Schlechte Aussichten
Was könnte es Besseres geben als die Monterey Car Week? Gutes Wetter, eine wunderbare Umgebung, das Stelldichein aller Sammler und anderer Milliardäre, beste Stimmung mit reichlich Einladungen und Champagner. Alle Super- und Hypercar-Hersteller sind vertreten, die grossen Auktionshäuser fahren das Beste auf, was sie in diesem Jahr zu bieten haben. Pebble Beach ist in dieser Form absolut einmalig (in der Kunstwelt vielleicht noch zu vergleichen mit der Art Basel, aber da fehlt das gute Wetter und die grossartige Umgebung), es kann, darf gar nichts anderes sein als ein phänomenaler Erfolg. Und dann: die ganz grobe Watsch‘n. Auf dem geduldigen Papier sieht es gar nicht so schlimm aus, eine Verkaufsquote von 71 Prozent, ein Umsatz von umgerechnet 323 Millionen Franken, acht Prozent weniger als im schon schwachen Vorjahr.
Dass es bei Bonhams zur Katastrophe kommen würde, das war im Vorfeld schon abzusehen gewesen. Aber beim ehemaligen Marktleader muss man sich eh fragen, wie es weitergeht, da läuft gar nichts mehr, zu durchschnittliches Angebot, Skandale mit dreisten Fälschungen, es ist ganz bitter. Doch auch bei RM Sotheby‘s, Gooding & Co. und dem Newcomer Broad Arrow war es eher mau, darüber können die nackten Zahlen nicht hinwegtäuschen. Etwas über 17 Millionen Dollar für den ersten Ferrari 250 GT California Spyder SWB (aus dem Besitz des Ex-Fussballers Michael Ballack) scheinen gutes Geld, doch der Dollar ist längst nicht mehr das, was er einmal war – und noch vor kurzem wurde für viel profanere Fahrzeuge des gleichen Typs deutlich mehr bezahlt. 14 Millionen für einen Alfa Romeo 8C 2900? Da wurde schon das Doppelte abgedrückt, unter der Hand sogar deutlich mehr.
Für eine Markt-Analyse lohnt sich ein Blick zurück. Mitte 1988 brach der Klassiker-Markt nach dem Tod von Enzo Ferrari ein erstes Mal zusammen, quasi über Nacht waren die Fahrzeuge plötzlich 30 Prozent weniger wert. Das zog sich weiter bis Ende 1989, da hatte sich der Wert halbiert, für manch einen Ferrari gab es noch ein Fünftel dessen, was er vor August 1988 gekostet hatte. Dann blieb es lange ruhig, ging wieder aufwärts, bis bei der Finanzkrise 2008 das Gleiche wieder geschah, innerhalb eines Tages waren die Autos einen Drittel weniger wert. Die nächste Krise kam 2014, nicht so heftig, doch dann ging es stetig aufwärts, nicht einmal Covid konnte den Markt erschüttern, ganz im Gegenteil, die Ausgangssperren motivierten anscheinend noch so manche Käuferin, sich ihren Traum endlich zu erfüllen. Der Höhepunkt war dann etwa im Sommer 2022 erreicht, 2023 gab es nur noch selten Ausreisser nach oben. Und 2024 erwies sich von Anfang an als schwierig.
Dazu braucht es auch eine Einordnung. Für ein paar Jahre galten die Versteigerungen in und um Scottsdale in Arizona im Januar als guter Fiebermesser. Doch weil dort Mecum und Barrett-Jackson im Minutentakt buchstäblich Tausende von Oldies verramschen, zogen sich die edleren Auktionshäuser immer mehr zurück, versuchen seit ein paar Jahren Amelia Island in Florida als neuen Hot-Spot zu etablieren. Das ist eigentlich eine gute Idee, Florida ist nach einem harten Winter im Frühling eine Traumdestination, RM Sotheby‘s und Gooding & Co. nutzen die kalten Monate auch, um ein fein kuratiertes Angebot in den warmen amerikanischen Süden zu schicken. Bloss: Das funktionierte in diesem Jahr nur so lauwarm. Und in der Branche wurde gemunkelt, dass die Resultate deutlich geschönt wurden. Monterey musste es richten. Tat es aber nicht.
Noch ein Einschub: Anfang Jahr verstarb Arturo Keller im Alter von 91 Jahren. Geboren in Mexiko mit Schweizer Wurzeln hatte Keller seit den 60er Jahren eine der grossartigsten Klassiker-Sammlungen der Welt aufgebaut, er gewann mit seinen Fahrzeugen auch wiederholt «best of show» in Pebble Beach. Ein paar Monate vorher war Peter W. Mullin, noch so ein grossartiger Sammler, im Alter von 82 Jahren gestorben. S. Robson Walton, Walmart-Erbe und Besitzer einer der grössten Sammlungen der Welt, wird dieses Jahr 80, Evert Louwman, der vielleicht bekannteste Sammler in Europa, ist noch ein paar Jahre älter.
