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Talbot-Lago T150 S/SS

In Schönheit sterben

Welche Tragödien spielten sich doch um die Marke Talbot (und Talbot-Lago) ab! Die Namensrechte befinden sich heute im Besitz von Peugeot – und immerhin entschied man sich dort, die geplante Billigmarke (analog zum Erfolgsmodell von Renault mit Dacia) nicht Talbot zu nennen; diese letzte, gröbste Entwürdigung blieb Talbot erspart. Aber man weiss ja nie, vielleicht muss der schöne Name in Zukunft noch herhalten für eine besonders edle Innenausstattung eines Peugeot 5008.

Es begann doch so gut. Ein Mister Charles Chetwrynd-Talbot importierte ab 1903 Clément-Automobile aus Frankreich. Schon 1904 wurden eigene Autos montiert, auf Clément-Basis, und 1906 das erste eigene Auto auf die Strasse geschickt. Ein Talbot, erfreulicherweise, nicht ein Chetwrynd. Doch dann wurde die Geschichte bald einmal wild: Talbot wurde von Darracq übernommen (1919), dann kaufte Darracq auch noch Sunbeam dazu (1920), und dann hiessen die Fahrzeuge Sunbeam, Darracq, Talbot-Darracq und auch noch Talbot Special. Kein Wunder, dass die Firma 1935 Konkurs ging. Ein Antonio Lago übernahm die französische Niederlassung in Suresnes; die englischen Talbot wurden bis 1938 gebaut, und Sunbeam-Talbot gab es gar bis 1953.

Antonio Lago nun führte die neue Talbot-Lago (gern auch ohne Bindestrich geschrieben) in neue Höhen. Und vom Höhepunkt dieser Höhen werden wir in der Folge auch noch berichten. Doch zuerst sei noch das Schicksal von Talbot weiterverfolgt. Bis zum bitteren Ende. Talbot-Lago war also erfolgreich, überstand auch den 2. Weltkrieg einigermassen und konnte 1955 noch einmal für Aufsehen sorgen mit dem Modell 2500 Sport. Doch insgesamt wurden von diesem letzten Modell nur gerade 52 Stück gebaut. Das reichte zu gar nichts, und 1959 musste Antonio Lago Talbot-Lago verkaufen. An wen wohl? Genau, an Simca. Dann wurde es erst richtig traurig. Simca beerdigte den Namen, gleichzeitig kaufte Chrysler ab 1957 bis 1970 Aktien von Simca auf und gründete das Unternehmen Chrysler Europe. Es gab dann Talbot Matra (zum Beispiel den Rancho, den Bagheera, den Murena), es gab Talbot-Simca (den 1100, den 1510, den Horizon), und es gab es Talbot (zum Beispiel den Samba, den Solara, und um die Verwirrung besonders gross zu machen: den Talbot Sunbeam). Auch in der Formel 1 trat PSA auf – damals unter der Bezeichnung Talbot-Ligier. 1982 bekamen die Franzosen so grosse finanzielle Probleme, dass der Namen Talbot endgültig fallen gelassen wurde. Das heisst, nicht so ganz. Bis 1992 wurde noch ein Lieferwagen unter dem Namen Talbot Express verkauft.

Doch hier sei aus den guten Zeiten berichtet. Antonio Lago, der ein bisschen Ahnung hatte vom Automobilbau (er hatte bei der ehemaligen Sunbeam-Darracq-Talbot-Gruppe als Produktionschef gearbeitet), übernahm also 1935 das Werk in Suresnes. Der gebürtige Italiener liess zwei komplett neue Modelle entwickeln – eines mit einem 2,7-Liter-Reihen-Sechszylinder, das andere mit einem 3-Liter, ebenfalls in Reihe. Lago hatte gar nicht den Ehrgeiz, für seine Automobile eigene Karosserien zu entwerfen, sondern liess die Chassis von den namhaftesten Karossiers Europas einkleiden. Wobei, meistens waren es Franzosen – Chausson, Saoutchik, Partout, Chapron. Es gab auch zwei hübsche Cabrios, eines von Graber aus der Schweiz, eines von Ghia in Italien. Man muss das schon richtig verstehen: Es war Lago, der die Aufbauten in Auftrag gab. Damals war es noch üblich, dass die Kunden ein Chassis samt Motor kauften, zu ihrem liebsten Blech-Schneider brachten, der dann für die Karosse verantwortlich zeigte. Bei den Talbot-Lago war es Antonio Lago, der ein Auge auf die Schönheit seiner Automobile hatte. Zum Beispiel auf dieses T23 Cabrio aus dem Jahre 1938.

