Der Krisengewinnler
Seit sieben Jahren schon ist der Renault Zoe auf dem Markt. Damals, die e-Mobilität steckte noch tief in Baby-Söckchen, war da noch nicht so viel Gold, das glänzte, das Batteriechen mit 22 kWh Kapazität zeigte noch gnadenlos auf, an was es den e-Mobilen fehlte: Reichweite. Die nach NEFZ angepeilten 210 Kilometer waren nur kaum mehr als die Hälfte des Versprechens wert. Doch es hat sich viel geändert über die Jahre, die Franzosen haben viel, viel gelernt – und waren beim Zoe erfreulich flott, diesen Lernprozess immer wieder auch in die Serie umzusetzen. Es ist aber nicht nur die Batterie gewachsen auf unterdessen maximal 52 kWh (41 gibt es auch noch), es stieg auch die Leistung (von 80 auf 100 kW, also 136 PS) – und vor allem die Reichweite. Nach den strengeren WLTP-Vorgaben sollen es jetzt 395 Kilometer sein, und ja, bei sehr vernünftiger Fahrweise schafft man die tatsächlich; einmal kamen wir auf 350 Kilometer. Und hatten noch 12 Prozent übrig, als wir den Franzosen wieder an den Strom hängten. Laden kann er übrigens mit bis zu 50 kW (der Gleichstrom-Schnelllader kostet aber einen Tausender Aufpreis), ansonsten nimmt er das, was er halt kriegt, an der Steckdose vor dem Haus dauert es dann halt: länger.
Eine sehr erfreuliche Entwicklung hat auch der Innenraum genommen. Hatten die ersten Versionen noch den Charme eines leeren Yoghurt-Bechers und die verwendeten Materialien eine ähnliche Konsistenz, so hat unterdessen eine angenehm schicke Funktionalität das Zepter übernommen. Im Zentrum steht selbstverständlich ein Touchscreen, hier 9,3 Zoll gross, über den fast alle Funktionen bedient werden können. Man kennt es von anderen Renault, manchmal braucht es einen Zwischenschritt zu viel, doch moderne Menschen nutzen sowieso ihr Smartphone über Google Auto oder Apple Carplay – was sich im Zoe insbesondere bei der Sprachsteuerung und vor allem dem Navi als die deutliche bessere Lösung erweist. Vorne sitzt man nett und hoch auf nicht höhenverstellbaren Sitzen mit einem Bezug aus Recyclingmaterial, und man sitzt angenehm, weil die Kopffreiheit gewaltig erscheint. Der Kofferraum fasst 338 Liter, die Rücksitze (auf denen man eh nicht länger als fünf Minuten sitzen) sitzen will, lassen sich 60:40 abklappen; das maximale Ladevolumen beträgt dann 1225 Liter.
Nun, es muss auch bei e-Fahrzeugen der Verbrauch ein Thema sein. Unser Ansatz ist nun nicht wissenschaftlich, aber wohl realistisch: wir fuhren auf verschiedenen Wegen und mit verschiedenen Durchschnittsgeschwindigkeiten aus dem «home office» nach Zürich, jeweils ziemlich genau 100 Kilometer. Das Wetter war jeweils freundlich, das Verkehrsaufkommen corona-bereinigt – und die Unterschiede, am Bordcomputer abgelesen, beträchtlich. Fährt man auf der Autobahn so, wie wir auf der Schweizer Autobahn jeweils fahren, also 120+ und auch nicht dringend ressourcenschonend, so kamen wir dann schon auf gut 25 kWh auf 100 Kilometern. Auf der gleichen Autobahn, aber im Gleichschritt mit den Lastwagen und auch hinter diesen einherrollend, waren es dann noch 16 kWh. Überland, durch Städtchen und Dörfchen und mit max. 86 km/h und auch sonst ganz friedlich, waren es dann noch 13 kWh; was dann theoretisch fast 400 Kilometer Reichweite bedeuten würde. Man sieht in erster Linie: bei höheren Tempi steigt der Verbrauch rasant an. Wer den Renault aber so nutzt, wie er eigentlich gedacht ist, als im urbanen Umfeld (wo er im Stop-and-Go-Verkehr halt auch mehr rekuperieren kann), der wird kein Reichweiten-Problem haben. Aber das gilt ja so für alle e-Wagen. Für den Zoe gilt in erster Linie: er gehört sicher zu den ressourcenschonendsten unter diesen E-Mobilen. Ganz besonders dann, wenn man den eco-Modus aktiviert – bei dem dann noch 36 PS zur Verfügung stehen. Im Schnitt kamen wir auf 17,7 kWh auf 100 Kilometern – das erste Mal, dass wir mit einem E-Auto unter 20 kWh blieben.
