Natürlich
Dann erzählt Pascal Schmutz die Geschichte von der Geburtstagsparty am Genfersee, im Golfclub. Sehr schicke Gäste, Hoteliers, Unternehmerinnen, was man halt so erwartet an einem solch noblen Ort. Der Jubilar hatte sich ausdrücklich Schmutz als Koch gewünscht, ihm freie Hand gelassen. Und so musste die Gästeschar zuerst einmal ein tiefes Loch buddeln und dieses mit Holz füllen. Darauf wurden die Gäste aufgefordert, ihm zu helfen, ein paar weniger edle Stücke eines Schweins zu marinieren. Das Holz wurde angezündet, das Schwein dann in diesem Erdofen verbuddelt. Ein paar Stunden später, kurz vor Mitternacht, wurden die Fleischstücke dann ausgegraben. Schmutz drapierte sie in kleinen Stücken auf einem ganz frischen Brioche, gab noch etwas Jus dazu – und das Publikum war begeistert. Allein schon der Duft. Und die Konsistenz des Fleisches. Und die simplen Mittel, mit und aus denen er ein Festmahl gezaubert hatte: «Es ist so einfach, und die Leute waren so glücklich – es wurde ein grossartiges Fest!» Klar ist Pascal Schmutz auch ein begnadeter Selbstdarsteller, witzig, eloquent, gutaussehend, wie man das heute von Köchen erwartet.
Schmutz klärt auf: «Man kann ihn überall machen, diesen Erdlochofen. Gerade mit Kindern ist das wunderbar; sie lieben es, sind extrem gespannt, ob es funktioniert. Und man kann da nicht nur Fleisch zubereiten. Das geht auch mit Gemüse, Randen eignen sich hervorragend. Man kann das Fleisch auch mit Bananenblättern umwickeln, dann ist es noch mehr wie ein Spiel. Alles ist ein Abenteuer: Brennt das Feuer? Woher kommt der Wind?. Warum hat es so viel Rauch? Und das Resultat weckt immer die ganz grossen Emotionen».
Schmutz ergänzt: «Das funktioniert übrigens auch mit dem Lagerfeuer, fast noch einfacher. Ich habe immer einen grossen Topf dabei. Frisches Gemüse, ein paar Tomaten, ein anständiges Brot – es ist so eine gute, befriedigende Mahlzeit. Man kann auch ein Pot-au-feu machen, einen Linseneintopf. Klar, man muss dabei bleiben, das Feuer im Griff haben, umrühren, schauen, dass nichts anbrennt. Doch das macht man gern, der Duft ist grossartig».
Man findet Pascal Schmutz fast so oft draussen wie in der Küche. Der 40-Jährige hätte sicher eine ganz grosse Karriere machen können in einem Restaurant. Vor 15 Jahren war er für den Gourmet-Führer GaultMillau «Entdeckung des Jahres», kam schon auf 16 Punkte. Doch das war ihm zu langweilig. Er wollte mehr, anderes, nicht bloss gelobt werden für seinen wilden, spielerischen, manchmal etwas verrückten Gerichte. Und weil er schon immer konsequent das regionale Gewerbe berücksichtigte und für seine unverfälschten, authentischen Gerichte nur lokale und saisonale Produkte verwendete, gestaltete er daraus eine Geschäftsidee. Denn er liebt es, innovative Strategien zu entwickeln, diese zu realisieren, als kompetenter Berater visionäre Projekte zu unterstützen und bestehenden neuen Schwung zu verleihen. Egal ob Gastronomie, Hotellerie, Tourismus, Musik oder Unterhaltung – er kann jederzeit auf ein grosses persönliches Netzwerk zurückgreifen. Die Kombination aus Profi hinter dem Herd und strategischem Unternehmer mit kreativem Kopf macht Pascal Schmutz zu einem aussergewöhnlichen Chef, Food Consultant, Gastroberater und Unternehmer. Der gerne Löcher in die Erde gräbt. Und stark auf eine nachhaltige Küche setzt.
Doch was ist das für ihn, dieses nachhaltige Kochen, Essen?
Schmutz erzählt: «Es geht ganz fest ums Zuhören und Nachfragen, im Dorf, in seiner Umgebung, beim Bäcker, beim Metzger, beim Bauern. Heute hat mich einer angerufen und gesagt, er hätte noch drei Kisten Quitten. Klar, ich liebe Quitten, aber eigentlich kann ich mit drei Kisten davon auch nichts anfangen. Doch ich habe sie genommen, Gelee gemacht, Saft, da bin ich jetzt eingedeckt für ein paar Monate. Oder nehmen wir den Kohl, der jetzt gerade geerntet wird – machen Sie daraus Sauerkraut! Das ist nicht nur eine wunderbar befriedigende Arbeit, das hilft auch über den ganzen Winter. Man muss lokaler planen, saisonaler, und unbedingt über die Grenzen des Wocheneinkaufs und Kühlschranks hinaus denken. Essen Sie dann Fleisch, wenn ein Tier geschlachtet werden musste. Essen Sie mal wieder Siedfleisch, nicht immer nur beste Qualität. Essen Sie mehr Gemüse, das wirklich frisch vom Bauernhof kommt. Verarbeiten Sie es auch dann, wenn es nicht den Schönheitsnormen der Grossverteiler entspricht. Es tut gut, wenn man sich mehr und intensiver mit seinem Essen beschäftigt».
Mit und in seinem Netzwerk kann Pascal Schmutz viel Gutes tun. Er ermuntert die Gastronomieprojekte, die er berät, unbedingt dazu, so stark wie möglich mit lokalen Produzenten zu arbeiten. Er liebt es, diese selbst zu suchen. Schmutz fährt und läuft manchmal tagelang einfach durch die Gegend, sucht Hofläden, Gemüsehändlerinnen, Winzer, Käserinnen, spricht mit dem Wildhüter und der Kräuterfee. Da kann er auch vieles bewirken. Eine gesicherte Abnahme der Produkte hat schon manchen Bauern dazu ermuntert, auch einmal etwas Neues zu versuchen, etwa Kukuma anzubauen. Oder Ingwer.
Schmutz erklärt: «Gerade beim Gemüse gab es in der Schweiz in den vergangenen Jahren gewaltige Fortschritte. Was sicher auch daran liegt, das sich mehr Menschen vegetarisch oder zumindest bewusster ernähren wollen. Die Auswahl ist so viel grösser geworden. Aber es bleibt noch viel zu tun. Gerade in der Schweiz wird noch zu wenig ganzheitlich gedacht, sowohl bei den Kunden wie auch bei den Produzenten. Und man muss nicht immer nur die schönsten Kartoffeln und Rüben verarbeiten – der Geschmack bleibt der gleiche, wenn die Karotte krumm ist. Oder Blumenkohl: Da werden die Blätter eigentlich immer weggeschmissen. Dabei sind sie grossartig, mit etwas Knoblauch und Zwiebeln anschwenken: fantastisch! Oder das Grüne vom Lauch, ach, es gibt noch so viele Möglichkeiten».
Er nennt das dann: unbequeme Gerichte.
Es ist dies eine Story aus der Volvo-Beilage unserer Print-Ausgabe radical #2. Deren Inhaltsverzeichnis finden Sie hier.
Pascal Schmutz will ich sofort kennenlernen.
Mega-Story!
Grossartig, danke.
Und Kudos an Volvo für die schöne Farbe, aber wieso findet man die nicht auf der Website?
Toll, mehr Rezepte bitte – und, was ist Siedfleisch?
In Österreich würde man es als Tafelspitz bezeichnen.
Danke, again what learned.