Fomo
Auch heuer wurden an der Monterey Car Week wieder eine ganze Reihe von neuen Hypercars vorgestellt (eine unvollständige Übersicht gibt es hier). Man könnte meinen, dass es jetzt dann reicht, dass alle Milliardärinnen ihren Koenigsegg, Pagani oder Rimac haben, dass man/frau das Geld auch für G‘scheiteres einsetzen könnte als für technisch teilweise briliante Gerätschaften, die dann aber eh selten bis meist gar nie bewegt werden. Das Gegenteil ist der Fall, sagen zwei bekannte amerikanische Händler, mit denen «radical» nach Monterey in aller Ruhe gesprochen hat: das wird noch heftiger.
Fomo, «fear of missing out», die Angst, etwas zu verpassen, ist unter Jugendlichen ein bekanntes Phänomen. Es führt zu teilweise extremen Abhängigkeiten von den bekannten social-media-Kanälen, man muss dauernd online sein, weil man sonst etwas vielleicht nicht mitkriegt, neue Filme, Modetrends, die Trennung der besten Freundin. Ganz genau dieses Phänomen gibt es unterdessen auch unter sehr betuchten Mitbürgern, wenn auch in etwas anderer Form: die Angst, nicht mehr auf den entsprechenden Listen zu stehen. Wenn nun also, sagen wir einmal Pagani, eine neue Kleinstserie von 12 Exemplaren auf den Markt bringen will, dann fragt Pagani zuerst seine 12 besten Kunden, ob sie so ein Ding haben wollen. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle «ja» sagen, die ist gross, man will ja weiterhin zu den 12 besten Pagani-Kunden gehören, sich vielleicht noch hocharbeiten, wenn es dann mal nur sechs Stück gibt. Sagt man «nein», dann wird man bei der nächsten Sonderserie mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht mehr gefragt, denn ab Platz 13 warten die Hyänen, die auch ihre Grossmutter und zwei adoptierte Kinder verschachern würden, um weiter nach vorne zu kommen. Preis: völlig egal.
Pagani, Koenigsegg, Rimac sind gute Beispiele, da sind die Gründer bekannte Persönlichkeiten, ein Schulterklopfen von Christian von Koenigsegg in Quail gilt als Ritterschlag für eine gewisse Klientel, insbesondere dann, wenn das Bild auch noch über social media verbreitet wird, da wird der erfolgreiche IT-Milliardär zum Groupie. Newcomer wie Kalmar (Bild ganz oben, haben wir uns nach der Show genauer anschauen können) oder Eccentrica müssen sich diesen Status erst noch erarbeiten, aber es gibt Listen von jenen, die bei anderen Hypercar-Herstellern auf Platz 13 bis 96 stehen, da kann man sich allenfalls einen neuen Kultstatus erarbeiten; potenzielle Kandidaten gibt es anscheinend reichlich, gerade aus Entwicklungsländern. Bugatti, übrigens, wird von dieser Klientel nicht wirklich ernst genommen, da standen zu Beginn auch besonders gute VW-Kunden ganz oben auf der Liste, das Spiel machte keinen Spass; beim neuen Tourbillon war man nun anscheinend etwas vorsichtiger. Unter den Käufern des Mercedes-AMG One sollen sich dagegen diverse Fuhrunternehmer befinden.
