hinteren Passagiere fahren nicht gerade erste Klasse, doch das hat der 208 mit anderen Kompakten gemein. Vorne fühlt man sich dafür bestens – sofern man das i-Cockpit mag. Für unseren Geschmack passt das kleine Lenkrad mit den darüber liegenden Anzeigen (jetzt in 3D-Darstellung, deren Vorzüge sich uns bislang nicht so ganz erschliessen wollen) bestens zum wendigen Franzosen; die Klaviatur-Tasten für die Bedienung von Lüftung etc. verstärken zudem den Eindruck der sauberen Verarbeitung und dem guten Händchen bei der Materialwahl. Viel mehr Premium geht in diesem Segment eigentlich nicht – wobei das selbstverständlich abhängig ist von der Wahl der Ausstattungslinie. Etwas erstaunt hat uns die gefühlte Härte der Sitze, das ist nicht mehr typisch französisch, sondern wohl auf die engere Zusammenarbeit mit dem Stuhl-Spezialisten von Opel zurückzuführen.
Die Preisskala beginnt beim neuen Peugeot 208 bei 18’300 Franken und 75 Benziner-PS; den günstigen Diesel (mit 100 PS) gibt es ab 21’700 Franken (aber immerhin gibt es noch einen Selbstzünder). Die 130 flotten Pferdchen samt der feinen GT-Line-Ausstattung wie in unserem Testwagen kosten dann aber schon mindestens 29’300 Franken – ein nicht wirklich zurückhaltender Preis, da fehlen zum günstigsten E-Angebot dann nur noch 5000 Franken. Aber im Segment der Kleinwagen wird der Peugeot 208 sicher wieder eine grosse Rolle spielen – zu Recht.
Mehr Peugeot haben wir alleweil in unserem Archiv.
Schöner ausführlicher Bericht mit vielen neuen, interessanten Infos! Aber ich glaube nicht, dass es Fahrwerksunterschiede beim Peugeot GT gibt. Generell werden die e-208er (auch Active) eine andere Abstimmung haben und verstärkte Hinterachsfederung. GT und GT-Line sollten sich dann doch eigentlich nur noch durch die größeren Felgen (17″) unterscheiden, die sie natürlich auch noch etwas härter machen. In den Unterlagen des Peugeot 208 – diese können von https://trovas.ch/?title=peugeot+208 heruntergeladen werden, steht darüber allerdings nichts.