Aber was haben diese betagten Herren mit der ganzen Branche zu tun? Viel, sehr viel. Sie und ihresgleichen waren in den letzten Jahrzehnten die treibenden Kräfte für für die richtig teuren Fahrzeuge aus den 30er bis in die 60er Jahre, da war viel altes Geld – und vor allem ganz viel Wissen. Diese Herrschaften hatten schon früh gutes Geld damit gemacht, dass sie einen Duesenberg von einer Ferrari 166 MM Barchetta unterscheiden konnten, diese Automobile auch selber gefahren waren, ihre Geschichte kannten. Sie erkannten früh, was eine durchgehende Herkunft wert ist, wussten, was original war und was es bloss sein wollte, kauften sich, oft für ein Trinkgeld, das beste Material zusammen. Solche Kenner werden täglich seltener – und sie nehmen ganz viel Wissen mit ins Grab. Und hinterlassen damit eine Lücke, die nicht mehr zu füllen ist. Nur mit Geld sowieso nicht. Schreiben wir es einmal so: Wenn Keller, Mullin oder Walton etwas kauften, dann wussten alle andern, dass sie sich eine Chance hatten entgehen lassen. Was dann die Preise für ähnliches Material in die Höhe trieb. Ausserdem finanzierten diese Sammler Suchtrupps auf der ganzen Welt, die auch immer wieder einen Le-Mans-Sieger aus der Scheune zogen oder eine verrottete Vorkriegspreziose unter einem Baum in Algerien fanden. Das macht heute niemand mehr, die Le-Mans-Sieger kann man sich bei Ferrari Classiche für das entsprechende Entgelt ab Stange bestellen.
Vorkriegsklassiker kränkeln seit Jahren – jetzt bleibt auch das richtig gute Material stehen. Ein ganz anständiger Bugatti Type 57 Atalante wäre bei Gooding & Co. für etwas mehr als 10 Millionen Dollar zu haben gewesen; das Interesse war sehr gering. Es verschiebt sich das Interesse, die nächsten Opfer werden Fahrzeuge aus den 50er-Jahren sein. Ein schönes Beispiel auf vergleichsweise bescheidenem Niveau: Ein Jaguar XK140 von 1956 in originaler, sehr seltener Farbe, der an der Mille Miglia (check!) teilgenommen hatte und im vergangenen Jahr am Concours d‘Elegance in Pebble Beach mittun durfte (check!), wurde bei Gooding für lächerliche 84‘000 Dollar (all in) zugeschlagen. Ein richtig grossartiges Fahrzeug, das nicht nur alle Sammler-Kriterien erfüllt, sondern auch noch viel Fahrspass bringt – es hätte unter normalen Umständen mindestens das Dreifache schaffen müssen. Aber das interessiert kaum mehr jemanden. Der bekannteste Jaguar-Sammler, auch über 80, aber auf jeden Fall bestens informiert, kauft nicht mehr, er reduziert.
Der Markt ist aber auch selber schuld. Wenn ein Ferrari 330 GTS auf dem Markt ist, dann ist die Spannung gross; sind es aber ein halbes Dutzend wie am vergangenen Wochenende in Montrey, dann läuft etwas falsch. Für das Dutzend Mercedes 300 SL, das in Monterey unter den Hammer kam, braucht es mindestens doppelt so viele Interessenten, sonst kommt kein Bieterkampf ins Rollen. Derzeit gibt es aber nicht so viele Kaufwillige (aus bekannten Gründen, siehe hier), deshalb passiert dann auch wenig bis gar nichts. Und wer dann das unterste Estimate trifft und den Zuschlag erhält, hat wohl ein gutes Geschäft gemacht. Oder auch nicht, gerade die Flügeltürer gelten als potenzielle Opfer der nächsten Welle nach unten. Und sowieso alles, von dem mehr als 250 Stück entstanden, die E-Type stehen wie Blei, die Preise für die 911 Carrera RS 2.7 (Touring) haben sich in kurzer Zeit halbiert, einen Daytona von Ferrari sollte man aktuell nicht verkaufen müssen. Von all diesen Fahrzeugen gibt es auch viel zu viele. Und gerade jüngere Käuferinnen kann man für dieses alte Blech kaum mehr begeistern, die investieren dann lieber in Hypercars, siehe hier.
Doch so richtig bitter werden dürfte es in absehbarer Zukunft für die richtig guten, sehr seltenen und deshalb auch richtig teuren Klassiker, die Duesenberg, die SSK von Mercedes, die Bugatti, die frühen Ferrari. Es rückt kaum Nachwuchs nach, der auch einmal im zweistelligen Millionenbereich investieren will. Ausnahmen gibt es immer, den Schweizer Fritz Burkart zum Beispiel, dessen Bugatti Type 59 von 1934 in Pebble Beach zum «best of show» gekürt wurde. Das grossartige, unrestaurierte Fahrzeug hatte er erst vor vier Jahren gekauft, für weniger als 10 Millionen Pfund – man kann es jetzt als ein Schnäppchen bezeichnen.