Ganz oben in dieser Nahrungskette befindet sich aber, wieder einmal, Ferrari. Die Italiener haben das Auswahlverfahren, wer überhaupt in die Kränze kommen könnte, seit Ende der 80er Jahren professionalisiert. Beim F40 merkten sie, dass sich die Begehrlichkeiten multiplizieren lassen, wenn man weniger Fahrzeuge baut, als der Markt will. Das hat unterdessen eine Form von Perversität erreicht, die absolut einmalig ist. Nur schon, wer einen dieser unsäglichen Purosangue will, der nun wahrlich Massenware werden wird, muss sich mit dem Kauf anderer Modelle qualifizieren. Geht es um die Kleinserien, dann muss man zum ganz exklusiven Kreis gehören, der auch sonst ein paar Millionen im Jahr in die Ferrari-Kassen verpulvert, gern in einem Renn-Programm; eine Restauration im höheren siebenstelligen Bereich bei Ferrari Classiche kann da auch helfen, ist aber keine Garantie. Erst kürzlich hat sich ein noch junger Erbe bereit erklärt, in seinem nicht gerade kleinen Land ein Ferrari-Händlernetz aus dem Boden zu stampfen, samt Einrichtungen an bester Lage, damit er einen Slot für ein gar nicht so seltenes Modell erhielt (ja, wir wissen um wen und um welches Fahrzeug es sich handelt). Die beiden amerikanischen Händler gehen übrigens davon aus, dass es in sehr naher Zukunft bei Ferrari einen massiven Preissprung geben wird, bei speziellen Modellen wohl eine Verdoppelung; sie stehen beide auf der Top-10-Liste der Italiener.
Und natürlich ist da mehr als nur das Automobil. In Pebble Beach, zum Beispiel, gab es die Casa Ferrari, etwas abseits vom grossen Trubel. Etwa 500 Menschen erhielten den entsprechenden Badge, eine Begleitperson, pets allowed, aber no kids. Man konnte dann anständigen Espresso schlürfen oder amerikanisch verkochte Pasta geniessen unter Sonnenschirmen und seinesgleichen. Wer nun schon 15 Ferrari sein Eigen nennt, aber trotzdem nicht eingeladen wurde, sollte sich ernsthafte Gedanken über seinen social score und seine Kreditwürdigkeit machen. Oder hat vielleicht ein Sondermodell zu früh verkauft, das sieht man in Maranello nämlich gar nicht gern, das kann dann zur sofortigen Disqualifikation führen. Aber dortseindürfen, gesehenwerden, anerkanntsein, das war noch für manch einen Kunden Daseinszweck. Man darf davon ausgehen, dass diverse Verträge für sonst nicht einfach verkäufliche Fahrzeuge unterschrieben wurden, noch vor dem Mittagessen. (Bilder unten: Mitbringsel der geladenen Gäste vor der Casa Ferrari.)
Einen etwas anderen Weg geht GMA, Gordon Murray Automotive. Da wurden zwar auch zuerst die Besitzer eines McLaren F1 gefragt, ob sie einen T.50 haben wollen. Dann, weil manch ein F1-Eigner nun halt so etwas betagter ist und nicht mehr so viel Wert legt auf gute Rundenzeiten, ging Murray seine persönliche Liste durch von Menschen, von denen er wusste, dass sie sein Meisterwerk auch tatsächlich angemessen bewegen können, nicht einfach in eine klimatisierte Halle stellen. Eine edlere Auszeichnung, als von Gordon Murray als guter Autofahrer bezeichnet zu werden, kann es eigentlich gar nicht geben. Gut, das kostet dann immer noch richtig viel Geld, aber das kostet das Schulterklopfen von Christian von Koenigegg auch. Oder die «Nebenkosten» für den dämlichen Purosangue.
Noch etwas ist bei der Hypercar-Kundschaft anders: Während die bekannten Klassiker-Sammler gerne diskret sind, zeigt man sich gerade in den USA schon gerne in der Öffentlichkeit mit seinem Koenigsegg oder Pagani. Und lässt sich nicht ungern von den Car-Spottern ablichten. Man zeigt, was man hat. Auch wenn das dann manchmal etwas dämlich ist, beim typischen Friday Night Cruisin’ in Carmel steht man eigentlich nur im Stau. Da ist dann auch der Hypercar nicht schneller. Und wenn beim Koenigsegg-Ausflug 20 Stück hintereinander herfahren, dann ist das mit der Exklusivität dann halt auch irgendwie am Hintern.
Andere schöne Geschichten gibt es im Archiv.
Perversion. ????????
Wie meinst Du das?
