Lebensfreude
Selbstverständlich habe ich den besten Job der Welt. Ich darf den ganzen Tag was mit Autos, ein bisschen Bildchen suchen von Klassikern, hoffentlich unterhaltsame Geschichten recherchieren, dann und wann fahre ich ein neues Fahrzeug um ein paar schöne Ecken. Und Testwagen kriege ich auch noch. Ok, nicht von allen Herstellern/Importeuren, aber ich will ja auch beim besten Willen nicht in einem Mercedes rumsitzen. Aber es gab da schon lustige Situationen vor meiner bescheidenen Hütte, #radical14:

Was es auch gibt: Mindestens einmal im Jahr eine Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio. Die wurde zum Modelljahrgang ja wieder einmal ein bisschen aufgefrischt, aber bitte fragt mich jetzt nicht, was da neu und so ganz grossartig sein soll: ich weiss es nicht. Es interessiert mich auch nicht, denn die Giulia, Typ 952, hat als Quadrifoglio seit ihrer Markteinführung 2016 eine ganz andere, viel wichtigere Qualität: Sie zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Immer, wenn ich sie sehe, dann freue ich mich. Aufs Fahren, darüber, dass es solche Automobile noch gibt. Viele solche Fahrzeuge gibt es nicht mehr, der Porsche 911 ist längst ins Reich der Absurditäten entschwunden, zu feist, viel zu teuer, die Ferrari kann ich nicht mehr voneinander unterscheiden, die einst coolen «hot hatches» sterben aus genau wie die bösen Abarth. Gut, da ist immer auch mein bald 20-jähriger Defender, doch da lächle ich aus anderen Gründen.



Die Giulia ist nicht perfekt, war sie nie, wird sie nicht mehr werden. Das Infotainment ist zwar besser als auch schon, aber der Touchscreen ist winzig, die Bedienung eher mühsam; dem Cockpit sieht man halt an, dass es schon so manches Jahr auf dem Buckel hat. Und es ist vielleicht einfacher, wenn für die Navigation das Smartphone verwendet; bei den Assis, immerhin, haben die Italiener aufgerüstet, ohne dass diese aber dauernd eingreifen und nerven. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind die Verarbeitung und die verwendeten Materialien auf einem hohen Niveau (das hat man bei Stellantis besser im Griff als bei den meisten (deutschen) Konkurrenten), was nach Carbon aussieht, ist keine billige Plastik-Kopie. Ich habe die Sitze schon immer geschätzt, keine Schraubstöcke, sondern auch auf der Langstrecke komfortabel. Hinten ist für die Grösse des Automobils (4,64 Meter, Radstand 2,82 Meter) erstaunlich wenig Platz, dafür ist der Kofferraum mit seinen 480 Litern Volumen absolut tauglich. Aber eben, das ist alles irgendwie unwichtig, die Giulia kann, was ein modernes Automobil können muss, manches besser, anderes nicht so. Und optisch gefällt sie mir halt immer noch, die Italienerin. Eine ganz klassische Limousine – und in ihrer sportlichsten Variante deutlich zurückhaltender als alles von AMG, M GmbH und RS. So in etwa so unterschiedlich wie Sophia Loren und Pamela Anderson, auffällig zwar, aber dabei doch elegant.



Zwar haben die Italiener anscheinend für den neuen Modelljahrgang noch ein paar PS gefunden, 520 sollen es nun sein. Aber ich hab das Gefühl, dass dafür die Geräuschentwicklung im Leerlauf etwas gedämpft wurde, das böse Knurren des 2,9-Liter-V6 scheint mir nicht mehr ganz so grimmig, wohltuend wie auch schon. Aber dafür kann man durchaus Verständnis haben, Alfa Romeo hat da in der Vergangenheit ja manchmal Gewitterstürme entfacht, wir erinnern uns an den 4C, die ganze Vorstädte geweckt haben. Der Sound ist aber immer noch bestens, kein proletarisches Geballermann wie bei den Benzen, ein paar Tonlagen tiefer als bei den BMW M3/M4. Mühsam ist, dass den Motor starten muss, den Gang einlegen, dann noch die Handbremse lösen, in genau dieser Reihenfolge, sonst geht gar nichts; es geht dann auch ein ziemlicher Ruck durch die ganze Kiste. Und der Wagen hoppelt bei langsamen Manövern mit kalten Reifen schon komisch durch die Gegend. Egal.

