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Fahrbericht Porsche 911 GT3 «Touring»

Ein Plädoyer

Und dann, wenn Du da den französischen Berg hochknallst, sauber so ein bisschen quer durch die Kurve gekommen bist und den zweiten Gang ausdrehst auf der Zwischengeraden, 6000, 7000, 8000, ja: 9000/min, dann bist Du nicht bloss begeistert, wie das Ding abgeht, wie es tönt, wie grossartig alles ist. Dann musst Du auch ergriffen, ja, wahrlich ergriffen sein von diesem Wunder der Technik, das hinter Dir arbeitet, hart arbeitet, Tausende von Einzelteilen, die perfekt zueinander passen müssen, Benzin und Luft in Vorwärtsenergie verwandeln, in Kraft, in Lärm – und in Freude. Und Lächeln. Nein, denkst Du Dir dann: nie, nie, nie ein Elektroauto, noch viel, viel, viel weniger diese autonome Scheisse, nein, lass es ewig so weitergehen, Drehzahl, the sound of speed, der Kick ins Hirn, für alle Sinne. Klar, es braucht nicht dringend diesen 152’416 Euro (umgerechnet von Porsche in der Schweiz: 186’600 Franken) teuren Porsche 911 GT3 mit dem Touring-Paket, um all das auch fühlen zu können, aber er passt halt, er ist ein möglicher Gipfel der automobilen Evolution – und wir müssen ihn lieben. Denn besser wird es wohl nicht mehr in der Zukunft.

(Und nein, liebe Freunde der E- und/oder Tesla-Beschleunigung, es ist erstens nicht das Gleiche, wenn es nicht tönt – und zweitens würde der Elektroroller bei ähnlichen Tempi schon vor der zweiten Kurve ins Notlaufprogramm wechseln, fertig lustig, danke, tschüss).

Oh ja, wir lieben den Porsche 911 GT3, siehe: Fahrbericht. Ob es den GT3 mit Touring-Paket nun wirklich braucht, pff, das ist Geschmackssache, siehe: Vorstellung. Eigentlich ist die prollige Frittentheke ja auch geil – andererseits ist etwas Understatement vielleicht auch nicht falsch. Aber da, am Berg, ist das völlig egal, das sind es einfach frei saugende 500 PS in einem Porsche 911, da dreht es wie blöd – da passt alles, Motor, Getriebe, Sound, Sitzposition, Lenkrad, da ist Dir die Optik sowas von nicht wichtig. Vielleicht ist die 24. Deklination des aktuellen 911er-Thema die coolste, beste überhaupt, doch was will man den Wagen vergleichen, es kommt die nächste Kurve, es kommt die nächste Gerade, und Du willst, dass es nie wieder aufhört. Manchmal, ja, da träume ich von der ewigen Passstrasse, und der Himmel wäre, dass sie nie endet.

Es muss dies auch ein Plädoyer sein für den Sauger. Der 4-Liter-Boxer ist der letzte Überlebende im Porsche-Programm, der noch nicht zwangsbeatmet ist. Und allein schon deshalb ist ihm noch ein langes, langes Leben gewünscht, es sollen noch ganz viele Exemplare gebaut werden als Zeugen davon, welch‘ Herrlichkeit diese Maschinen ohne Turbo sind, es sollen ja auch unsere Nachkommen irgendwann noch die Chance haben, einmal den Unterschied erleben zu können. Es ist einfach anders, die Gasannahme, die Linearität der Kraftentwicklung, der Lärm, nicht allein Drehmoment, sondern auch Drehzahl – Charakter wird nicht künstlich generiert, sondern entsteht aus sich selber. Man spürt das Leben in dieser Maschine, sie beherrscht ganze Opern der Geräuschentwicklung, schmatzt, röhrt, knallt, brabbelt, kreischt, der ganze Wagen bewegt sich im Rhythmus mit – und als Fahrer ist man dabei, mittendrin, nicht voll daneben, erlebt das alles als Ganzes.