Geht es nur mir so. Immer wenn ich ein Bild des Purosangue sehe denke ich: Mazda
Die Reichen (alt- und neureich) und Schönen, die man früher „Jet Set“ nannte, faszinieren und stossen zugleich ab, das macht eben den Reiz dieser Personengruppe aus. Wer schon alles hat, wird seine Sehsüchte immer auf die nächste Luxus-Attraktion lenken und begierig danach greifen. Exzessiver Konsum spendet Lebenssinn und keine Strahlen wärmen so wohltuend wie die Sonne der Bewunderung durch andere. Solange es Leute gibt, welche das Spiel der Hersteller mitmachen, bleibt das so – und ich bin sicher, es wird noch lange so bleiben. Ich betrachte solche Hyperreichen mit ihren Hypercars, Hyperhunden, Hyperpferden, Hyperuhren, Hyperurlauben und Hyperjachten (mit schönem Gruss vom Meeresgrund von der Bayesian!) amüsiert, wie spezielle Tiere im Zoo. Etwas Buntheit und Extravaganz darf sein, sie macht das Leben reizvoll. Aber ernst nehmen sollte man solche Menschen nicht. Na ja, doch ein bisschen schon. Denn mit ihrem Hyper-Konsum halten sie ihre Hoflieferamten auf Trab und sichern immerhin Arbeitsplätze in Nischenunternehmen. Darum freue ich mich auch, auf radicalmag solche Berichte zu lesen, deren Autoren den Grundsatz von gutem Journalismus befolgen: dabei sein, ohne dazu zu gehören…
JA, die Adabei`s gab`s immer und wird es immer geben. Und auch die, die immer noch obendrüber sein wollen und immer noch einen „größeren“ haben wollen und sich das auch Leisten können.
Allerdings sind diese „Rodel“ heute alle ziemlich gleich und uniform – so der richtige „Kracher“ fehlt irgendwie. Aber wie im alten Rom, irgendwann ist man (und frau auch) dieser Sachen überdrüssig und es werden andere „Spielsachen“ gesucht und gefunden – siehe auch hier die Dekandenz des alten Roms.
Sicher geben diese Leute viel Geld aus und viele, andere Leute leben recht gut davon. Schade sind allerdings zwei Dinge. 1. Leute, die sich das alles „leisten“ können haben das viele Geld meißt nicht selbst verdient, oder schlimmer, sich auf illegale Weise angeeignet. Weiterhin dürfte es so sein, dass in unserer heutigen Zeit, viele dieser „Kunden“ keine Steuern zahlen oder sogar nie gezahlte Steuern zurückbekommen, weil unsere …. zu blöd sind. Aber lassen wir das, das war auch schon immer so und wird so bleiben – das ist der Mensch. 2. Mit einer großzügigen Spende in der Höhe des Gegenwertes eines solchen „Koffers“ könnte viel Not und Elend in gewissen Bereichen gelindert werden. Aber, siehe 1. – der Mensch denkt zuerst an sich.
Aber, danke für den Artikel, ich schau mit die „Kisten“ an, selten dass mich da etwas reizt, aber es gehört halt doch auch irgendwie zum (Auto)Leben. Und tröstlich, dass Sie Herr Ruch sich nicht zum „Hofnarren“ dieser Hersteller machen, wie z.B. die AMS, wo es nur noch zum fremdschämen ist, wenn ich diese Lobhudeleien lesen muss! Bleiben Sie sich treu und ich Ihrer Seite auch!
… ja, Sie sagen es, Lobhudeleien… Zahlreiche Publikationen leben vom unreflektierten Zurschaustellen der High-Society-Vergnügungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Auf dass auch die Normalos beizeiten durch das Schlüsselloch einen staunenden Blick auf die Welt von Pracht, Protz und Selbstgefälligkeit erhaschen dürfen.
