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Fahrbericht MG3 Hybrid+

Ein klein wenig Unvernunft

Sie werden quasi täglich seltener, die Fahrzeuge, die weniger als 20’000 Franken/Euro kosten. Das ist insofern etwas wunderlich, weil doch die Kaufkraft in Europa auch quasi täglich geringer wird. Aber der Shareholder verlangt halt Margen von 20 Prozent plus, sonst kann sich die Plüschetage der jeweiligen Hersteller gleich bei der Putzequipe anmelden – und fettes Geld lässt sich mit kleinen Autos halt kaum mehr verdienen, Ausnahmen wie Dacia bestätigen wohl ganz einfach eine Regel. Dass das immer kleiner werdende Angebot der etablierten Hersteller allerdings den so verhassten Chinesen ein riesiges Eingangstor zu den europäischen Märkten öffnet, ist dann eine logische Folge – genau wie das darauf folgende, typische Gejammer über billige Arbeitskräfte, Subventionen durch den Staat, die alte Leier.

Einer der chinesischen Hersteller, der die Einladung dankend angenommen hat, ist MG, eine Tochter des Riesen SAIC. Mit dem rein elektrischen MG4 kämpfen sich die Chinesen in Europa langsam an das Podium heran, in den ersten fünf Monaten des Jahres 2024 konnte sich die Marke schon von 46’796 auf 59’073 verkaufte Fahrzeuge steigern. Selbstverständlich liegt das auch an den Kampfpreisen, aber es ist nun halt mal einfach so, dass sich nicht alle Käufer eine S-Klasse leisten können und wollen. Und MG geht seinen Weg unbeirrt weiter, noch diesen Sommer kommt der Cyberster, der erste rein elektrische Roadster, der zwar kaum die grossen Verkaufszahlen bolzen, aber sicher positiv aufs Image-Konto einzahlen wird. Vor allem aber kommt mit dem MG3 ein Kleinwagen, der sowohl preislich wie auch technologisch interessant ist.

Es verblüfft vor allem eine Zahl: 194 PS Systemleistung. Die schafft der 4,13 Meter lange über einen 1,5-Liter-Benziner mit 102 PS sowie einem 136 PS starken E-Motor, der auf kurzen Strecken auch allein den Vortrieb übernehmen kann. Vor allem aber soll der Strom dabei helfen, Benzin zu sparen – und die Fahrleistungen zu verbessern. Das klappt bei diesem Vollhybrid so gut wie bei seinem Vorbild, dem allerdings deutlich schwächeren Toyota Yaris: Man merkt eigentlich keine Übergänge von Elektro zu Verbrenner, auch die Schaltvorgänge der Dreistufen-Automatik sind kaum spürbar, das lächerliche Gewinsel eines CVT-Getriebes bleibt den Insassen des MG erfreulicherweise erspart. Die Batterie ist mit 1,83 kWh Kapazität zwar klein, viel rein elektrisches Fahren liegt da nicht drin, aber es erscheint uns eine gute Mischung aus Verbrauchszügler und Powerboost. Und ja, er geht mit Strom wirklich ganz flott, die angegebenen 8 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h scheinen realistisch. Und 1285 Kilo Leergewicht sind eine gute Ansage, damit muss man heute zufrieden sein.

Es ist dieses kleine bisschen Unvernunft, das den MG3 Hybrid+ in seinem Segment aussergewöhnlich macht. Ein Renault Clio mit Vollhybrid kommt auf 145 PS, ist aber weit weniger souverän in seiner Leistungsentfaltung, die stärkere Hybrid-Version des Toyota Yaris muss sich mit 130 PS begnügen und verkommt im Vergleich zum Chinesen fast ein bisschen zur Schnecke. Im Chinesen kommt dagegen fast so ein bisschen Fahrspass auf, auch wenn das Fahrwerk jetzt nicht über jeden Zweifel erhaben ist, etwa von der Lenkung zu wenig Rückmeldung kommt. Während andere chinesische Hersteller ihre nicht wirklich vorhandenen Abstimmungsqualitäten gerne mit einer ausgesprochen komfortablen Auslegung zu kaschieren versuchen (zumindest bei den E-Autos), ist der MG3 eher auf der sportlichen Seite, manchmal, auf schlechten Strassen, sogar etwas ruppig. Aber damit kann man gut leben, es macht sogar Freud, den Chinesen in die Nähe seines Grenzbereichs zu bringen, dann verhält er sich so, wie man sich das früher von frontgetriebenen Kleinwagen gewohnt war, schiebt über die Vorderräder, zerrt beim Herausbeschleunigen aus der Kurve an der Lenkung. Man kann ihn da fast ein bisschen mit dem Ford Fiesta vergleichen – noch so ein Kleinwagen, den es nicht mehr gibt.

Innen, ja, da ist viel Plastik. Und die ganze Geschichte wirkt etwas zerklüftet. Es gibt zwei grosse, gut einsehbare Displays, es gibt weiterhin physische Schalter, es gibt keine Denkfehler bei der Bedienerlogik. Und hat MG hat schon ins Basis-Modell reichlich Ausstattung gepackt, den adaptiven Tempomat, zum Beispiel, gibt es andernorts nur gegen Aufpreis. Apple CarPlay und Android Auto laufen auf Anhieb, es gibt eine kabellose Ladeschale und trotzdem noch vier USB-Ports – und gefühlt 100 Ablagen. Hinten sitzt man nicht schlechter als bei anderen Fahrzeugen dieser Grösse, der Kofferraum fasst von 241 bis fast 1000 Liter mit abgeklappten Rücksitzen. Keine Gardemasse, aber auch rein gar nichts falsch gemacht.

