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Alpina, so dies und auch das

«Wie weiter, Herr Bovensiepen?»

Viel Magen braucht man, wenn man sich zu Andreas Bovensiepen, dem Co-Geschäftsführer von Alpina, ins Auto setzt. Die Situation ist etwas speziell, denn wir bewegen hier keinen von Alpina verfeinerten BMW, sondern einen McLaren Artura: Bovensiepen hat gefragt, ob er auf die Testfahrt mitkommen könne, irgendwann machten wir dann Fahrerwechsel. Und wie der 61-Jährige es dann fliegen lässt, das ist ziemlich «radical», man merkt sofort, dass der Mann viel von Autos versteht, damit umgehen kann. Antrieb, Fahrwerksabstimmung, Bremsen, Lenkung, er testet und betextet alles – und er ist übrigens ziemlich begeistert vom Engländer. Irgendwann sagt er dann auch den interessanten Satz: «Das ist schon spannend, diese Elektrifizierung. Wir bei Alpina werden das nicht mehr machen, aber das hat auf jeden Fall Zukunft, gerade bei Sportwagen».

Blenden wir kurz zurück: Im März 2022 gab BMW bekannt, die Alpina Burkard Bovensiepen GmbH + Co. KG per Anfang 2026 komplett zu übernehmen (im Gegensatz zu Schnitzer, dem ewigen Motorsport-Partner, den BMW Ende 2020 gnadenlos über den Jordan schickte). Nach mehr als einem halben Jahrhundert gibt der Buchloer Kleinhersteller Alpina also seine Unabhängigkeit preis, wird vom grossen Hersteller geschluckt. Wie fühlt sich das an, Herr Bovensiepen, jetzt, mit etwas Abstand? «Andy», bei Alpina zuständig für Vertrieb, Entwicklung und Rennsport, schaltet auf die offizielle Tonart: «Wir haben sicher den richtigen Schritt gemacht. Wir hatten schon Ende 2020, als wir den Vertrag mit BMW um weitere fünf Jahre erneuert hatten, die zukünftigen Herausforderungen für unsere Marke analysiert und sind zum Schluss gekommen, dass wir in der zunehmenden Elektrifizierung der BMW-Modellpalette zu wenig eigene, Alpina-typische Akzente würden setzen können. Diese Analyse hat sich unterdessen als sehr treffend erwiesen».

Doch wie geht es nun weiter mit Alpina, Herr Bovensiepen? «Die Weinhandlung bleibt erhalten», sagt Andreas Bovensiepen mit einem Lächeln, «und wir haben für nächsten 2,5 Jahre noch grosse Pläne, da werden noch einige interessante, neue Alpina-Produkte auf den Markt kommen. Da stecken wir den Kopf noch lange nicht in den Sand». Eines davon haben wir an einem anderen Tag vor uns: Alpina B5 GT, der stärkste Alpina aller Zeit, 634 PS, auf 250 Stück limitiert.

Das muss man den Jungs und Mädels in Buchloe lassen: In den letzten drei Jahrzehnten haben sie da schon sehr, sehr feine Geräte erschaffen. War es in den Anfangsjahren noch etwas prollig, mehr Grob als Fein-Tuning, wurde es über die Jahre immer edler, auch technologisch. Dann, so ab B10 und B12, wurden die Alpina zu den besseren BMW, so ein aktueller D3 S Touring (ja, Diesel, 350 PS – Bilder oben) gehört schlicht zu den besten Automobilen der Welt. Und das gilt vielleicht noch mehr für den B5 GT, den wir zwar nur kurz, aber dafür umso intensiver zur Probe gefahren sind.

