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Fahrbericht Honda e

Er will doch nur spielen…

Klar ist er zu teuer, der Honda e. 43’100 Franken, mindestens, sind (eigentlich) zu viel für ein e-Spielzeug mit einer doch eher kleinen Batterie (35,5 kWh) und entsprechend geringer Reichweite (220 km, optimistisch). Andererseits kostet ja auch ein Lamborghini zu viel, dort fragt auch niemand nach der Reichweite – und überhaupt ist der kleine Honda in der Stadt viel praktischer. Da haben wir wirklich gestaunt: der 3,9 Meter lange Japaner verfügt über einen Wenderadius von nur gerade 4,3 Metern – dagegen mutet selbst ein Smart an wie ein Holzfuhrwerk. Und dazu macht das kleine, heckgetriebene Ding auch noch richtig Fahrspass, die 154 PS und 315 Nm maximales Drehmoent sorgen trotz 1,5 Tonnen Kampfgewicht für ein sehr flottes Vorankommen. Die Lenkung ist erfreulich präzis, das Fahrwerk gut abgestimmt, schon eher komfortabel als sportlich, doch das passt bestens zum Kleinen. Die 8,3 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 sind da gar nicht so relevant, viel fröhlicher sind die sehr spontanen Reaktionen auf die Fahrbefehle, überhaupt die Agilität – es ist, auch dank der 50:50-Gewichtsverteilung, fast ein bisschen wie Motorradfahren.

Es ist aber halt deutlich komfortabler im Honda als auf einer Honda. Schon von aussen ist der Japaner eine Freud’ für das Aug’, viel Retro, aber irgendwie doch sehr modern, sehr sympathisch; er hat so ein bisschen etwas von einem Golf der ersten Generation. Nicht so toll gelungen erscheint einzig der riesige Schacht für den Ladeanschluss, er soll wohl eine Motorhaube suggerieren. Etwas skeptisch waren wir nach den ersten Erfahrungen im Auto e-tron gegenüber den Kamera-Rückspiegeln – im Honda bleiben sie zwar auch gewöhnungsbedürftig, doch sind viel besser angeordnet als e-SUV mit den vier Ringen. Wie überhaupt eigentlich alles im Innenraum so richtig gut ist, die Bildschirmwand mit den drei Monitoren, die sich quasi über die ganze Breite des Wagens erstrecken, sind genau so ein Blickfang wie das darunter angebrachte, grossflächig verwendete Echtholzfurnier. Clever ist, unter anderem, dass sich etwa Navi-Einstellungen und sonstige Infos auf den Bildschirmen hin und her schieben lassen, es sind also auch die Beifahrer*innen unterhalten. Gut auch die Sitze, sie sind nicht nur bequem, sondern sehen auch noch sehr hübsch aus.

Hinten ist dann allerdings beim Zweitürer nicht so doll, weder der Zustieg noch die Platzverhältnisse. Und man staunt, dass sich bei einem e-Wägelchen mit einer nicht so üppigen Batterie dann auch nur noch 171 Liter Kofferraum ausgehen. Immerhin kann man die die Rücksitzlehne ganz einfach umklappen, dann sind es dann anständige 861 Liter – als Raumwunder wollen wir den Honda aber trotzdem nicht bezeichnen. Da staunt man dann irgendwie schon ein bisschen, Kleinwagen können die Japaner doch wie sonst nur die Italiener, die komplett neu entwickelte E-Plattform stellt sich den Passagieren ja auch nicht in den Weg. Denn sonst ist der Honda in mancher Hinsicht wirklich «state of the art», die Sprachsteuerung klappt bestens, theoretisch liessen sich über einem HDMI-Anschluss sogar Spiel-Konsolen anschliessen. Und auf Knopfdruck parkt der Wagen aber so etwas von perfekt ein, wie wir das noch gar nie erlebt haben.

Auch beim Laden fährt der Honda e ganz vorne mit, 100 kW sind möglich. Das bedeutet, dass ein fast leerer Akku in einer halben Stunde wieder zu mindestens 80 Prozent gefüllt ist. Die kleine Batterie lässt sich aber auch am Haushaltstrom über Nacht fast füllen – und sie könnte, dank bi-direktionalem Anschluss, auch wieder Strom abgeben und so als Speicher dienen. Doch uns macht das Fahren mehr Spass, ganz klassisch, ohne dieses One-Pedal-Gedöns, das mit bis zu 1,8 g* verzögert, wenn man den Fuss vom Fahrpedal nimmt – da haut es die Passagiere fast durch die Frontscheibe, wenn sie nicht darauf vorbereitet sind.

Wir bleiben dabei: Er ist zu teuer, der Honda e. Es gibt andere kleine und ebenfalls clevere e-Automobile, die sind doch deutlich günstiger. Aber andererseits ist halt so ein elektrischer Corsa bei weitem nicht so cool wie der Honda, da bringt ihn auch mehr Reichweite nicht weiter. Vielleicht gehen die Japaner genau den richtigen Weg, denn sie zeigen auf, dass e durchaus sexy sein kann. Und wenn es nur der Drittwagen ist neben dem Range-Rover-Diesel und dem Lamborghini.

Mehr Honda und auch reichlich e-Autos finden sich in unserem Archiv. Und wir haben noch einen Nachtrag zu den «1,8 g Bremsverzögerung»*, die Honda in den Unterlagen beschreibt: das ist ein bisschen gar viel. Ein paar Zahlen, zum Vergleich:  Der Taycan schafft maximal 0,3 g, das sind dann feiste 250 kW Bremsleistung – damit wäre die Batterie des Honda nach einer Vollbremsung dann direkt wieder voll. Oder: Der Porsche 911 GT3 RS schafft auf den Michelin-Cup-Reifen einen Bremsweg von 32 Metern von 100 auf 0 km/h. Das sind dann 1,2 g. Alles klar?

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