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Der Versuch der Geburt eines Hype

Schrumpfhoden oder: wird «Tuning» salonfähig?

Anabolika lassen die Hoden schrumpfen, Testosteron-Spritzen führen allenfalls zu mehr Mukis, aber sicher nicht zur Erweiterung der geistigen Kapazitäten. Was hat das nun mit (klassischen) Automobilen zu tun? Nun, wir versuchen eine Erklärung.

Selbstverständlich unterliegen auch die Auktionshäuser den ganz simplen Regeln des gnadenlosen Kapitalismus: Sie müssen wachsen, sie müssen immer mehr Umsatz (und selbstverständlich: Gewinn) erwirtschaften, nur schon Stagnation ist Rückschritt. Zwar ist keines der bekannten Häuser – RM Sotheby’s, Gooding & Co., Bonhams, Artcurial, in den USA auch Mecum sowie Barrett-Jackson, in Japan noch BH Auctions – an der Börse gelistet, aber die Beobachter der Branche erhalten ja bei jeder einzelnen Versteigerung einen sehr offensichtlichen Einblick, wie das Geschäft läuft.

In den vergangenen drei Jahren ging es nur aufwärts, steil. Trotz (oder dank?) Corona. Das Geld war nicht nur billig, sondern quasi gratis – viele Investoren suchten nach Möglichkeiten. Und bezahlten gerade für so genannte «blue chips» teilweise absurde Beträge, im Wissen, dass die Gewinn-Marge auch kurzfristig interessant sein würde. Ferrari also, auch Lamborghini, das lief wie immer von selbst, Hypercars und Rennwagen mit guter Geschichte waren wie ein Freispiel im Flipper-Kasten, bei den BMW, Mercedes, Porsche brauchte es immerhin gewisse Vorkenntnisse. Nicht die kompetenten Sammler, das billige Geld schaukelte den Markt hoch. Bis er komplett trocken war.

Das hat aber noch andere Gründe. Denn Geld weckt auch immer Begehrlichkeiten. Bonhams schwächelt, die immer gleiche Masche von RM Sotheby’s läuft sich langsam tot; Mecum setzt auf Masse (und hat damit Erfolg), Artcurial auf seine hervorragenden Beziehungen (und hat damit auch Erfolg, aber halt nicht immer). Es kamen folglich neue Player ins Spiel, Broad Arrow zum Beispiel, unterstützt von den Branchen-Riesen Hagerty (Versicherungen), Silverstone Auctions verschaffte sich in England mit viel Kompetenz und tieferen Gebühren ein gutes Standing. Und dann ist da noch Online, Collecting Cars in England ist richtig cool, vor allem aber spielt Bring A Trailer eine ganz zentrale Rolle, denn die Amerikaner sind unterdessen schon umsatzstärkstes Auktionshaus und wohl auch wichtigster Klassiker-Handelsplatz der Welt.

Bloss: das macht das Angebot ja auch nicht besser. Gegen ganz oben läuft – mit Ausnahmen, Ferrari 250 LM bei Artcurial in Paris, Ferrari 250 GT California Spyder SWB bei Gooding & Co. auf Amelia Island – nicht viel, in der zweiten Liga kommen zwar massenhaft Ferrari F40 zu immer sagenhafteren Preisen unter den Hammer, doch sonst ist da an begehrenswerten Objekten: Dürre. 

Was passiert? Es müssen neue Begehrlichkeiten geweckt werden.

Auf tieferem Niveau spielt das Silverstone Auctions bestens, bisher kaum beachtete Lotus, Ford mit reichlich Spoilern, alles noch auf fünf-, manchmal sechsstelligen Niveau. Dazu die richtig coolen Japaner, Supra von Toyota, GT-R von Nissan, vor allem aber die (Sonderserien des) Subaru Impreza. Das ist etwas für die wahren Auskennerinnen und echten Freunde am Lenkrad, das kauft sich niemand, der sich solche Geräte einfach in einen dunklen Keller stellen und auf bessere Zeiten warten will.

Doch dann wird es schräg: Fast schon krampfhaft versuchen die Anbieter, dem weiterhin billigen Geld Tuning-Kisten aus den 80er und 90er Jahren schmackhaft zu machen. Artcurial bot Anfang Februar eine ganze Reihe von gepimpten Benzen an – kein einziger kam auch nur in die Nähe der Wunschvorstellung des Verkäufers. (Spannend in diesem Zusammenhang: All diese Fahrzeuge tauchen nicht mehr auf der Webseite auf – das hat meist einen Hintergrund).

Mit viel Verve wird nun immer wieder erzählt, dass es AMG schon vor der Übernahme durch Mercedes gab (aha…) und dass diese Fahrzeuge etwas ganz Besonderes sind (es gibt sogar schon einen Fachbegriff, pre-Merger). Wir wollen die Kompetenz von AMG ganz sicher nicht in Frage stellen, aber in den 70er, 80er und 90er Jahren waren die Affalterbacher ein Tuner wie Dutzende andere auch, sie pflanzten dickere Motoren in dünnere Autos (Anabolika), bastelten Spoiler drauf und Schweller dran (Testosteron-Spritzen). Solches Zeugs gab es damals wie Sand am Meer und teilweise deutlich kompetenter, schreiben wir mal: Irmscher bei Opel, Schnitzer bei BMW, Arden bei Jaguar, etc..

Kann man ja alles machen, wenn sich Kundinnen und Investoren finden, die solche Geschichten auch glauben wollen, zumal meist auch keine Produktionszahlen oder Beweise für die Authentizität geliefert werden: solche «pimps» kann jeder, auch 30 Jahre später (siehe: Alpina). Dazu muss man auch noch einen Blick auf die Preise werfen: Broad Arrow erwartet für den 87er «Hammer» mindestens 575’000 Dollar, für den blauen 91er «Widebody» gar 750’000 Dollar. Klar, das sind schon irgendwie coole Fahrzeuge, sowohl Limousine (etwa 30 Exemplare) wie Coupé (wahrscheinlich 12 Stück) verfügen über einen 6-Liter-V8 mit etwa 385 PS, das geht gut vorwärts, auch unter entsprechender Geräuschentwicklung.

«Echte» Klassiker haben wir in unserem Archiv.

1 kommentar

  1. eric eric

    ….genau, auch gewisse händler hypen da kräftig mit,
    von wegen scheunenfund mit 0.001mm ’staubschicht’….

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