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Der Pirat

Sein Herz, heisst es, sei in ein Monument eingegossen, das auf dem Friedhof des mexikanischen Städtchen Silao steht. In Silao gibt es noch eine zweite Gedenkstätte für den Italiener Felice Bonetto, gleich beim Haus, in das er am 21. November 1953 prallte, als er mit seinem Lancia D24 während der Carrera Panamericana mit etwa 200 km/h von der Strecke abkam und tödlich verunglückte. Begraben ist Bonettp auf dem Friedhof Monumentale in Mailand; sein Herz allerdings, sagte der mexikanische Doktor, der die Obduktion durchführte, müsse in Mexiko verbleiben, es sei ein gutes, starkes.

Als Felice Bonetto am 9. Juni 1903 in Manerbio bei Brescia zur Welt kam, deutete wenig darauf hin, dass er einer der grossartigsten, beliebtesten Rennfahrer überhaupt werden würde. Sein Vater war Eisenbahner, im Gegensatz zu den meisten anderen seiner Kollegen auf der Rennstrecke kam er also nicht mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt. Bonetto begann mit 17 Jahren auf zwei Rädern, durchaus erfolgreich (aber das war jeder, der es damals überlebte) – und es sollte weitere 11 Jahre dauern, bis er 1931 sein erstes Autorennen bestritt, Bobbio – Penice, dies auf einem Bugatti, einem längst veralteten Gebrauchtwagen. Es gewann dort ein gewisser Enzo Ferrari auf einem Alfa Romeo, für den es gleichzeitig das letzte Rennen war. So richtige Fortschritte machte seine Karriere danach aber nicht, Felice, der Glückliche, hatte zu wenig Geld für konkurrenzfähiges Rennmaterial. Und dann kam der 2. Weltkrieg.

1949 dann wurde er bei der Mille Miglia Zweiter auf einer Ferrari 166 MM Barchetta von Touring (016M) – ganz einfach deshalb, weil er zur Halbzeit in Rom noch souverän geführt hatte. Und jener Fahrer, der in Rom vorne war, die Mille Miglia nie gewinnen konnte. Er fuhr damals hauptsächlich für Cisitalia, wurde um sein Honorar betrogen, kultivierte dabei aber einen Fahrstil, der das Publikum begeisterte, mehr quer als geradeaus, aber immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht – und einer Zigarette oder eine Pfeife im Mund. In der Formel 1 schaffte es Bonetto zweimal aufs Podium, 1951 auf einem Alfa Romeo beim Grossen Preis von Italien, 1953 beim Grossen Preis der Niederlande auf einem Maserati. Seinen grössten Sieg holte Felice Bonetto 1952, als er mit einer Lancia Aurelia B20 die Targa Florio gewinnen konnte. 1953 schaffte er auf einem unterlegenen Lancia D20 noch einen dritten Rang bei der Mille Miglia.

Die Carrera Panamericana, der letzte Lauf zur Sportwagen-Weltmeisterschaft 1953, hätte sein Rennen werden können. Zwar war er schon über 50 zu jenem Zeitpunkt, doch Bonetto war in der Form seines Lebens. Seine Teamkollegen waren Juan Manuel Fangio, Piero Taruffi, Giovanni Bracco (alle auf einem D24) und Eugenio Castellotti (D23). Bonetto gewann die erste Etappe vor Taruffi, war auch nach der vierten Etappe in einem epischen Duell mit Taruffi noch vorne. In Silao kam Taruffi von der Strecke ab, obwohl das Lancia-Team die Kurve noch als gefährlich gekennzeichnet hatte, was Taruffi im dichten Nebel aber nicht sah. Kurz darauf kam Bonetto, viel zu schnell – und schlug einige Meter neben Taruffi in die Terrasse eines Hauses ein. Er war auf der Stelle tot. Teamleiter Gianni Lancia wollte sein Team sofort aus dem Rennen nehmen, doch die Team-Kollegen von Bonetto konnten ihn überzeugen, dass dies sicher nicht im Sinne von Bonetto wäre. Lancia holte einen legendären Dreifach-Sieg, Fangio vor Taruffi und Castellotti.

Felice Bonetto trug den Übernamen «Pirat». Mit seinem aussergewöhnlichen Fahrstil, der jenen der späteren Rallye-Fahrer vorwegnahm, galt er auf der Rennstrecke als höchst unangenehmer Gegner, er bremste später als alle anderen, er liess keinen Zweikampf aus. Und blieb dabei immer extrem fair – und bester Laune. Für die Italiener war er ein Held, auch deshalb, weil er nicht aus bester Gesellschaft stammte, keine Massanzüge trug, oft mit unterlegenem Material ganz vorne mitkämpfte, sich nicht zu schade war, beim lokalen Bergrennen in einem Fiat Topolino an den Start zu gehen für ein paar Lire Preisgeld für den Klassensieg. Wahrscheinlich hatte der mexikanische Doktor recht: Das Herz von Felice Bonetto war etwas ganz Besonderes.

Es ist dies eine «related»-Story zur Sportwagen-Weltmeisterschaft 1953. Mehr schöne Geschichten haben wir in unserem Archiv.

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