Der Meinungen über e-Autos sind männiglich, wir versuchen, das ganz pragmatisch zu betrachten. Der Zoe erscheint (oder: ist?) noch in mancher Hinsicht als die wahrscheinlich beste Lösung unter diesen reinen Elektrikern, die Batterie ist nicht zu gross und folglich nicht zu schwer – und bindet vor allem nicht schon vor Antritt der Fahrt eine gewaltige Menge von Energie in der Herstellung. Das Fahrzeug mit knapp über 4 Metern Länge eine vernünftige Grösse, mit einem Gewicht von etwas über 1,5 Tonnen ein noch akzeptables Gewicht – und lässt sich mit einem Kofferraum-Volumen von 338 bis 1225 Litern noch für manche Transport-Aufgabe und Freizeit-Aktivität sinnvoll nutzen. Das Konzept des Fahrzeugs ist auch genau darauf ausgelegt – man fährt damit nicht mit der ganzen Familie, zwei Taucher-Ausrüstungen und einem Wohnzelt samt Kücheneinrichtung nach Süditalien in die Ferien. Sondern bleibt in einem näheren, wahrscheinlich mehr urbanen Umfeld, fährt zum Einkaufen, zum Sport, zur Arbeit. Und wieder zurück; den meisten Nutzern dürfte eine Vollladung pro Woche reichen. Und das, genau das kann der Renault Zoe besser als alle andern – inklusive allen Verbrennern. Als reines Transport-Mittel bis hin fast zur Mittelstrecke für maximal vier Personen oder ein paar Kilo Güter macht den Franzosen niemand etwas vor.
Fahrfreud’, tja, elektrisch halt, sprich: eine ganz nette Längsdynamik beim Beschleunigen. Aber das war es denn auch. Und das ist auch richtig so: ein «insane»-Modus ist bei einem E-Gerät genau das, was seine Bezeichnung ausdrücken will. Die Lenkung ist leider ziemlich gefühllos, auch neigt sich der Wagen stark in die Biegungen, wenn er ein wenig forciert wird. Was daran erinnert, dass flottes Vorwärtskommen nicht das primäre Ziel des Renault ist; eine Passfahrt stand nicht im Lastenheft der Ingenieure. Bleibt man brav, überzeugt der Zoe mit ganz angenehmen Komfort. Ruhig ist er ja sowieso.
Nun, das liebe Geld ist ja auch immer noch ein wichtiges Thema bei den e-Dings. Zu haben ist der Renault Zoe mit der kleineren 41-kWh-Batterie ab 24’800 Franken, für den R135 mit dem 52-kWh-Akku sind mindestens 28’600 Franken fällig; unser Testwagen kam mit ziemlich kompletter Ausstattung (inkl. Gleichstrom-Schnelllader) auf 34’450 Franken. Nun haben die Franzosen zusätzlich ein ganz besonderes Geschäftsmodell gewählt, denn in diesem Kaufpreis sind die Batterien nicht inbegriffen – wer sie sein eigen nennen will, muss zusätzlich noch einmal 9100 Franken abdrücken. Ansonsten ist da die Miete, 94 Franken im Monat, wenn man maximal 7500 Kilometer pro Jahr fährt, 144 Franken im Monat, wenn es 20’000 km+ sein sollen. Wer also viel unterwegs sein will, der fährt nach etwas mehr als fünf Jahren günstiger im Kauf; wer weniger als 7500 Kilometer fährt, fährt erst nach acht Jahren günstiger. Aber die Rechnung ist ja einfach, überhaupt werden e-Autos ja gerne geleast, da ist das alles eh kein Thema. Ein Schnäppchen ist der Zoe allerdings nicht, auch wenn die Unterhaltskosten sicher tiefer liegen als bei einem Verbrenner.
Doch wie kommen wir dazu, den Renault Zoe als «Krisengewinnler» zu bezeichnen? Er hat uns durch die gesamten Corona-Lockdown gefahren, zuverlässig und irgendwie sehr smart. Er war: genau das richtige Automobil in einer schwierigen Zeit. Der Renault ist klassenlos, man braucht sich nicht zu schämen, es ist kein Protz, während ringsum Kurzarbeit herrscht oder gar keine mehr da ist. Das sonst dem Individualverkehr nicht besonders geneigte Publikum erkennt ihn, im Gegensatz zu neueren E-Fahrzeugen, unterdessen schon als kleine Ikone der lokal emissionsfreien Mobilität an, auch deshalb, weil er sich aufzuspielen braucht, irgendwie sympathisch ist, halt das macht und das kann, was es braucht. Und mehr braucht es wirklich nicht.
Mehr Renault und andere e-Fahrzeuge haben wir in unserem Archiv.
Ich bin erstaunt!
Was ist geschehen?
„e-Wagen“ und „e-Auto“ war das Wägelchen genannt, bevor zum ersten Mal die – auch vom Kommentator – hoch geschätzte Titulierung „e-Dings“ das erste Mal gewählt wurde.
Ein Novum, gar neue Gewohnheit?!
Die Zeit wird’s zeigen. Spätestens wenn bei „OMG“ die Zeichen auf „e“ stehen.
Das wird dann ein „Ding“.