Sie kann dann halt beides, die Giulia. Friedlich einhergleiten, angenehm ruhig, durchaus komfortabel. Etwas, was man beispielsweise mit einem BMW M3 nicht kann, der funktioniert eigentlich nur mit dem Messer zwischen den Zähnen, dann ist er grossartig, ein Skalpell. Doch im Alltag, der halt etwa 95 Prozent unseres Lebens ausmacht, ist der Bayer zu hart, zu grob – das wahre Leben kann der Alfa deutlich besser. Und ob er jetzt am Pass, auf dem Track langsamer ist ein M3, das kommt wohl stark auf die Vorlieben des Piloten an. Mir taugt die Italienerin perfekt, der Hecktriebler mit seinem elektronisch gesteuerten Sperrdiffential lässt sich so fahren, wie wir alten Männer es halt gelernt haben: Sauber ist schnell. Und weil die Giulia einfach die beste Lenkung der Welt hat, ist sie wunderbar einfach zu dirigieren – und auch zu beherrschen. Weil sie halt auch «nur» 1735 Kilo wiegt. Kommt das Heck, dann braucht es nur eine minime Gegenbewegung, dann ist sie wieder auf Kurs. Die Bremsen sind auch hervorragend, ausgezeichnet dosierbar; der BMW kann das vielleicht noch ein bisschen heftiger, doch da hat man oft das Gefühl, man fahre in eine Wand. Dafür tönt der Alfa viel, viel besser, wenn man ihn da gegen die 7000/min drückt – es ist eine akustische Wonne. Die auf künstliche Fehlzündungen verzichten kann. Auch das automatische 8-Gang-Menu wird perfekt serviert, kurze Schaltzeiten, saubere Anschlüsse. Am besten schmeckt es natürlich handgezupft, wenn man die 3/4-Ferrari-Maschine immer schön zwischen 3500 und 6000/min hält.





Es gibt da mir in der Nähe diese ehemalige Bergrenn-Strecke. Unten noch lange, weite Kurven, gegen oben wird es enger, teilweise eckig. Die Gasse ist relativ schmal, der Belag ist richtig schlecht; die Rennleitung steht da nie, sie kann sich gar nicht vorstellen, dass es allenfalls zu Geschwindigkeitsüberschreitungen kommen könnte. Und der Alfa liebt genau solches Geläuf, er ist ja auch nicht so breit – und er ist deutlich weicher gedämpft als die bretterharten Teutonen. Im Vergleich mit dem BMW M3 Kombi, letztes Jahr immerhin unser «Auto des Jahres», macht es die Giulia auf dieser zugegebenen fiesen Strecke aber so viel besser, dass es fast peinlich ist. Sie hat ihre Räder eigentlich immer am Boden, während der M3 von Verwerfung zu Schlagloch hüpfte, auf der Bremse nicht immer souverän war, in der Biegung doch manchmal auf die Lenkung zurückschlug. In der Giulia ist man richtig schnell, ganz locker, lächelnd, da kann auch ein 911er nicht mithalten. Ein ganz persönliches Gefühl, ich habe dann auch die Stoppuhr nicht dabei, aber jene Gasse kenne ich richtig gut, da fahre ich mit jedem Dings mit mehr als 100 PS. Und nein, das ist ja alles nicht Renntempo, aber gepflegtes, flüssiges Vorankommen.




Bewegt man die Giulia innerhalb der gesetzlichen Vorgaben, dann schafft sie das mit etwa 8 Litern/100 km. Spielt man ein bisschen mit dem Fahrmodus-Schalter (d ist die richtige Wahl) und freut sich dann und wann über den Sound, dann wird es dann schnell zweistellig. Aber das ist immer noch ganz ok, wer sparen will, kann sich ja einen Dacia Spring anschaffen. Mit einem Grundpreis von 105’900 Franken ist der Alfa im Vergleich zu Konkurrenz konkurrenzlos günstig. Und wer noch ein bisschen mehr Lärm braucht sowie engere Sitze und die ganz bösen Renn-Bremsen, der kann sich den «Competizione» bestellen, der ist dann bei 133’900 Franken. Empfinden wir als einigermassen unnötig, der «normale» Quadrifoglio reicht völlig. Nächstes Jahr werden wir dann sicher auch noch den neuen Modelljahrgang fahren, doch für 2026 muss man dann mit der Neuauflage rechnen, auf der grossen STLA-Plattform von Stellantis, also auch elektrisch. Günstiger wird das dann wohl eher nicht. Dabei ist das, was das vierblätterige Kleeblatt am besten kann, mit Geld ja gar nicht zu bezahlen: Lebensfreude.





Mehr feine Wagen haben wir in unserem Archiv.
Supi!
Die Giulia von Alfa Rome, ist das einzige neuere Auto, welches ich von 2017-2024
kaufen würde. ( auf dem ersten Bild sind einige Kübel, bitte stellen Sie die extra
wo hin, weil die eine Beleidigung für die Guten und coolen sind sind, forget it..)
Die handgeschaltete V-6 Schönheit ist ein Traum.
Keine Frage.
Eine Etage drunter, der olle Diesel. Und der ist nicht schlecht (klingt wie raubatz 5 Zyl
aus bester Ford 2.3 5 zyl-Zeit.. liegt gut am Getriebe.. gut.) Mit meinem Alfa Hausmechaniker ( er wird nervös..) die Idee, den nehmen und Busso V-6 2,5er rein.
Das Auto, der Motor.. na ja. Und halt alles weg bauen, was den Spaß behindern würde. Der neue Giulia 2026 ist leider ein kleiner Horror.. Ein Audi A6 mal irgend was mit Scudetttto.. Marketing.. Zielgruppe.. kein Herzblut.. egal. hab 4 alte Alfas..
LG 🙂