Das Bugatti-Baby
Die jungen Leut’, jammern die grossen Hersteller in einem gemeinsamen, grossen Chor, hätten das Interesse am Automobil verloren, wollen es höchstens noch teilen, oder dann gar nicht. Gleichzeitig bauen all diese so sehr gebeutelten Jammerer ihre Einstiegsangebote immer weiter ab, es sei keine vernünftige Marge mehr zu erreichen, überhaupt sei einfach der Aufwand zu gross; Premium oder fette SUV machen da viel mehr Freud’. Dass der Zusammenhang auch umgekehrt gesucht werden könnte, also: den jungen Leut’ sind diese Premium-SUV schlicht und einfach zu teuer, bei dieser BWL-Lektion scheinen die aktuellen Finanzer und Strategen schlicht und einfach gefehlt zu haben, alles, was nicht mindestens 22,2 Prozent Nettogewinn abwirft, kann ja gemäss der Lehre gar nicht gut sein. Die Idee von einst, dass man die jungen Kunden mit günstigen Angeboten zur Marke lockt, damit sie dann über die Jahrzehnte innerhalb der Marke aufsteigen und sich irgendwann eine feiste S-Klasse leisten, dieses einst so gut funktionierende Geschäftsmodell wurde längst auf dem grossen Friedhof des kurzfristigen Shareholder-Value beerdigt. Markentreue gilt unterdessen in erster Linie als mühsam, denn das sind anspruchsvolle Kunden, und günstigere, vielleicht sogar mechanisch etwas einfachere Fahrzeuge, an die die Kundschaft sogar noch selber Hand anlegen möchte, selber eine Lampe wechseln oder einen Ölfilter, die sind komplett des Teufels. Nein, es wundert nicht, dass immer mehr Menschen dem Besitz eines eigenen Automobils den Rücken kehren – weil sie sich Anschaffung und auch Unterhalt ganz einfach nicht mehr leisten können.
Einst war das anders. Sogar der grosse, grosse Ettore Bugatti war sich nicht zu schade, sich mit einem einfachen, günstigen Kleinstwagen zu beschäftigen. Er tat das zwar nur gegen Geld und auch nicht unter eigenem Namen, doch immerhin: Man sieht dem Peugeot Bébé, der 1913 auf den Markt kam, die Handschrift des Meisters schon an. Peugeot hatte schon zwischen 1905 und 1912 einen Bébé gebaut, den Typ 69 mit einem 0,65-Liter-Einzylinder und 6,75 PS, von dem etwa 400 Stück gebaut worden waren. Der nur 350 Kilo schwere Typ BP1, an den Bugatti Hand anlegte (es heisst, er habe einen bereits fertigen Prototypen in seiner Garage stehen gehabt), verfügte dann schon über einen anständigen 0,9-Liter-Vierzylinder mit 10 PS – und schaffte 60 km/h. Der Zweisitzer war 2,62 Meter lang, es wurden bis 1916 über 3000 Stück zum Preis von 4000 Francs verkauft. Was ungefähr ein Viertel dessen war, was damals ein Mittelklasse-Fahrzeug kostete.
Etwa gleichzeitig kamen zuerst in Frankreich (Bédelia), dann auch in Grossbritanien (G.N.) die so genannten Cycle Cars auf. Ihren Namen erhielten sie, weil sie – meist – von Motoren angetrieben wurden, die eigentlich für Motorräder bestimmt waren, doch das Segment bestand aus so vielen unterschiedlichen Karosserieformen und Antriebsarten, dass eine Übersicht ziemlich schwierig bleibt. Auch Peugeot spielte selbstverständlich mit, es gab ja diese oben erwähnte Tradition der Kleinstwagen, die Franzosen bauten auch Fahr- und Motorräder, da passte diese Klasse bestens ins Programm. Als eigentlicher Nachfolger der beiden Bébé kam 1921 die Quadrilette, Typ 161, auf den Markt – die zu Beginn so schmal gebaut war, dass die zwei Passagiere hintereinander sitzen mussten. Als Antrieb diente ein 0,7-Liter-Vierzylinder, der es auf 6,2 PS brachte; geschaltet wurde über ein anständiges 3-Gang-Getriebe. Im Gegensatz zu noch so manchen Cycle Cars verfügte der winzige Löwe sogar über ein Fahrwerk mit Federung.
Selbstverständlich haben wir noch mehr: Microcars. Und selbstverständlich haben wir noch mehr Peugeot im Archiv.
Super infos, danke!