Die wunderbarsten Arbeiten lieferten allerdings Figoni & Falaschi. Der Betrieb hatte 1894 seine Tore geöffnet, und der nach Frankreich ausgewanderte Giuseppe Figoni bastelte hübsche Karosserien auf Bugatti und auch Duesenberg. Aber einen Namen machte er sich vor allem mit seinen Aufbauten für Delage. Hübsche Cabrios und Coupés mit ausladenden Formen waren seine Spezialität. 1935 kam Ovidio Falaschi in erster Linie als Geldgeber dazu, und das neue Unternehmen wechselte nicht nur den Namen, sondern auch vom Delage- zum Delahaye-Spezialisten. Im gleichen Jahr präsentierten die italienischen Franzosen auch zum ersten Mal das so genannt «fliessende» Design, das Figoni & Falaschi als Antwort auf die immer biederer werdenden Formen im damaligen Karosseriebau sahen. Und es war auch eine Antwort auf den wunderbaren Mercedes-Benz 540K «Autobahnkurier», der 1934 vorgestellt worden und allgemein als schönstes Fahrzeug seiner Zeit angesehen war.

Es dauerte aber noch zwei weitere Jahre, bis Talbot-Lago und Figoni & Falaschi zur Zusammenarbeit fanden und das ultimative Fahrzeug der 30er Jahre vorstellen konnten: das T150SS Coupé «Goutte d’Eau». Der Wagen wurde zuerst in Paris gezeigt, dann auch in New York, und die Amerikaner machten aus dem «Wassertropfen» eine Träne, «teardrop». Es gab zwei Versionen in den Jahren 1937/38 – eine genannt «Jeancart» nach dem ersten Kunden (offizielle Bezeichnung T150C-S), die andere bezeichnet als «New York Style», etwas leichter, schlanker und auch kräftiger (T150C-SS). Angetrieben wurden beide vom gleichen Motor, einem aus der Rennversion abgeleiteten, unterdessen auf 4 Liter Hubraum angewachsenen Reihen-Sechszylinder. Dieser schaffte 140 PS bei 4200/min – für heutige Verhältnisse nicht gerade begeisternd, damals aber absolut renntauglich. 1938 schaffte ein komplett serienmässiger SS den dritten Rang bei den 24 Stunden von Le Mans. Ein Jahr später war ein anderes, sanft sportiver gestaltetes Coupé (Chassisnummer 90117) unter Luigi Chinetti bestens im Rennen, musste aber nach 88 Runden aufgeben.

Elf SS wurden gebaut, dazu noch fünf S. Das oben gezeigte Fahrzeug mit der Chassis-Nummer 90112, ein SS, wurde von einem Monsieur Troussaint, Direktor des Casinos im belgischen Namur, bestellt und im Mai 1938 ausgeliefert. 1939 wurde der Wagen bei den Concours d’Elegance in Brüssel und im französischen Deauville gezeigt, dann verschwand er für mehr als 60 Jahre irgendwo in einer Garage. Preise? Den Rekord hielt lange ein Cabriolet (Chassisnummer 90111) mit 7,15 Millionen Dollar (nein, das ist nicht der unten, aber wir zeigen es dann auch noch, versprochen).

Auch andere «Goutte d’Eau» haben schöne Geschichten. Die Chassisnummer 90107 ist ein ganz spezieller «teardrop» mit vorne und hinten voll verkleideten Radläufen, was damals dem Geschmack des Maharani von Kapurthala entsprach. Er schenkte den Wagen der vierten Frau des Maharajah von Indien, Paramjit Singh, die den Talbot ständig anders lackieren liess. Die Fahrzeuge mit den Chassisnummer 90101 (der erste «Goutte d’Eau») und 90116 gelten als vermisst. 90108 (ein SS) wurde 2001 gestohlen und ist seither nicht mehr aufgetaucht. Der Wagen mit der Chassisnummer 90110 wurde 1946 vom Schweizer Karosserie-Künstler Graber neu eingekleidet, unterdessen wurde ihm aber wieder sein originales «New York Style»-Gewand verpasst. Dieses Fahrzeug wurde im Mai 2017 von RM Sotheby’s in Villa d’Erba versteigert und für 3’360’000 Euro zugeschlagen.

Gut, wir haben oben schon ein paar gezeigt, aber bleiben ja auch dran. Und deshalb folgt nun noch so etwas wie eine Sammlung.

Chassis-Nummer: 90034

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2010, verkauft für 4’620’000 Dollar, keine weiteren Angaben.

