Der Unterschied
Man könnte, müsste noch so manches diskutieren zum aktuellen Porsche 911 (992.2). Dick ist er geworden, vor allem auch: teuer, in der simpelsten Form werden in der Schweiz mittlerweile 144’900 Franken fällig. Aber irgendwie ist das egal, wer unbedingt einen 911er will, der kauft sich auch einen – und man kann es absolut verstehen, der Porsche ist halt schon sehr gut, in der Summe seiner Eigenschaften der Inbegriff des Sportwagens. Zwar fahren ihm unterdessen viele um die Ohren, doch auch das interessiert kaum jemanden, spätestens beim Weiterverkauf liegt der Porsche mit Garantie wieder vorne. Ob das dann auch für den neuen GTS gelten wird, muss sich noch weisen – es ist viel sehr delikate Technik verbaut. Und wie gut die altert, das weiss man im Moment halt noch nicht; in letzter Zeit sollen die 911 in Sachen Qualität nicht immer nur den besten Eindruck gemacht haben, hört man so durch die einschlägigen Foren flüstern.
Es war noch frisch an diesem Herbstmorgen, viel Laub, die Strassen nass und eng, aber kein Verkehr auf dieser Sonderprüfung der Rallye Vorderpfalz. Wunderbare Strecke, aber eigentlich nicht so sehr geeignet, um die möglichen Vorzüge des ersten hybridisierten 911er herauszuarbeiten. Wobei: Wie er da aus den Kurven kommt, das ist schon ganz grosses Kino. Sehr sauberer Drehmomentverlauf, also im Sinne von: da ist immer mehr als genügend Kraft. Zwar war es da ein bisschen Eiertanz, sehr, sehr rutschig, und ja, auch bei einem nicht elektrifizierten 992er muss man sich ja eigentlich nicht über mangelnden Vortrieb beklagen, doch ich glaubte zu verspüren, dass die Souveränität des Hybriden noch ein bisschen grösser ist, die Kraftentfaltung unmittelbarer, die Abstimmung zum 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe noch perfekter. Auf dem Rückweg, auf der breiten Landstrasse, da hab ich ihn dann ausgedreht, und da ist mehr halt schon mehr. Die 50 Kilo Mehrgewicht (man ist dann bei gut 1,6 Tonnen), die Porsche angibt, die habe ich nicht gespürt, auch in den Kurven nicht, was aber auch daran liegen dürfte, dass die Stuttgarter dem neu aufgelegten 992.2 das Fahrwerk noch einmal besser abgestimmt haben, angepasste Federraten, verbesserte Dämpfer, breitere Reifen, vor allem aber eine Wankstabilisierung und die nun serienmässige Hinterachslenkung. Die ganze Fuhre wirkt dadurch agiler, die Lenkung ist ja sowieso ein Traum an Präzision (für mich persönlich ein wenig zu schwergängig, aber das ist natürlich Geschmackssache). Verzögert wird jetzt mit den Dingers aus dem Turbo S, die sind ein Brett, buchstäblich, die hinteren Scheiben haben 410 Millimeter Durchmesser.
Doch schauen wir uns doch das T-Hybrid-System etwas genauer an, in dessen Zentrum ein neu entwickelter Sechszylinder-Boxer mit 3,6 Liter Hubraum steht. Dafür wurde die Bohrung auf 97 Millimeter vergrössert, der Hub auf 81 Millimeter erhöht. Ohne E-Hilfe bringt es der Benziner auf 485 PS und 570 Nm Drehmoment. Der Motor verfügt zudem klassisch über die Nockenwellenverstellung VarioCam und eine Ventilsteuerung mit Rollenschlepphebeln, so kann über das gesamte Kennfeld das ideale Mischungsverhältnis von Benzin und Luft ein (Lambda = 1) gehalten werden. Doch richtig spannend wird es bei der Elektrifizierung: Zum einen verfügt das T-Hybrid-System über einen neu entwickelten elektrischen Abgasturbolader. Eine integrierte E-Maschine, die zwischen Verdichter- und Turbinenrad platziert ist, bringt den Lader sofort auf Drehzahl, kann unmittelbar Ladedruck aufgebauen; sie dient gleichzeitig als Generator und bringt bis zu 11 kW (15 PS) elektrische Leistung. Es gibt nur noch einen (elektrischen) Turbolader, der ausserdem ohne Wastegate auskommt. Ein zweiter E-Motor sitzt als permanenterregte Synchronmaschine im neuen Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe (PDK), unterstützt den Boxermotor ab Leerlaufdrehzahl mit einer Leistung von bis zu 40 kW und mit einem Antriebsmoment von bis zu 150 Nm. Die beiden Elektromotoren koppelt Porsche an eine Hochvoltbatterie, die in etwa einer konventionellen 12-Volt-Starterbatterie entsprechen soll. Sie speichert sie bis zu 1,9 kWh Energie (brutto) und arbeitet mit einer Spannung von 400 Volt; damit kann der Klimakompressor elektrisch angetrieben werden, der Riementrieb entfällt. Der neue 3,6-Liter-Boxer baut sehr kompakt, was wiederum über dem Aggregat Platz schafft für Pulswechselrichter und DC-Wandler. Die Systemleistung beträgt dann 541 PS und 610 Nm, also 61 PS und 40 Nm mehr als beim bisherigen 911 GTS. So rennt er dann halt in extremen 3 Sekunden von 0 auf 100 km/h und maximal 312 km/h schnell. Damit ist er dann schon gefährlich nah am Turbo. Doch der kriegt ja auch bald eine Auffrischung.
