Vom Affen gebissen
70 Millionen Dollar wollte der damalige Chrysler-Chef Bob Lutz von seinem Chairman Lee Iacocca haben. Nicht als Jahreslohn und nicht als Abfindung, wie das heute bei einem Banker üblich wäre, sondern für die Entwicklung der Viper. 1988 war die Idee für einen «Nachfolger der Cobra» entstanden, Chrysler-Design-Chef Tom Gale präsentierte Lutz ein paar Monate später erste Ton-Modelle, Anfang 1989 wurde die erste Studie auf der NAIAS in Detroit vorgestellt (der Autor dieser Zeilen war dabei) – und die Publikumsreaktionen waren kurz vor überbordend. Und deshalb wollte Lutz die 70 Millionen, er hatte auch eine schöne Rechnung aufgestellt, was allein schon der Image-Gewinn ausmachen würde. Doch Iacocca, sonst wahrlich kein Kind von Traurigkeit, sagte zuerst einmal njet, denn er brauchte noch ein bisschen Spaziergeld für den vom ihm erdachten TC. (Bild unten: erster Versuch)
Der Halb-Schweizer Bob Lutz machte trotzdem vorwärts, er hatte immer irgendwo ein paar Budgets, mit denen er ein bisschen jonglieren konnte, er beauftragte Chef-Ingenieur Roy Sjoberg mit der Entwicklung eines passenden Motors. Sjoberg fragte bei Lamborghini (gehörte damals zu Chrysler) nach, schickte ein paar Maschinen über den Teich, darunter auch einen Magnum-5,9-Liter-V8 (nein, entgegen aller gern kolportierten Gerüchte war das kein Lastwagen-Motor). Die Italiener bastelten ein bisschen, setzten zwei Zylinder an, verpassten der ganzen Geschichte einen Alu-Block – und schickten eine 8-Liter-V10-Maschine zurück nach Detroit. Im Mai 1990 gab Iacocca endlich sein Einverständnis – und gut ein Jahr später fuhr Carroll Shelby die erste Viper als Pace-Car bei der Indy 500. Im November 1991 war die Viper fertig, im Januar 1992 wurden die ersten Exemplare ausgeliefert. (Bilder unten: mehr frühe Versuche)
Es war schon ein Vieh, das Dodge da zu einem Preis von 52’000 Dollar auf die Strasse schickte. Der Motor allein wog 323 Kilo – und kam auf 406 PS schon bei 4600/min sowie ein maximales Drehmoment von 630 Nm bei 3600/min. Den Sprint auf 60 Meilen schaffte der weniger als 1500 Kilo schwere, erstaunlicherweise nur 4,45 Meter lange, aber doch 1,92 Meter breite Roadster in 4,6 Sekunden, die Viertelmeile in deutlich weniger als 13 Sekunden. Ganz bewusst verzichtete Dodge beim als Viper RT/10 bezeichneten Fahrzeug auf die damals schon üblichen elektronischen Helferlein, keine Traktionskontrolle, kein ABS, keine Airbags, auch keine Klimaanlage. Es war ein Gerät für Menschen mit «cojones», gerade bei Nässe quasi unfahrbar, auch auf trockenen Gassen eine Sau. Aber halt auch ziemlich lustig, man musste seine Sinne schon beisammen haben, wenn man einigermassen schnell unterwegs sein wollte – «radical» ist die Viper der ersten Generation ausgiebig gefahren, damals, mindestens ein Dutzend Mal über den Klausen, es war an jedem Kurvenausgang eine Grenzerfahrung. Herrlich. (Bild unten: das erste offizielle Bild)
Im ersten Produktionsjahr (1992) wurden nur gerade 285 Stück gebaut (deshalb «numbers»), alle von Hand in der Mack Avenue Assembly Plant, alle in Rot (anscheinend mit drei Ausnahmen). Die erste Generation wurde bis 1996 gebaut, insgesamt wurden es 7875 Exemplare. Sechsstellig kosten sie heute nur, wenn sie noch quasi fabrikneu sind – und es ist noch erstaunlich zu beobachten, wie viele damalige Viper-Kunden ihre Fahrzeuge gar nie bewegten, sie gleich mal wegstellten. Wie dämlich, eine grossartige Preissteigerung ist bei der ersten Generation auch in Zukunft nicht zu erwarten. Das Spiel mit den «Special Editions» (und darauf läuft es hier hinaus…) begann erst in der zweiten Generation (1997 bis 2002). (Bilder unten: #054, verkauft über Bring A Trailer für 110’000 Dollar)
Wir haben eine kleine Serie mit genau abgezählten US-Cars begonnen, «Numbers»; noch lohnt sich eine Auflistung nicht. Aber im Archiv hat es ja: reichlich.
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