Was ist denn nun ein Shooting Brake?
Es geht um: Kutschen. Denn ein Shooting Brake hat gar nichts mit der Jagd zu tun und auch nichts mit Gewehren und sonstigem Lifestyle, den der Grossgrundbesitzer so pflegt, sondern, eben, mit Kutschen. Einst, da wurden die Shooting Brake jungen, ungezähmten Pferden vorgespannt, um ihren Widerstand zu brechen. Die Rösser zogen und zogen, und sie kamen nicht vorwärts. Bis sie dann halt nicht mehr ausbrechen wollten, sondern sanft waren wie Lämmer. Aber halt: in ihrer Aufmüpfigkeit gebrochen, quasi: erschossen. Was unter modernen Menschen, die ihren carbon footprint messen und sogar beim Tofu drauf achten, dass er nachhaltig in der Toilette schwimmt, als ungut gilt.

Männiglich wird Aston Martin als Erfinder des Shooting Brake genannt. Dem war natürlich nicht so, es gab solche Modelle, übrigens mit drei und fünf Türen, schon früher, noch vor dem ersten Weltkrieg; da war man den Kutschen auch noch näher. David Brown, wie Ferruccio Lamborghini als Traktoren-Produzent zu Geld gekommen und dank dieser Kohle ab 1946 Besitzer des chronisch defizitären Herstellers Aston Martin, war – wahrscheinlich – bloss der erste, der einem Kombi-Umbau eines Zweitürers zu einem Dreitürer den eigentlich unsäglichen Namen gab. Mister Brown war ein Jäger, und er wollte halt sein Golf- und Polo-Material, seine Waffen und eventuell erlegtes Vieh in seinem Aston Martin mitführen, deshalb bestellte er vom DB5 einen Umbau, den Harold Radford 1965 ausführte (als der DB6 schon quasi aufgegleist war). Brown wollte bei seinem Gefährt, zum Beispiel, im hintersten Bereich kein Leder-Interieur, weil seine Jagdhunde die Tierhäute zu kauen pflegten.
Und von den «moderneren» Vertretern dieser Bauart würden da eher die Chevrolet Nomad der Jahre 1955 bis 1957 in vorderster Linie sehen, von denen tatsächlich höhere Stückzahlen gebaut wurden als von Aston Martin, die mehr so Einzelstücke waren. Aber hier geht es ja um den ab 1967 angebotenen Reliant Scimitar GTE, den man tatsächlich als erstes in Serie produziertes Kombi-Coupé betrachten darf; der «Schneewittchensarg» von Volvo folgte deutlich später.
Reliant war 1935 im englischen Tamworth gegründet worden und machte sich über die Jahrzehnte einen guten Namen als Hersteller von dreirädrigen Fahrzeugen. Erst in den 60er Jahren versuchten sich die Engländer an stabileren Konstruktionen, darunter war auch der ab 1965 angebotene Scimitar GT (SE4) – ein noch ziemlich klassisches Coupé mit Stufenheck, das von Tom Karen entworfen und von unterschiedlichen Ford-Motoren angetrieben wurde. Ein brutaler Erfolg war dieses Fahrzeug aber nicht, unter anderem deshalb, weil die Platzverhältnisse doch eher beschränkt waren.

Im Auftrag von Triplex Safety Glasses entwickelte Reliant auf Basis eines SE4 einen Kombi mit grossen seitlichen Glasflächen, die bis ins Dach hineingezogen wurden; die englische Presse bezeichnete diesen Prototypen als «Gewächshaus». Er war gemäss Designer Tom Karen auch nicht der Impuls für den GTE, den habe er erhalten, als er zum ersten Mal einen Lamborghini Espada sah, dessen Raumkonzept ihn beeindruckte. Noch am gleichen Tag habe er eine Version des Scimitar GT mit Kombiheck und zwei Türen gezeichnet. Nur passte dieser Entwurf nicht auf das Chassis des schon vorhandenen Modells, Reliant entwickelte für das neue Modell einen eigenständigen Rahmen mit 20 Zentimeter mehr Radstand sowie einer deutlich breiteren Spur.

Der intern als SE5 bezeichnete Reliant Scimitar GTE kam 1968 auf den Markt; als Motorisierung zur Wahl standen zwei Sechszylinder von Ford, einmal mit 2,5, einmal mit 3 Liter Hubraum und etwa 125 PS. Der 2,5-Liter war wenig gefragt, dafür erhielt das manuelle 4-Gang-Getriebe bald einen Overdrive, zur Wahl stand ab 1970 auch eine Borg-Warner-Automatik, ab 1972 kam der 135 PS starke 3-Liter aus dem Ford Granada zum Einsatz, im SE5a gab es ab Ende 1972 dann ein neues Innenleben.
Eine dritte Generation des Scimitar, SE6, kam dann ab 1975 auf den Markt, sie war grösser, aber irgendwie nicht eleganter. Reliant baute das Kombi-Coupé bis 1986, es entstanden über 14’000 Exemplare; in England gibt es aber einen Hersteller, der diese Scimitar bis heute auf Bestellung fertigt. Die englische Prinzessin Anne ist wohl eine der grössten Liebhaberinnen dieses Fahrzeugs, je nach Quelle hat sie schon acht oder auch zehn Stück besessen. Der Ruf der Fahrzeuge, die nach einem orientalischen Krummsäbel benannt sind, war nicht immer der beste, sie galten als typisch englisch, also eher unzuverlässig, doch man kann davon ausgehen, dass die heute noch existierenden Exemplare die schlimmsten Kinderkrankheiten hinter sich haben.

Man muss jetzt auch nicht erwarten, dass die Scimitar so sportlich sind, wie sie aussehen. Auch der 3-Liter-Sechszylinder treibt die Fuhre nicht wild voran, er ist mehr so ein GNC («gasoline-to-noise-converter»), wobei man ihm attestieren darf, dass der «noise» sehr angenehm ist. Ein Wiesel am Berg ist der Engländer nicht, weitläufige, geschwungene Landstrassen sind mehr sein Ding. Und man kann tatsächlich einiges an Gepäck mitführen. Und sieht auch gut aus im adretten Engländer.

In der Auktion der Oldtimer Galerie Toffen am 25. März 2023 findet sich nun dieser hier gezeigte Reliant Scimitar GTE in der Version SE5 mit Jahrgang 1971 und dem 3-Liter-Ford-Essex-Motor, selbstverständlich mit manuellem 4-Gang-Getriebe. Es ist dies ein in England ausgeliefertes Fahrzeug, also Rechtslenker, mit wahrscheinlich 102’000 Meilen auf dem Tacho. Das hübsche Kombi-Coupé wurde im vergangenen Jahr in die Schweiz importiert und befindet sich in gutem Zustand mit schöner Patina.
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