Es ist ja noch nicht so lange her, da hätten wir uns vor so einer Heckschleuder schon mit deutlich weniger Pferdchen ziemlich gefürchtet. Doch wie sagte Walter Röhrl schon beim «normalen» GT3 so schön: «Es ist uns wohl noch nie so gut gelungen zu kaschieren, dass es sich beim 911 eigentlich um eine Fehlkonstruktion handelt». Wir waren auf Winterreifen unterwegs, Pirelli Sottozero, eigentlich ja nicht dringend das, was man zum sportlichen Angasen braucht, doch die Dinger schaffen in Verbindung mit dem feinen Fahrwerk so viel Grip, dass man fassungslos ist. Ja, er rutscht dann schon, hinten, aber das mit liebevoller Ansage, und friedlich beherrschbar – das böse Tier ist dieser 911 nur dann, wenn er ein böses Tier sein soll. Und darf. Dafür braucht er aber schon Drehzahl, so ab 4000/min ist es lustig, ab 6000/min wird es grob, und eben: es geht bis 9000/min. Es macht süchtig, ihn ganz, ganz nach oben zu drehen. Und wieder. Und wieder. Gut, es geht noch mehr, wie man dann anerkennen muss, wenn man versucht, Walter Röhrl den Berg hoch zu folgen.

Eigentlich ist der GT3 mit Touring-Paket das Ausmerzen eines Überlegungsfehlers. Und der heisst 911R. Mit jenem auf 991 Stück limitierten, gut 190’000 Euro teuren Sondermodell hatte Porsche nicht nur manch guten Kunden verärgert, der keinen erhielt, sondern sich selber darüber grämen müssen, von einer extrem Spekulationsblase nicht profitiert haben zu können. Auf bis zu 750’000 Euro stiegen die Gebote für einen 911R – und Stuttgart schaute dabei in die Röhre, musste merken, dass das Angebot schlicht und einfach zu günstig gewesen war. Der GT3 Touring dürfte die Situation auch um den 911R etwas entspannen, denn jene Kunden, die wirklich einen etwas weniger auffälligen GT3 fahren und von seinen grossartigen Fahrleistungen profitieren wollen, die können nun bedient werden. Und man darf davon ausgehen, dass das Touring-Paket, das eigentlich gar kein Paket ist, sondern in erster Linie ein «Weglassen», funktionieren wird. Weil beim Porsche 911 sowieso alles funktioniert. Für Porsche geht die Rechnung auf jeden Fall auf: einmal mehr kostet weniger nicht weniger. Aber eigentlich hätten wir gerne eine noch mehr abgespeckte Version, kein Infotainment, weniger Dämmung – noch ein paar Kilo weniger.

Übrigens: auch der GT3 hat einen Spoiler, eigentlich sogar zwei, einen kleinen Gurney-Flap auf dem grösseren Teil, das automatisch ausfährt. Das sieht allerdings dann etwas komisch aus, zu klein wirkt er, fast schon läppisch, und von hinten schaut man in nicht so schön verkleidete Eingeweide. Im Vergleich zum spoilerfreien 911R ist der GT3 Touring sowieso ein Schnäppchen, er kostet ja gut 40’000 Euro weniger. Warum? Keine Kohlefaserkotflügeln, kein Kohlefaser-Diffusor, kein Magnesiumdach und kein Innenraum aus Naturleder und Pepita. Dafür kann man beim Touring wählen, wie das Ding aussen und innen aussehen kann, etwa: Chromschachtleisten. Und Chrom-Felgen, die sind wunderschön. Innen eine sehr schöne Kombi aus Leder und ganz leichtem Stoff, falls solches gefällt. Was es auch gegen Aufpreis nicht gibt: das Doppelkupplungsgetriebe. Das erstaunt uns, Touring bedeutet ja so ein wenig «Reisen», und da würde das PDK ja durchaus passen. Aber vielleicht hat Porsche ja noch eine weitere, ganz spezielle «Gran Turismo»-GT3-Variante im Köcher? Für unsereins stellt sich die Frage eh nicht, manuell ist und bleibt das, was wir wollen – fahren, nicht gefahren werden.

