Grundsatzfragen
Es war ganz grosses Kino, ein Schauspiel der besonderen Art. Eine Dame, die sich sicher jünger fühlte als sie tatsächlich war, hatte da in einem zugegeben eher engen Parkhaus zu Bern etwas Mühe, ihren schwarz-schwarzen Benz GLC 63 OMG um die Kurve zu kriegen. Ja, der Kangoo war wirklich schlecht platziert, aber es hätte trotzdem noch reichlich Raum gehabt für den Protzstahl; die Dame aber übte, vor, zurück, vor, zurück. Sie stieg dann aus (deshalb das Wissen um ihr gefühltes Alter, das sich auch in ihrer Kleidung manifestierte), sie stieg wieder ein, sie probierte es noch einmal, sie stieg wieder aus, trat gegen den Reifen ihres Übergeräts, trat dann gegen die Stossstange des Kangoo – und dann passierte gar nichts mehr. Sie stieg wieder und blieb da sitzen; der Wagen stehen. Niemand hupte, alle schauten gebannt darauf, was geschehen würde. Es geschah eine Viertelstunde nichts, dann kam der Pilot des Lieferwagens, die Dame hatte wieder freie Fahrt – und parkierte etwas weiter vorne tatsächlich über zwei Parkplätze, wohl einfach, um auch dieses Klischee noch zu erfüllen. Der Chronist, drei Autos hinter der Dame wartend und nicht in Eile, lehnte sich unterdessen gegen die Front seines Dacia Duster, zündete sich eine Zigarette an – und sinnierte nach über automobile Grundsatzfragen.
Denn, am Tag zuvor: besagter Chronist rollte auf der Autobahn von Bern nach Zürich, am Ende wird es eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 74 km/h sein. Schon früh hatte er diesen BMW X6 vor sich, weiss, schwarze Felgen, auch sonst gut gepimpt, verdunkelte Scheiben, wieder sämtliche Klischees erfüllend, ganz besonders, als er (oder sie, man sah es nicht) dann auch noch begann, rechts zu überholen. Am Ende der Autobahn in Zürich war er schliesslich trotzdem ein paar Fahrzeuge weiter hinten als der Wagen aus Rumänien, und wahrscheinlich grollten seine Bässe tiefer und sicher war sein Verbrauch höher und auf jeden Phall sein – nein, lassen wir das. Doch, man darf sich dann schon fragen, dies und auch das, Vermögensverteilung, bedingungsloses Grundeinkommen, Leasingraten, Geschmack, Stil. Und, darum geht es hier: was braucht es auf der Strasse wirklich, wie das so geht mit dem Transport von Menschen und Waren von A nach B und allenfalls über C auch noch zurück?
Der Dacia Duster, auch ein SUV, also modisch und optisch so leid nun auch wieder nicht, ist – kürzlich aufgefrischt – ab 11’900 Franken zu haben. Unser Testwagen war ein Allradler mit dem 125 PS starken 1,2-Liter-Vierzylinder-Benziner, gekoppelt an ein manuelles 6-Gang-Getriebe; in der besten Ausstattung, Prestige, kostet er ab 19’890 Franken, dazu kamen noch ein paar Sonderausstattungen, so dass der Preis auf knapp über 21’000 Franken steigt. Nein, selbstverständlich müssen nun der OMG und der X6 nicht herhalten für einen Preisvergleich, es muss aber doch vermeldet sein: der Dacia fährt. Er fährt ganz gut von A nach B und auch noch C, man kommt voran, er ist nicht laut, er ist nicht unbequem, es scheppert nichts. Er fährt ganz anständig um die Kurven, wird aber allzu sportliche Ambitionen mit seinem Fahrwerk nicht unterstützen – wie quasi 99 Prozent aller anderen SUV auch nicht. Er verfügt nicht bloss über einen Allradantrieb, man kann sogar wählen zwischen verbrauchsgünstigerem Frontantrieb, einem automatisch und bei Bedarf einsetzenden 4×4 – und dann hat es sogar noch eine Sperre für schwierigeres Gelände. Was es beim OMG und dem X6 auch gegen Aufpreis nicht gibt. Nein, wir waren nicht im Dreck mit dem Duster, aber ein befreundeter Jäger ist absolut begeistert von den Off-Road-Qualitäten seines Baumusters. Das zudem noch mit guten Böschungswinkeln überzeugen kann.
