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Test Alpine A110 R

Fliessen wie Wasser

Wenn ich jetzt behaupten würde, ich spüre da jedes Gramm der 34 Kilo, welche der R gegenüber der anderen Alpine A110 leichter ist, dann wäre ich ein Klugscheisser. Das möchte ich nicht sein, und wenn ich ehrlich bin, dann muss ich auch gleich zugeben, dass ich nicht einmal merkte, dass der R acht PS mehr hat als ein A110 S. Das Gesamtpaket dagegen, also leichter (noch 1082 Kilo) und stärker (300 PS, 340 Nm maximales Drehmoment bei 2400/min) und mit diesen grossartigen Michelin PS Cup 2 (205/45 R18 vorne, 235/40 R18 hinten) und den Sabelt-Sitzzwingen aufgerüstet, das erkenne ich auch blind, nach zehn Metern. Wohl noch nie war ein (serienmässiges) französisches Automobil so brutal abgestimmt, noch nie so laut, so präzis, so fokussiert – so grossartig. Man muss die einzelnen Massnahmen, die den R so aussergewöhnlich machen, gar nicht auseinanderdividieren, es geht hier um das Grosse und das Ganze – und es gibt wohl derzeit kein anderes (bezahlbares) Automobil auf dem Markt, das die Fahrfreud’ derart konzentriert auf den Asphalt brennt. (Gut, die Franzosen haben jetzt anscheinend noch eine Schippe draufgelegt, A110 R Turini und vor allem der Ultime, doch da hatten wir noch nicht das Vergnügen.)

Dabei begann es gar nicht gut, der Regen ist nämlich nicht der Freund der Alpine A110 R. Sie trägt serienmässig die erwähnten Michelin PS Cup 2, die sind auf nasser Gasse mehr so semi-lustig. Es ist dann ein beständiger Reaktionstest, wenn das Heck wieder einmal andere Weg gehen will als vom Piloten angedacht, da musst Du am Lenkrad alert sein, dauernd. Und dann haben die Dinger plötzlich wieder Grip, dann gibt es einen Schlag – zum Glück sind die Sabelt-Sportsitze so eng, dass der Körper nicht zu weit querbeschleunigt werden kann. Es empfiehlt sich aber unbedingt, bei einer ernsthaften Ausfahrt die Sechspunkt-Gurte korrekt und straff festzuzurren, obwohl das mühsam ist, doch man fühlt sich dem Fahrzeug mehr verbunden, ist ihm näher, gerade dann, wenn es wieder einen Schlag tut. Vier Anläufe brauchte ich für unsere Hausstrecke 2 (1 ist kürzer, 3 länger, best of Switzerland, geht aber eigentlich nur im Sommer), bis es dann endlich einigermassen trocken war; das bedeutet aber nicht, dass ich die ersten drei Versuche deswegen abgebrochen hätte. Denn man muss jeden Kilometer geniessen in dieser Alpine, oft werden wir solche Gerätschaften nicht mehr fahren; den einzigen einigermassen ernsthaften Konkurrenten, den Cayman GT4 RS (300 Kilo schwerer, viel, viel teurer), gibt es ja auch nicht mehr.

Was am meisten auffällt: die chirurgische Präzision, mit der sich dieses Fahrzeug bewegen lässt. Um die wilde Aero des R, die erst bei höheren Geschwindigkeiten greift, erfahren zu können, um wahrlich den Grenzbereich auskosten zu dürfen, da würde es eine Rennstrecke brauchen. Die haben wir nicht, aber wir haben da ein paar Bergstrecken, da kann man auf ein paar Zentimeter genau an Pfosten und Felsen vorbeizirkeln, da liebt man die Übersichtlichkeit des Fahrzeugs – und vor allem die Lenkung, die halt genau das tut, was der Fahrer denkt, will. Der Grip ist crazy (sofern es trocken ist), doch das liegt nicht nur an den grossartigen Reifen, sondern auch am geringen Gewicht der Französin. Am Ende ist alles Physik, mehr Gewicht will in der Kurve weiter nach draussen, belastet die Pneu stärker – beim R braucht der Pilot schon sehr viel Talent und Mut, um die Alpine zu beunruhigen. Am schnellsten ist man nach dem alten Röhrl-Prinzip unterwegs: So wenig lenken wie möglich, fliessen wie Wasser.