Was dann aber erstaunt: Beim Verbrauch ist kein Fortschritt zu verzeichnen, auch hybridisiert nimmt der GTS wie schon sein Vorgänger 10,5 Liter/100 km gemäss WLTP. Wenn man sich dann fragt, was der ganze technische Aufwand soll, dann gibt es nur eine Antwort: Euro 7. Die Stuttgarter haben ihre ewige Legende mit Strom fit gemacht für viele weitere Jahre, da kann man jetzt die Nase rümpfen von wegen Strom, aber wenn uns der 911 dank der Batterie noch länger erhalten bleibt, dann ist das doch der Schritt in die richtige Richtung. Und für Porsche wird es sich sicher lohnen, 196’600 Franken kostet so ein GTS nackig, mit Allradantrieb sind es dann 206’900 Franken. Das ist schon sehr grob. Aber nein, schöner ist der 992.2 nicht geworden, ganz besondern als GTS nicht. Vorne trägt er Plastik-Kiemen, er braucht ja mehr Luft, und das ist jetzt optisch wahrlich kein Fortschritt. Auch, dass der Tourenzähler jetzt digital sein muss, wird Traditionalisten nicht wirklich erfreuen. Aber auch daran wird sich die liebe Gemeinde gewöhnen, es gibt ja bei jeder Neuerung etwas zu jammern – und dann steigen die Verkaufszahlen trotzdem wieder. Und die Preise auch. Und die Stuttgarter freuen sich wieder wie Schneekönige, denn es gibt wohl kein Automobil, bei dem die Marge für den Hersteller höher liegt.
Wir sind den Porsche bei einer Veranstaltung von German Car of the Year gefahren, wo er Klassensieger wurde. Sonst dürfen wir ja nicht mehr Porsche fahren, also, keine aktuellen Modelle. Tja. Ein paar ältere Modelle haben wir in unserem Archiv.
Wenn schon Kiemen, dann doch bitte lieber seitlich, das ziert den Sportwagen.
Der Tourenzähler muß analog sein? – Schon richtig, aber:
Ich fürchte, daß er beim aktuellen Porsche digital sein dürfte, oder?
Verwirrte Grüße!
korrigiert, danke.
Der 911 ist ein Wunder.
Egal, was Porsche damit anstellt, er verkauft sich blendend.
Sogar der SL ist mittlerweile vor die Hunde gegangen.
Turbolader und Elektrifizierung haben ihn jetzt zum Monster gemacht.
Eigentlich war der Turbo durchaus sinnvoll, man konnte bei den Brot- und Butter-Autos die Motoren verkleinern, damit den Verbrauch senken und gefühlt waren sie sogar kräftiger als die großen Sauger vorher.
Beim Boxster/Cayman hat das auch funktioniert, beim 911 allerdings entstanden aus den gleich großen Motoren für Normalfahrer ohne Rennlizenz PS-Monster, die man gar nicht mehr ausnutzen kann.
Der 911 begleitet mich nun mein ganzes Leben, viele liefen in der Verwandtschaft und Bekanntschaft und fast alle konnte ich mal fahren. Zu meinem Fahrprofil hat er nie gepasst und als Spielzeug nebenbei war er mir zu teuer.
Wirklich begeistert hat mich genau einer.
Ein 997 Carrera 2S mit dem Leistungskit (380 oder 381 PS) und Schaltwegverkürzung.
Der war so unfassbar toll zu fahren. Nach einer ausgiebigen Fahrt an einem Abend stieg ich am nächsten Morgen in meinen 530d (E60) und dieses präzis zu fahrende Auto kam mir plötzlich lahm und schwammig vor.
Porsche warb damals, auf die SL-AMG verweisend, mit dem Slogan:
„Überall Grobmotorik und dazwischen ein Präzisionsinstrument“.
Selten war die Werbung so wahr.
Für mich ist der 997 auch der schönste je gebaute, auch wenn alle sagen, dies sei der 993. Und er war richtig schnell, aber trotzdem für einen einigermaßen versierten Fahrer gut auszunutzen in der Leistung.
Viele, G-Modell, 996 und alle nach dem 997 faszinieren mich nicht.
Schade irgendwie, dass es nicht mehr Techniker sind, die über den 911 bestimmen, dann wäre er zierlicher, leichter, nicht so übermotorisiert, besser fahrbar, aber heute sind es die Marketingleute und es zählt shareholder-value. OK, das kann er.
Danke. Für den schönen Beitrag, der mir aus der Seele spricht. Tatsächlich bin ich nach vielen Jahren meiner Affinität zu TR, AH und MG vor ein paar Jahren auf die 911er gekommen. Vom 964 er über 996 und 997 lies ich nur ihren Lieblingswagen, den 993 nicht in meine Garagen. Ich mochte die Schnauze einfach nicht. Das aktuelle Modell für mich einfach zu gewaltig, zu groß und schon ein wenig zu protzig hier im hohen Norden.
Es ist allerdings schön zu wissen, dass der 11er lebt und Porsche sich seiner Wichtigkeit für den Konzern bewusst ist und ihn den zukünftigen Zulassungsbeschränkungen entsprechend anpasst.