Und dann kommen wir zum Punkt: In der Schweiz ist der MG3 Hybrid+ ab 18’990 Franken zu haben, in Deutschland ab 19’990 Euro. Der Toyota Yaris kostet mit deutlich weniger Ausstattung mindestens 23’400 Franken (Deutschland: 25’500 Euro), der Renault Clio sogar 24’500 Franken (23’400 Euro). Das ist natürlich ein Brett, vor allem auch deshalb, weil der Chinese in keinem Bereich hinter diesen genannten Konkurrenten zurückstehen muss – und mit Abstand am meisten Fahrspass bietet. Er wird im Test beweisen müssen, dass er auch wirklich in die Nähe der vom Werk genannten 4,4 Liter/100 km Verbrauch kommen kann – bei unserer wahrhaft nicht zimperlichen ersten Ausfahrt zeigte der Bordcomputer am Ende 5,1 Liter an. Während also andere Hersteller sich aus dem Segment zurückziehen oder zumindest die weitere Entwicklung ihrer Fahrzeuge eingestellt haben, beweisen die Chinesen mit dem MG3 Hybrid+, dass günstige, vernünftige, sogar spassige Kleinwagen durchaus eine Zukunft haben. Danke dafür.

Andere Chinesen haben wir in unserem Archiv. Wir fuhren den MG3 Hybrid+ im Rahmen einer Veranstaltung von #gcoty.

5 Kommentare

  1. maxi moll maxi moll

    Danke für den Test!
    Der hat knapp verloren. ( Nachwuchs erstes Car..)

    Warum die Industrie, hier in Europa ihren Kern Skill Auto 4Meter Länge,
    oder Kompaktwagen, so sträflich mit selbstzerstörungswütiger Dummsicht
    betreibt? Wh. weil in jedem Konzern 10.000 Arschbacken, die 5000 Brieftaschen
    tragen, also die Creme der Abgreifen und Mit Entscheider und in die Sackgasse

    Der Mg hat knapp gegen einen gebrauchten Mini One 13 er verloren.
    ( später zum E-mini.. resto moto.. )
    Was bei dem Chinesen und bei ( außer dieses Zielrahmens) BYD SEAL
    gefällt, dass die fixe Quali haben. Und das wiederholen, was sie beim
    Smartphone vormachen.
    Ich möchte nicht abschweifen, aber der BYD Seal geht besser wie ein teslää
    ist schöner gezeichnet und solider. Und mit etwa drehen an der Normalschraube,
    würde der mit 100 kw und 1300 Kilo den BMW 316i Efekt von 1993 auslösen.
    ( 21,900.-) all in
    Ist andere Baustelle, aber der ist neben dem Polestar auf meinem Radar, wenn Limo.
    WO ISER DER NEW BMW E 3-1-6-I ???
    Der MG ist ordentlich. Den mit 70 kw E und 1000 Kilo unter 19.000 und er räumt ab.

    Und das kann Fiat net? Oder Opel? Oder Volchswoogen?..
    Und Peugeot mit dem 208 er– den leichter und knackiger.
    Das 50-70 kw Segment. Wer das hat. Der wird den Markt haben.
    LG 🙂

    • Max Max

      Sind doch auf der Website von BMW zu finden.

      21900 nach 20 Jahre mit 2,5 Prozent Inflation macht 36000.

      Für 20000 kriegt man halt weniger Auto heute.
      Aber etwas mehr als dies könnte es schon sein.
      https://microlino-car.com/de-ch/microlino

      Herr Ruch, wollen Sie den nicht mal testen. Allein weil er aus der Schweiz kommt?

      • Peter Ruch Peter Ruch

        Nein. Furchtbare Menschen, die da dahinterstehen.

        • Max Max

          OK, das kann ich nachvollziehen.

          Trotzdem ein Wunder, das er zu kaufen ist, nach all dem Gezerre mit Artega und was jetzt bei Electric Brands passiert. Und bei sonstigen Elektro-Startups.

  2. Christian Christian

    Warum sollen die Chings so etwas nicht können? „Abkupfern“ konnten auch andere Hersteller vorher.
    Wahrscheinlich macht die Rodel schon Spass – bei 194 PS und 1285Kg ergibt sich ein Leistungsgewicht von 6,6Kg/PS. Das erinnert mich an meinen geliebten Fiat UNO TURBO Racing i.e. Ein wenig leichter als Serie und von Novitec behutsam getunt: 125 PS bei 850 Kg => 6,8Kg/PS – nie mehr hat Autofahren so viel Spass gemacht, 11 Jahre lang, bis mir so ein „Dödel“ hinten voll reingeknallt ist! Gut, ich war jung… kein ABS, kein Airbag, keine el. Fensterheber, keine Klimaanlage, kein ESP, keine Anfahrhilfe – nur ein hartes Fahrwerk und 4 bissige Scheibenbremsen (innenbelüftet), Ladeluft- und Ölkühler und Turbo! Mit 22 gekauft und die Kohle (damals 25 000 DM) bar auf den Tisch gelegt. So gesehen, kein schlechtes Angebot, was die Chings da machen. Nur die Fahrfreude kann man sich heute nicht mehr kaufen…

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