Es sei hier wieder einmal die alte Diskussion eröffnet: Paddels am Lenkrad – oder feststehend? Wir haben schon immer für feststehend plädiert, da weiss man auch immer, wo die Dinger sind – und die Alpine ist ein gutes Beispiel dafür, dass es genau so sein muss. Klar, wenn man die Arme schon überkreuz hat und auch sonst nur noch am Rudern ist, dann mögen die Lenkraddingers hilfreich sein, dann kann man sie noch tippsen in der Not. Doch fährt man so eine Alpine so, wie sie bewegt sein will, kleine, saubere, vor allem: überlegte Bewegungen am Steuer, dann kommt man nicht in Not, ein Zwicken aus dem Fingerspitzen, das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe wirft eine nächste Welle ein, hoch, runter, es ist ein elegantes Spiel. Unspektakulärer als mit einem Elfer, aber eleganter. Und allein deshalb wohl auch schneller. Und für all das braucht es auch keine elektronischen Hilfeleistungen. Wenn wir etwas bejammern wollen: Man hätte das Innenleben noch einmal deutlich erleichtern können, kein Bildschirm, kein Navi, es hat ja eh jeder sein Smartphone dabei – und manchmal verfährt man sich ja gerne, macht noch einen Umweg, eine zusätzliche Runde.

Wir sehen sie schon müde lächeln, die Buben von der Ballermann-Fraktion, die OMG-Poser, die Elfer-Schlüssel-Wedler, sie können die Alpine nicht ernst nehmen. Vier Zylinder. 1,8 Liter Hubraum. 300 Pferdchen. Das kann nix taugen, damit kann man nicht auf dem Golfplatz vorfahren (sollte man eh nicht, der Kofferraum fasst gerade einmal 96 Liter), beim Track-Day nicht in der ersten Reihe parkieren. Die Hackordnung wird sich auf der Rennstrecke schon nach der ersten Kurvenkombination zwar ändern, aber es erstaunt uns trotzdem, wie wenige Alpine ihren Weg in kundige Hände gefunden haben, zumal die Französin in ihrer schon sehr, sehr guten Basis-Version mit 69’000 Franken ja nun wirklich ein Schnäppchen ist. Der R kostet ab 109’000 Franken, das ist dann schon nicht mehr so günstig, doch im Vergleich zum deutschen Protz-Stahl ist er halt ein Geschenk, quasi. Und dann ist er auch wild bespoilert immer noch ein schönes Automobil, so kompakt, filigran, auf das Wesentliche konzentriert. Sogar die Heckscheibe konnte weg und in der Folge der Innenspiegel (kommt eh keiner von hinten…), geblieben ist der lustige Satellit zur Radio-Bedienung, den es auch in den Dacia gibt.

Ach ja: Unser R war gar nicht 34 Kilo leichter. Nachdem diverse Berichterstatter die Carbon-Felgen mehrfach ruiniert hatten, mussten wir mit profanem Leichtmetall vorliebnehmen. Nicht, dass ich es wirklich gemerkt hätte. Bald wird die Alpine A110 deutlich schwerer werden, wenn sie dann, vielleicht schon im nächsten Jahr, rein elektrisch kommt. Drum, wer kann, wer’s hat: Dies ist eine ganz unverblümte Kaufempfehlung. Mehr schöne Geschichten haben wir in unserem Archiv.

3 Kommentare

  1. Rolf Rolf

    Mehrere Jahre stand eine A110 in der Nähe unseres Büros. Live ist sie noch schöner, ein absolut faszinierender Sportwagen.

    Ja, der Walter Röhrl hat Recht. Den Tipp hörte ich von ihm vor Jahrzehnten und er hat sehr viel gebracht. Beinahe jede Kurve auf Landstraße und Autobahn ist vom Radius her sauber gebaut, Autobahnausfahrten fast alle, so dass man nur einmal einlenken muss und das Steuer ruhig halten. Dann wirds automatisch schnell.

    Etwas off topic:

    Mal ein paar Videos ansehen, Luftaufnahmen, wie er den Rallye Quattro um die Kurven gefahren hat. Vor der Kurve kurz instabil gemacht, im Drift haargenau so, dass der Wagen möglichst früh gerade zum Kurvenausgang stand und dann die überlegene Traktion genutzt.

    Und unbedingt ansehen: Walter Röhrl fährt in einem 911 mit dem Inflünzer Matthias Malmedie auf der Rennstrecke. Ersitzt völlig gelangweilt daneben.
    Dann fährt Röhrl, Malmedie entgleisen sämtliche Gesichtszüge.
    Röhrl bemerkt das so neben seiner unglaublichen Fahrerei und meint mit seinem typischen kleinen dreckigen Grinsen: „Ihr Schuanalisten moants immer, dass zíhr schnej fahrn kennst.“

    • Rolf Rolf

      PS:
      Für die Nordlichter: „Ihr Journalisten meint immer, dass ihr schnell fahren könnt.“
      (Wobei hier das Wort Journalist sehr geschmeichelt ist.)

  2. peter stefen peter stefen

    34 Kilo sind EIN SACK ZEMENT und 9 KILO Bierflaschen.!

    Mein 997 GT-3 ist nur 21 Kilo dünner. es bringt was.
    ( Sie kompensieren ihre schlanken 85 Kilo..) ( quasi relativ unter 100..)

    besser so als nix. Grüße 🙂

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