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Mercedes plättet Eisbären

Aha, ein «Kunstwerk»

Moncler, das sind diese Jacken, auf denen ganz gross Moncler stehen muss, damit Aussenstehende mitkriegen, dass sich guter Geschmack auch für viel, viel Geld nicht kaufen lässt. Diese Dinger machen auch aus der schlanksten Drittfrau ein Michelin-Weibchen, aber immerhin sieht man, dass ihr Herrchen auch nach der zweiten Scheidung noch über genügend Spaziergeld verfügt; gern werden diese Jacken auch zu Protz-Schmuck und Pelz-Stiefeln getragen. Und neu jetzt auch zur G-Klasse von Mercedes.

Und da sitz ich dann vor dem Bildschirm und betrachte die Bilder zum Project Mondo G, das Mercedes und Moncler gemeinsam entwickelt haben und jetzt an der London Fashion Show präsentierten. Und ich denke mir, was haben sie sich dabei gedacht? Ich les dann auch noch die dazugehörige Presse-Mitteilung und frage mich, ob da noch Fragen offen sind oder ob sie jetzt endgültig, nein, ich schreibe jetzt besser nicht, was ich mich auch noch gefragt habe. Aber es ist ganz offensichtlich so, dass ein paar Mitarbeiter in Stuttgart nicht mitbekommen haben, was auf dieser Welt gerade passiert.

Klar, Krieg in der Ukraine ist anderswo, ganz sicher nicht auf der Fashion Show, und überhaupt ist ja Karneval, da darf man sich schon mal als Wagner-Söldner verkleiden und im Panzerwagen auffahren. Und das Klima will so eine G-Klasse ja eh nicht retten, da kann man schon mal mit Bildern von schmelzenden Gletschern spielen. Und Reifen montieren, mit denen sich die noch überlebenden Eisbären plätten lassen. Mir persönlich fehlt noch eine lustige Anspielung auf die Erdbeben in der Türkei und Syrien.

«Aus der Verschmelzung der Gegensätze entsteht eine Skulptur», kann man der auch sonst von Plattitüden nur so strotzenden Pressemitteilung entnehmen. Oder: «Project Mondo G lädt ein, die Verwandlung von Funktionalität in eine Kunstikone zu erleben mit beeindruckenden Dimensionen: 4,6 Meter Länge, 2,8 Meter Höhe, 3,4 Meter Breite (mit Rädern) und 2,5 Tonnen Gewicht». Schön – aber: warum?

Ja, die Gedanken sind frei. Und Kunst soll ja zu eigenen Gedanken und Interpretationen inspirieren. Und vielleicht sieht ja tatsächlich im überdimensionalen Reissverschluss dieser G-Klasse «The Art of Genius», wie die gemeinsame Show vom Stern und Moncler betitelt ist. Vielleicht auch nicht. Doch wie steht es so edel im Abbinder: «Seit 1995 hat sich Mercedes-Benz als wichtiger Akteur in der globalen Modebranche etabliert. Das Luxusunternehmen hat authentische Beziehungen in kreativen Bereichen wie Mode, Fotografie und Kunst aufgebaut und nutzt seine Initiativen, um aufstrebende Designtalente, innovative Kooperationen, Modewochenpartnerschaften und Live-Events zu unterstützen». Das Budget dafür hat man ja erst kürzlich mit dem Verkauf des Uhlenhaut-Coupé aufgebessert.

5 Kommentare

  1. Matthias Matthias

    Man reibt sich die Augen und fragt sich, ob dieses „Projekt“ nun wirklich nötig gewesen wäre. Warum nicht? Mit etwas Phantasie lässt sich darin sogar Selbstironie erkennen, ein Abgesang auf die Welt der Verbrenner-Autos und des ostentativen Umgangs mit Luxus. Bei jeder Fashion-Show erlebt man auf dem Catwalk weitaus grössere, am menschlichen Körper getragene geschmackliche Entgleisungen als diese mit dem Stern, entstanden aus dem unbeugsamen Willen, um jeden Preis aufzufallen. Wer sein Schosshündchen in eine hippe Glamour-Schabracke einwickelt, darf das auch mit seinem Auto tun – why not? Stände Jeff Koons als Artist dahinter – und dessen Handschrift wurde hier genial kopiert – wäre dieser Benz sogar ein offizielles Kunstwerk. Aber das Problem liegt woanders.

    Wie es nämlich um das Selbstverständnis einer (Traditions)marke bestellt ist, die solche Inszenierungen offenbar nötig hat, darüber möchte man nicht spekulieren. Gefühlt ein Jahrhundert ist es her, da war Mercedes-Benz sprichwörtlich “ in Rufweite der Mode“. Heute, so lässt dieses zeitgeistige Bigfoot-Projekt befürchten, hat sich die Markenidentität von Mercedes in einer oszillierenden, fluktuierenden Trend-Wolke aufgelöst, getrieben vom Wind der modischen Beliebigkeit. Ob sich damit ein starkes Signal gegen druckvoll auftretende Wettbewerber wie Tesla setzen lässt?

    • Peter Ruch Peter Ruch

      sehr schön formuliert – danke!

  2. Pivo Reins Pivo Reins

    Nur peinlich. Fremdschämen? Nein, zu doof.

    Schön bissfester Kommentar dafür über „den lustigen Hinweis“ zum Erdbeben, der noch fehlt.

    Passenderweise sprach ich gestern abend mit Freunden über die Renaissance, oder besser Reanimierung, des G-Wagen hier in Florida, wo ich arbeite. Post-Arnold imagemässig etwas abgesackt, tritt des G-Modell jetzt umso dicker auf, und darf vor keinem teuren Haus, Boot oder Flieger fehlen, gerne auch in mattschwarz. Schämen für laute Auftritte? Ah geh, mir san mir!

  3. Alois Fuchs Alois Fuchs

    Da sitze ich nun im neuen Mercedes GLC, den sich jemand aus meinem engeren Freundeskreis zugelegt hat, lese diese Zeilen hier und denke mir: Würden sie bei Daimler nur halb so viel Zeit und Geld in ihre Produkte stecken, wären das richtig gute Autos. Aber so wie der GLC von innen wirkt, schafft man sich ohnehin bald selbst ab.

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