Einverstanden, der 1,2-Liter-Motor ist nicht das, was sich der sportliche Fahrer wünscht, unerklärlicherweise sind der 1. und 2. Gang viel zu kurz übersetzt, aber wenn der Rumäne dann einmal in Fahrt ist, dann macht er das ganz locker. Auf dem Papier beschleunigt der 4,34 Meter lange, 1,80 Meter breite, 1,68 Meter hohe und 1,4 Tonnen schwere Duster in 11 Sekunden von 0 auf 100 und soll auch 179 km/h schnell rennen, maximal – wann genau braucht man diese Höchstleistungen? Ebenfalls auf dem Papier steht ein Verbrauch von 6,4 Litern; im Test waren es dann 7,5 Liter. Kein überragender Wert, aber auch nicht völlig jenseits. Es begab sich übrigens ein ganz fröhlicher Aspekt beim Tanken: Weil die Tankklappenentriegelung nicht so recht funktionieren wollte, brauchte es jeweils Hilfe, jemand zog im Innenraum am Hebelchen, jemand öffnete dann die Tankklappe. Ja, da war etwas kaputt, das muss so nicht sein – aber es entstanden an der Tankstelle gute Gespräche, noch manch eine(r) war interessiert am Duster. Und an seinem Verhältnis von Preis zur Leistung. Die Verarbeitungsqualität war ansonsten gut.
Man sitzt auch gut im Duster, Stoff war in diesem Sommer eh das Material der Wahl. Der Innenraum ist gut aufgeräumt, es fehlt an nichts, es ist sogar so, dass nichts zu viel ist, und das ist heutzutage unter all diesen rollenden Smartphones eine Wohltat. Der grosse Bildschirm ist gut ablesbar und einfach zu bedienen, das Bediensystem kommt 1:1 von Renault und ist weder besser noch komplizierter als bei anderen Anbietern. Einverstanden, es gibt im Duster reichlich Hartplastik, doch das stört nicht, der Dacia ist ein Gebrauchsgegenstand, er will praktisch sein, keine Designpreise gewinnen. Noch ein Punkt: «radical» fährt ja doch so einige Testwagen – und die werden nach Ende der Probezeit gereinigt zurückgegeben. Was bedeutet, dass der Beschreiber mit dem Staubsauger schon durch so manches Fahrzeug gekrochen ist, sich dabei auch immer wieder überlegt, wie man ein Bewertungsschema zur «Reinigungsfreundlichkeit» eines Automobils aufbauen könnte. Der Dacia gehört unbedingt weit oben auf diese Liste, wir kennen nur wenige Automobile, die sich (innen) einfacher haben putzen lassen. Die Kante zum Kofferraum liegt etwas hoch, baubedingt wie bei allen SUV, das Volumen ist aber überzeugend, 463 Liter mindestens, 1623 Liter bei abgeklappten Rücksitzen (der einen halben Meter längere BMW X6 kommt übrigens maximal auf 1525 Liter).
Es muss ganz klar ausgedrückt sein: mehr SUV als so einen Dacia Duster braucht der Mensch nicht (eigentlich braucht er nicht einmal mehr Auto als einen Dacia Sandero, erhältlich ab 7990 Franken – also: neu, nicht gebraucht). Ganz ausdrücklich: Nein, er ist nicht einfach ein Billig-Auto, das ist alles sehr ernsthaft, er verfügt über verlässliche Technik, er hat alles, was es braucht (und sogar ein wenig mehr). Der Dacia ist nicht hässlich, er ist auch nicht schlampig zusammengeschustert – er führt in erster Linie noch so manches andere Fahrzeug irgendwie ad absurdum. Fast schon bösartig zeigt er auf, an was die Gesellschaft der Industrieländer heute krankt, die Marken-Geilheit, die Selbstdarstellung über Produkte, alles ist Image, Image, Image. Nein, der grosse Brenner ist so ein Duster auf Instagram nicht, aber es soll ja tatsächlich noch Menschen geben, denen ist das nicht so wichtig. Und solche, die rechnen können.
Mehr Renault und Dacia haben wir in unserem Archiv.
„unerklärlicherweise sind bei einem Allradler der 1. und 2. Gang kirz übersetzt“
OMG, bitte ein bißchen nachdenken beim Schreiben
Sorry, das musste jetzt einfach raus.
Sonst natürlich wie immer ein toller Artikel
Nix für ungut, und Schöne Grüße von einem Fan von Euch
werter, wir sind ja auch schon den einen oder anderen Allradler gefahren, etwa unseren ganz privaten Defender schon gut 200’000 Kilometer weit. beim Land Rover ist der erste Gang auch sehr, sehr kurz, und ja, es ist klar: warum. aber beim Duster stört es, 99,98 Prozent wird er wohl auf Asphalt bewegt, und da ist es unangenehm, weil man eigentlich schon mit 30 km/h die dritte Welle einwerfen muss.
Konstruktive Frage:
Kann man nicht im Flachen auch mit dem 2. anfahren?
Klingt für mich wie 1. = Kriechgang
ja, man kann im 2. anfahren. aber das fühlt sich halt irgendwie komisch an. und ob es der Lebensdauer der Kupplung förderlich ist?
Dr. Google rät dazu:
Beim Duster II 4×4 steht in der Bedienungsanleitung auf Seite 112, Kapitel 2.20:
„Fahrzeuge mit 4×4 (4WD)-Getriebe
Auf ebener Fläche und mit leerem Fahrzeug
empfiehlt es sich, im zweiten Gang
anzufahren“