Nochmals: alles irgendwie nicht so wichtig, Chrom, Ausstattung, Spoiler sind alles Nebensachen. Der GT3 ist eine wunderbare Fahrmaschine, sie will bewegt sein – wer so ein Ding braucht, um sich vor dem Kaffeehaus oder der Provinz-Disko aufzuplustern, der ist ein Depp, der soll einen Ben-Tiger von Bentley als Diesel kaufen, kostet etwa gleich viel, macht aber einen auf noch viel dickere Hose (verkauft sich aber anscheinend deutlich unter den Erwartungen – sind die Scheicherer doch nicht so geschmacksfrei wie erwartet?). Wir freuen uns, dass es weiterhin solche unglaublich konsequent auf Fahrfreude getrimmte Geräte gibt, einen Lamborghini Huracan Performante, irgendwie auch die Giulia QV von Alfa Romeo, in einem deutlich günstigeren Segment die neue Alpine A110. Und diesen so grossartigen Porsche. Der aber auch einen Minuspunkt hat: diese so grauenvoll gestaltete GT3-Touring-Plakete, die muss weg.

(Noch eine kleine Geschichtslektion gefällig? Das mit dem Touring und ohne Spoiler hat ja etwas mit dem 911 Carrera RS 2.7/RSR 2.8 aus den Jahren 1972/1973 zu tun. Damals gab es ja auch einen «Sport», M471, und einen «Touring», M472 (und auch den M491, also RSR, und den 0, also RSH, alles zusammen (inklusive der Prototypen) 1580 Exemplare). Die hatten aber alle das so typische Entenbürzel. Die meisten zumindest – auf Wunsch gab es nämlich auch «Heckspoiler entfällt» (sogar ohne Aufpreis…). Diese «Option» wurde von doch immerhin 34 Kunden gewählt. Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, dann gerne: hier.)

Mehr Porsche haben wir in unserem Archiv.

6 Kommentare

  1. Ruch Hans Ruch Hans

    Ich nehme an dass dieser Porsche das vollkommenste Auto ist, dass es auf der Welt gibt.

  2. Eric Eric

    Woher sind die teils hervorragend guten Bilder?

    • Peter Ruch Peter Ruch

      Die grossartigen Herren Stefan Bogner und Jürgen Tap. Auf diesem Weg herzlichen Dank an beide.

  3. Andrras Kümpel Andrras Kümpel

    Mein 991/2 Turbo S Cabrio ist der perfekte Allrounder mit unglaublicher Power und Wahnsinnsfahrleistungen. Und es ist der erste Turbo mit einem geilen, tiefen
    kräftigen Sound. Man merkt bei Beifahrern, die das erste Mal mitfahren bei der ersten vollen Beschleunigung, wie ihnen die Luft wegbleibt und ihnen die Falten aus dem Gesicht gezogen werden. Da wird Botox überflüssig.
    Mein neuer GT3 Touring ist das emotionalste Teil, das ich je gefahren habe.
    Der Sound ist so gierig, daß einem ab 7.000 rpm schwindelig wird und man bei 9.000 rpm denkt, da explodiert gleich die Maschine hinter einem. Einfach nur der absolute Wahnsinn. Beide Fahrzeuge sind die Macht, aber völlig unterschiedlich vom Charakter her. Ich liebe sie beide und gebe sie auch nicht freiwillig wieder her.
    Auf dem Papier ist der Turbo S in allen Belangen überlegen, rein subjektiv ist es klar der GT3 mit seinem Traum-Sauger und diesem abartig geilen Sound. Bereits beim Anlassen, wenn der Turbo zufrieden , satt und rund brummt und der GT3 bereits unrund leicht klackernd hechelt, merkt man wie unterschiedlich 2 Fahrzeuge mit sehr ähnlicher Optik sein können. Mehr, als beide in der Garage zu haben geht glaube ich nicht. I am a happy man !

  4. Olaf Olaf

    Die absolute Liebeserklärung an ein genial schönes Auto!
    Ich gebe ihn nicht mehr her 🙂

  5. Nikolic Cedomir Nikolic Cedomir

    Danke für den tollen Bericht.
    Darf Meinen in ungefähr 2 Wochen abholen.

    Bin gespannt!

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