Viele dieser schönen Klassiker finden Sie auch in unserem Archiv.
Nur mal so ein paar Gedanken „blowin in the wind“.
Waren einige dieser „Preziosen“ vielleicht immer schon maßlos überbewertet?
Hat das „System“ Geldvermehrung durch Autospekulation vielleicht doch nicht so hohe Renditen gebracht wie immer behauptet?
Vielleicht zu viele Fälschungen am Markt bzw, undurchsichtige Historie, siehe 300SL?
Ist das „besser als neu restaurieren“ vielleicht schuld daran, dass viel Fahrzeuge keine Seele mehr haben und daher die Faszination schwindet? Viele dieser hochpreisigen KFZ wurden KSZ (Kraftstehzeugen) – auch kein Fazinosum mehr?
Und ja, die alten weißen Männer, die sich für solche KFZ emotionen entwicket (haben) sterben einfach weg!
Aber Sie haben schon recht, es ist immer eine Wellenbewegung und nach jedem Berg kommt auch ein Tal – erst recht in der Schweiz, gell 😉
Ich denke, das schon längst abgedroschene Klischeebild der „alten weissen Männer“, taugt generell nicht als Erklärungsversuch – auch hier nicht, wo es um einbrechende Preise und nachlassende Nachfrage geht. Spekulationsobjekte unterliegen preislich einer hohen Volatilität. Wenn solvente Anleger renditeträchtigere Objekte als Autos identifiziert haben, sind Klassiker mit vier Rädern nicht mehr interessant – sofern nicht eine echte Passion für Autos vorhanden ist. Das ist eine dem Marktmechanismus folgende Konsequenz. Irgendwann platzt die Blase, das kennen wir schon aus anderen Bereichen. Wahrscheinlich steht jetzt bei Klassikern im oberen Preissegment eine grössere Marktbereinigung bevor. Wer dabei Millionen verliert, wird dadurch sicher nicht zum Bettler.
Man mag diese Entwickung beklagen, aber solange es um viel, viel Geld geht, funktioniert das Spiel anders als beim Kauf eines Grossserien-Youngtimers. Für 99% der Freunde automobiler Klassiker sind derartige Hochpreisfahrzeuge finanziell ohnehin unintererssant, da unerreichbar. Und bestaunen ist ja auch schön und vor allem kostenlos.
Die Passion für Autos im allgemeinen und Verbrenner im besonderen ist bei den jüngeren Semestern geringer ausgeprägt. Also höchst wahrscheinlich ist der Peak der Preise erreicht oder überschritten.
Sehr interessante Analyse, vielen Dank dafür.
Ich denke, daß das Thema Klassische Automobile an sich überhitzt ist, der Old- oder Youngtimer wurde vom wirklichen Liebhaberobjekt einerseits zum Investment-, andererseits zu Lifestyleobjekt, wirklich benutzt wurden und werden die wenigsten Autos und durch die absurden Werte wird eine artgerechte Benutzung auch immer problematischer.
Ein Vorkriegsauto im normalen Verkehr zu fahren, ist fast unmöglich, gleiches gilt für die High-End Fahrzeuge der Nachkriegszeit, einen E-Type, XK oder Ghibli kann man zwar gut im Alltag fahren, aber schlecht parken.
Und:
Diejenigen, die diese Autos seit Jahrzehnten begehren, sich vielleicht irgendwann leisten können oder konnten, die sind inzwischen alle im Alter 60+, da mag man sich nicht mehr in einen Dino zwängen, einen MGB V8 ohne Aircondition fahren oder die mäßige Motorleistung eines Ponton-Mercedes Cabrios auf der Autobahn ertragen.
Und die nächste, jüngere Generation träumt vom Porsche 911 G-Modell, sogar vom grausigen 928, vom 8er-BMW oder vom Jaguar XJ40, aber nicht von einer Isabella, einem Reliant Scimitar oder einem Jaguar MK II.
Aber vielleicht hat die Entwicklung ja auch ihr Gutes: Die wirklichen Liebhaber kommen wieder mehr zum Zug, die Autos werden wieder mehr gefahren und die Anzahl der Louis-Vuitton-Ruinard-Gucci-Luxury-Collection-gesponserten, pseudoelitären VIP-Bändchen-Veranstaltungen nimmt ab.
Wie wundervoll waren die ersten Goodwood-Meetings, die Eifel-Klassik, die frühen Classic Days auf Schloß Dyck, und was ist aus diesen Veranstaltungen geworden!
Oder sind das nur die Gedanken eines Mannes mit weißem Haar und der Sorge um den Verlust seiner Welt der schönen Dinge?