Ein kürzlich in Magazinform neu aufgelegtes und dabei ziemlich selbstbewusst eingepreistes, früheres schweizerisches Automobil-Traditionsblatt („seit 1906)“ beherrscht diese auch sehr gut. Ich hatte nach den grossartiges Ankündigungen ziemlich hohe Erwartungen, aber was da kam und seitdem kommt, ist das Geld nicht wert. Da war z. B. ein Bericht über eine Tour mit dem Ineos Grenadier zu lesen, jeder Lokalzeitungs-Report über ein Sommerlager der Jungwacht-Blauring ist spannender.
Alles was wir hier schreiben, würde von der einschlägigen Klientel nur als Sozialneid abgetan. Mir fällt da dieser ehemalige Auto-Aufkleber „Eure Armut kotzt mich an“ ein.
Neid ist mir fremd, viel Geld hätte ich trotzdem gern, allein weil es Freiheit bedeutet.
Ich würde es aber nicht so sinnlos verprassen und in dieser Fake-Community mitmischen.
Man sehe sich nur mal die Bentley-Website an (Bentley, das sind diese Billiggurken, die man vielleicht benutzt, wenn man mal zum Friseur muss), da fährt ein geschniegelter Herr vor einem übergroßen, übermodernen Haus vor, in dem gerade eine Party mit schönen Menschen steigt. Mich zieht da nix hin, da laufe ich lieber mit meinen Hunden einen einsamen Strand entlang.
Hut ab vor dem nicht gerade verarmten Michael Schumacher, der sich nie um so etwas geschert hat und lieber auf seiner Ranch blieb.
„Was wären die großen dieser Welt ohne Zuschauer“!
Danke Herr Ruch für die schönen, informativen und doch hintergründigen Beiträge.
San Remo
Wie alles ist alles mit allem verschränkt!
Die Berichterstatter Presse, die berichtet. Influenza.. ( eig Krankheit..na ja)
Und Hersteller die machen.
Dazwischen hast du Begehrlichkeiten, die sich verzerren.
Das SUV wurde nicht von mir oder 80% der Kunden erfunden.
Ein genialer Marketing Schach—–zug. ( drive me to hell)
Sonnst würde das leidige Thema, Thrombosen verstopfen
die Straßen ( SUV) nicht existieren. Und dann wird der Markt,
der immer größer wird, der auch affektierte Kunden beinhaltet,
auch jene, die schon ewig da sind und immer alles besser wissen,
ABER NICHT FÄHIG SIND FÜR EINEN ZEICHENSTRICH ZU FORMEN.
( sie würden für das Gekrakle wh umgehen in eine Geschlossen gehen)
Sie berichten von den oft Schönen und Seltenen.
Und vom Abfall. Der Abfall finanziert die Schönen und Seltenen.
Und der, die neue Märkte der schreit nach großen auffälligen Last Kraft wagen.
Den Purrresangue, wenn er nicht mehr gefragt. den hol ich mir.
ER wird zerschnitten und zerlegt. Bis zum Kern, der Ihn ausmacht.
Der V12 und der Antrieb. Und 500 Kilo leichter.
Oder können wir uns das nicht vorstellen?
dann bist DOA. Beilied.
Das Auto, das war ist tot. Lang lebe das Auto.
80% Augenkrebs manchmal was Schönes.
Wie unsere Seele das aushält?
Und sind wir wieder bei den Nudeln, die ein User hier mal zitiert hat.
Der Mensch mag LIDL. ER mag ABFALL und er will BETROGEN und BELOGEN
( Werbung) werden. Und mit den Augen von denen würde ich gerne mal sehen,
was die sehen oder erkennen.
Wh ein Horrorfilm den kein Videogame so hin bekommt.
Sind wir froh, dass wir die Seltenen haben und es Menschen gab und gibt, die
sich trauen das zu bauen. LG Fred 🙂
ps: es gibt ja nur oft das eine Bild von dem oder dem Künstler.
Hängt im Museum. Und Millionen rennen vorbei.
Die können das nicht, die denken das nicht, die träumen es nicht.
( Farm der Tiere fällt mir ein.. ich meine den Schlachthof)
LG