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Fahrbericht Skoda Octavia Combi (1968)

Fünfjahresplan

Es waren schwierige Zeiten in der Tschechoslowakei, damals nach dem 2. Weltkrieg, es herrschte vor allem: Mangel. Die ehemalige Automobil-Sparte des Maschinenbaukonzerns Skoda wurde 1945 verstaatlicht, erhielt die Bezeichnung AZNP. Bald schon gab es Pläne zum Bau eines «Volkswagens», doch die verzögerten sich immer wieder, weil nur schon die Materialien gar nicht in ausreichendem Mass vorhanden waren – erst 1964, also fast 20 Jahre nach Kriegsende, wurde dann der 1000 MB vorgestellt (siehe: hier). Vorher mussten sich die Kunden mit den in eher geringer Anzahl hergestellten Modellen 440 (ab 1955, besser bekannt als Spartak) und Octavia (ab 1959 – es war dies die achte Skoda-Baureihe, deshalb der Name) zufriedengeben; sie wurden als Zwischentypen bezeichnet.

Der Octavia war gemäss dem damals üblichen Fünfjahresplan eigentlich nur ein Facelift des 440 – der Staat schrieb vor, dass 80 Prozent der Teile übernommen werden mussten. So gab es dann zu Beginn neue Zierleisten und ein etwas verändertes Fahrwerk. Ab 1961 kam dann der Combi dazu – endlich gab es auch ein Automobil, das so etwas wie praktisch war, auch etwas Raum bot. 1050 Liter Kofferraumvolumen, das war damals noch eine Ansage, zumal das Wägelchen ja nur knapp über vier Meter lang ist. Die Nachfrage nach den Combi sei immer viel grösser gewesen als die Produktion, heisst es. Bis 1971 wurden insgesamt 54’086 Exemplare gebaut – es sollte für lange Zeit der letzte Kombinationskraftwagen von Skoda gewesen sein, etwas, was man sich heute irgendwie gar nicht mehr vorstellen kann.

Paulina hütet den Schatz für das Skoda-Museum. Sie erzählt, dass dieses Exemplar von 1968 bis 2015 immer dem gleichen Besitzer gehört hatte, quasi täglich im Einsatz stand, noch über den ersten Lack verfügt – und man nur schätzen kann, wie viele Kilometer es tatsächlich auf dem Tacho hat. Sie hantiert am Choke, der 1,2-Liter-Vierzylinder mit seinen 47 PS ist am Morgen etwas unwillig. Der Skoda verfügt über ein vollsynchronisiertes 4-Gang-Getriebe, das allerdings verkehrt herum montiert ist: der erste Gang befindet sich rechts oben. «Den ersten Gang brauchst Du aber nie», erzählt Paulina, «auch am Berg nicht». Dann fährt sie rechts ran: «Jetzt Du».

So richtig viel Platz ist nicht hinter dem riesigen Lenkrad, die Sitzposition ist sehr aufrecht, die Beine müssen stark angewinkelt werden, damit sie auf die Fahrpedale finden. Man fährt also auch am Berg im zweiten Gang los, die Wege der Schaltung sind einigermassen unergründlich, doch er bewegt sich flott – es sind ja auch nur etwa 940 Kilo, die da in Fahrt kommen wollen. Die Lenkung ist schwergängig und weit davon entfernt von dem, was wir heute als präzis bezeichnen würden; die Abstimmung des Fahrwerks darf man als bretterhart bezeichnen. Aber das ist völlig egal, friedlich erklimmen wir den Hügel, Paulina erzählt etwas auf Tschechisch, was nur sie versteht, und unsereins verspürt Freude, dieses Kulturgut bewegen zu dürfen. Was auffällt: der Motor ist laut, aber nichts scheppert. Die Ausstattung ist karg, aber nichts fehlt. Irgendwo, irgendwann hat die Automobil-Industrie eine falsche Abzweigung genommen, gerade dieser sehr simple Skoda zeigt bestens auf, dass es nicht mehr braucht. Wo nicht viel ist, kann auch nicht viel kaputt gehen.

Viele dieser ersten Octavia Combi haben trotzdem nicht überlebt. Was vor allem daran liegt, dass es damals im staatlichen Fünfjahresplan halt keinen Platz für ausreichend Ersatzteile hatte.

Mehr interessante Fahrzeuge haben wir in unserem Archiv.

1 kommentar

  1. Christian Christian

    Irgendwo, irgendwann hat die Automobil-Industrie eine falsche Abzweigung genommen, gerade dieser sehr simple Skoda zeigt bestens auf, dass es nicht mehr braucht.
    Wie wahr, wie wahr – aber leider keine Besinnung und Besserung in Sicht….

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