Chassis-Nummer: 90111

Auktion: RM Sotheby’s, New York 2013, verkauft für 7’150’000 Dollar, angeboten mit folgendem Text: «The first of the three cabriolets was this car, chassis 90111 and Figoni factory order number 661; it was a prototype built for display at a Parisian concours, with the intent being to create interest in Figoni’s groundbreaking styling. Its Talbot-Lago T150-C SS chassis was topped with a body of shimmering ivory and red fenders, and the car easily caught the notice of every concours attendee. Chassis 90111 was first registered in 1938 by Michael Dassonville, of Lille, a young wool merchant with a successful family business and enough resources to become a serious car collector. By 1941, Dassonville had moved to Paris, taking 90111 with him and re-registering it with a Paris number. Though the Germans had occupied France, Dassonville maintained his business interests. Reportedly, Dassonville was a double agent who escaped to Brazil in 1944 or 1945, leaving 90111 behind. Likely confiscated by the French government after the abrupt departure of its former owner, chassis 90111 was sold to Lino Fayen, in Paris, in 1952, and it was driven with the same registration numbers as 90115, which was also owned at the time by Fayen. Reportedly, Fayen found it more convenient to swap license and chassis plates whenever he chose to drive one of the Talbot-Lagos, rather than endure a French taxation system that penalized owners of cars with large-capacity engines. Fayen later sold 90111 to George Leroy, of Montvilliers, who continued to use it with 90115’s license number, 796 CA76. In the mid-1950s, American Vojta F. Mashek, of Chicago, purchased 90111, along with several other Talbot-Lagos. This car became an important centerpiece of his 50-car collection. In 1962, he raced it at the De Wilmot Hills Race Course in the rural Chicago area. This event was organized by the Vintage Sports Car Club of America, and Mr. Mashek won the five-lap race! Although Mr. Mashek passed away in 1973, it was not until 2006 that the car was put up for sale by his family. It was purchased by the current owner in 2008, and he added it to his collection in the Southeastern United States. After careful research, the owner commissioned a complete restoration. The restoration of an automobile of this caliber and historical importance is almost a sacred trust. It is important to not only restore the car to new condition mechanically and operationally, but also to ensure that the visual beauty of the original design is carefully restored.»

Chassis-Nummer: 90115

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2009, nicht verkauft (wohl deshalb, weil er auch einmal ein Teardrop war).

Chassis-Nummer: 90117

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2022, verkauft für 7’265’000 Dollar, angeboten mit folgendem Text: «Believed to have been the penultimate “New York”-style car built, the magnificent example which RM Sotheby’s is honored to offer here, chassis 90117, has the distinction of being the only Goutte d’Eau coupe constructed expressly with competition in mind. Originally commissioned by Philippe Régnier de Massa, a member of one of France’s oldest and most decorated noble families, it was ordered with several competition-inspired modifications, including additional driving lights, a 250-kph speedometer, a „semi-bucket“ seat on the driver’s side, reinforcement tubes and brackets in the engine bay, a long-range fuel tank, and an external fuel filler cap. Furthermore, according to Figoni’s son Claude, the car was two inches lower and four inches longer than any other Teardrop coupe in an attempt to minimize both frontal area and drag, and it featured both an opening rear window and a unique heart-shaped sunroof to aid ventilation. Doubtless buoyed by the fine 3rd place achieved at Le Mans in 1938 by the Talbot-Lago Portout Coupe of Prenant and Morel, de Massa opted to enter his car in the 1939 edition; remarkably his first race of international standard. For reasons not entirely understood, the car was officially entered by British motor racing luminary and writer T.A.S.O. Mathieson—himself sharing a new T26 model in the race with Chinetti—with de Massa co-driven by Norbert-Jean Mahé, who had finished 9th in the 1934 event. The pair had been performing strongly in 9th place when they were eliminated from the race on the 88th lap, a retirement variously attributed to either a broken valve spring or disqualification following a contravention of the sporting regulations.
An appearance in an unnamed post-Le Mans Concours aside, no other outings are recorded for the car during de Massa’s ownership. With war having broken out barely 10 weeks after Le Mans, the car was reputedly confiscated by the Germans in or around 1942, and was eventually acquired in neglected, engineless state by a Herr A. Becker of Rangsdorf, near Berlin, shortly after hostilities ceased. Following the fall of the Berlin Wall in late 1989, 90117 was sold to Peter Schmitz, a resident of western Germany, who commenced a long-overdue restoration of the car. However, Herr Schmitz kept the car only until 1995, when it was sold in an unfinished state to Automuseum Deventer of Joure, in the Netherlands. Although the car was separated from its engine at some point in the past, research on file indicates that a correct-type Talbot-Lago engine was located in the United Kingdom and subsequently fitted. A separate racing hood, a testament to its time at the Circuit de la Sarthe complete with cut-out holes for oil and coolant filler access, accompanies the sale of the car today. In 1996, ownership of the car then passed to Georg Lingenbrink of San Diego, California. It was in the latter’s custody that a comprehensive six-year restoration commenced; the car being finished in the appropriately elegant color scheme of deep aubergine with contrasting tan pigskin leather upholstery, and tan cloth interior trim. In 2006, chassis 90117 entered the esteemed Oscar Davis Collection, in whose custody it has remained ever since.»

Ja, hier kommt dann noch mehr – nämlich die Nachkriegsfahrzeuge, die T26 Grand Sport. Mehr wunderbare Klassiker haben wir auch in unserem Archiv.

1 kommentar

  1. Richard Watz Richard Watz

    Beim Stöbern im Kriegs – Fotoalbum meines Vaters viel mir ein Foto des
    TALBOT Lago T155 SS in die Hände, mein Vater als Soldat des 2.Weltkrieges am Steuer des Fahrzeuges. Entstanden 1941 – 42 in Gent – Amansberg.
    Gerne würde ich wissen, wer Besitzer dieses Fahrzeuges war. (Adresse)
    Vermutlich gibt es ein Archiv der damalige Eigner dieser besonderen Fahrzeuge.?

    Mit freundlichen Grüßen – Richard Watz

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