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Abgestandener Wein in alten Schläuchen

Die Versuchung schöner Namen

Warum so ein neuer AC Cobra GT Roadster mehr als 10 Prozent grösser und 25 Prozent schwerer sein muss als das Original, darüber liesse sich wohl trefflich diskutieren. Denn man fragt sich schon, wo die Adipositas herkommt, schliesslich ist das neue Ding zu grossen Teilen aus Carbon gefertigt und trägt auch keinen 7-Liter-Grauguss-Mocken unter der Motorhaube. Aber immerhin können wir viel Verständnis dafür haben, dass dieses Fahrzeug AC Cobra heisst, es sieht ja auch so einigermassen so aus, es wird eine lange Tradition so einigermassen charakteristisch fortgeführt.

Bei anderen Gerätschaften fragen wir uns dagegen schon, was sie denn mit ihren gleichnamigen Vorläufern am Hut haben. Es sind dies ja lange Geschichten, keine Ahnung, wann das begonnen hat, vielleicht in Amerikeit mit Stutz (ursprünglich 1911-1939, dann wieder von 1970 bis 1988), sicher später mit Bugatti (ursprünglich 1909 bis 1963, dann wieder 1987 bis 1998 – und schliesslich ab 1998 mit Volkswagen). Mehr Beispiele? Abarth, Borgward, Maybach – gerne nehmen wir weitere Beispiele entgegen.

In letzter Zeit häufen sich allerdings diese Wiedergeburten. Hispano-Suiza gehörte von 1904 bis 1938 zur absoluten Spitze des Automobilbaus, dann gab es zwischen 2000 und 2004 einen ersten Versuch der Neubelebung, seit 2010 wird das nun etwas ernsthafter und mit gutem finanziellen Background, aber ohne Verkaufserfolge betrieben. Kein Wunder, irgendwie, wenn das Original einfach schöner ist als der Nachfolger:

Nehmen wir noch eine der ganz grossen Marken von vor dem 2. Weltkrieg: Isotta Fraschini. Der Rechtsanwalt Cesare Isotta und der Ingenieur Vincenzo Fraschini hatten noch im 19. Jahrhundert mit dem Import von Fahrzeugen nach Italien begonnen. Ab 1904 bauten sie unter eigenem Namen erste Automobile – die bald zu den feinsten Fahrzeugen der Welt gehörten. Doch weil Isotta Fraschini vor allem Luxus-Produkte produzierte, gab es auch immer wieder finanzielle Probleme. Nach einem letzten Aufbäumen nach dem 2. Weltkrieg wurde die Automobil-Produktion 1949 aufgegeben. Danach gab es immer wieder Versuche, den grossen Namen auferstehen zu lassen. Unter dem Namen Isotta Fraschini Milano hat der kolumbianische Öl-Magnat Franck Kanapet Yepes zusammen mit Alfredo Reboa der Marke nun neues Leben eingehaucht (denn «nur» Isotta Fraschini gibt es auch noch, die bauen Schiffsmotoren). Das sieht dann so aus:

Dies im Gegensatz zu früher:

Noch andere «Marken» scheinen irgendwie nicht verstanden zu haben, was das Erbe eines grossen Namens bedeutet. Hier ein neuer Delage:

Und hier ein Beispiel aus der gloriosen Vergangenheit:

Bleiben wir in Frankreich: Facel Vega. Lebte eigentlich nur zehn Jahre lang, von 1954 bis 1964, doch war schlicht und einfach: grossartig. Dann gab es 2020 ein kurzes Aufflackern, Facel Vega Paris. Das war ganz anständig, irgendwie auch im Sinne des Erfinders, aber das Abenteuer war noch deutlich kürzer als der erste Versuch. Sprich: da ist irgendwie gar nichts mehr, die Website ist tot. Das Projekt wohl auch.

Die Frage ist so ein bisschen: Warum wollen Jung-Unternehmer sich mit alten Namen schmücken? Warum nennt man sein Projekt Austro-Daimler? Gut, man beginnt nicht bei Adam & Eva, man braucht dann keine eigene Geschichte zu erfinden, kann allenfalls auf altes Bildmaterial zurückgreifen. Aber es gibt auch immer Streitereien um die Namensrechte – und hohe Erwartungen. Wer sein neues Gefährt Bizzarrini nennt oder de Tomaso, der muss damit leben wollen, dass er eine glorreiche Vergangenheit um die Löffel geprügelt erhält; bei einem Angelelli (unten) besteht dieses Problem nicht. Und wenn man dann wieder sang- und klanglos in der Vergessenheit verschwindet, wie das ja etwa 105 von 100 dieser Versuche tun, dann hat man wenigstens nicht noch einen guten Namen beschmutzt.

Echte Klassiker haben wir in unserem Archiv.

2 Kommentare

  1. Lukas Lukas

    Ein Phänomen, dass sich auch bei Filmen und Musik beobachten lässt, man möchte sich mit dem Glanz vergangener Tage schmücken.
    Wobei wir eigentlich dankbar dafür sein sollten, dass Fiat Abarth zumindest mit dem Geschäftszweig scharfer cinquecenti wieder aufleben lässt. Auch wenn die Abgasanlagen unterdessen von Magneti Marelli kommen. Man muss diese neuen (Verbrenner-) Abarth lieben!

  2. Fritz Fritz

    Habe diesen Artikel wirklich genossen. Laut dabei gelacht. Bravo!

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