Einen M5 hat BMW selber ja aktuell nicht mehr im Angebot, das neue Modell kommt bald – und es gibt als sicher, dass es ein Plug-in-Hybrid sein wird. Ganz sicher mit ganz PS, wohl eine 7 vorne. Aber beim Gewicht steht eine dann auch eine 2,5+, das ist dann halt nicht mehr M für Motorsport, sondern für Mehrgewicht. Es wird ohne Zweifel ein feines Gerät werden, es wird auch wieder einen Touring geben. Aber den wahren Geist des legendären M5, den wird in Zukunft der B5 GT vertreten: 4,4-Liter-V8-Biturbo, eben, 634 PS, 850 Nm maximales Drehmoment, optimierte ZF-8-Gang-Automatik. Gut, es sind auch 2055 Kilo Leergewicht, die bewegt werden wollen, das geht heute anscheinend nicht mehr darunter.

Wir knallen wie Bovensiepen im Artura ein Landstrassengeschlängel hoch – und sind wieder einmal überrascht, wie leichtfüssig, agil sich so eine doch grosse Limousine anfühlen kann. Die Lenkung ist meisterhaft, die Bremsen sind eine Waffe – der Motor ist ein Gedicht, die Getriebeabstimmung frei von Makel. Ja, ein M5 als CS war noch ein wenig mehr geschärft (er hatte auch ein PS mehr), aber dieser Alpina B5 GT ist sowas von souverän, da tun einem die Produkte aus München fast ein bisschen leid; Ingolstadt, Stuttgart (mit vier Zylindern?), äh? Ab 145’500 Euro ist man dabei, der Touring kostet 3000 Euro mehr, man kann beide Versionen auch ohne diese komischen Alpina-Insignien bestellen. Die Felgen sind aber ein Muss. Ach ja, so ganz nebenbei: Der Alpina B5 GT wird einer der letzten richtigen groben Verbrenner sein, die man sich jetzt noch kaufen kann.

Was klar ist: Die Marke Alpina bleibt erhalten. Was auch unbedingt Sinn macht, hat sie doch einen ausgezeichneten Namen, in Japan etwa ist Alpina Kult. Was BMW genau mit Alpina vorhat, dazu wollen sich die Münchner noch nicht äussern, «da laufen noch Diskussionen», sagt auch Andreas Bovensiepen. «Aber die haben schon einen Plan, die haben immer einen Plan», sagt der aktuelle Alpina-Co-Geschäftsführer auch noch. Für die aktuell 300 Mitarbeiter, die bis Ende 2025 noch etwa 5000 Fahrzeuge bauen dürfen, wird eine Lösung gesucht.

Sicher ist: Der Service, das Ersatzteil- und Zubehörgeschäft für das bestehende und historische Alpina-Fahrzeugportfolio werden langfristig am Standort Buchloe gewährleistet. Man werde sich insbesondere noch vermehrt um die historischen Modelle kümmern, auch Restaurationen anbieten, bestätigt Bovensiepen. «In den vergangenen zwei, drei Jahren haben ältere Alpine-Fahrzeuge einen massiven Wertzuwachs erfahren», erklärt er, «da können wir mit unserer Expertise als Hersteller sicher viel helfen». Kommt dazu, dass Alpina in Buchloe selber auch noch über eine sehr schöne, auch umfangreiche Sammlung verfügt. Später wird uns Andreas Bovensiepen noch den Schlüssel zu einem Alpina RLE (auf Basis des BMW Z1) in die Hand drücken, das letzte von 1990/91 gebauten 66 Exemplaren. Der RLE ist ein ganz klassischer Alpina, mehr Leistung (200 statt 170 PS), ein besseres Fahrwerk, stärkere Bremsen. Einst hatte das gute Stück 116’000 Mark gekostet (den Z1 gab es für 89’000 Mark), heute sprechen wir eher so von 150’000 Euro. Oder mehr.

Die Alpina Burkard Bovensiepen GmbH + Co. KG war am 1. Januar 1965 gegründet worden, schon vorher hatte sich Firmengründer Burkard Bovensiepen einen guten Namen als BMW-Tuner gemacht. Seit 1983 darf sich Alpina offiziell Auto-Hersteller nennen. Sind Sie nicht traurig, dass dieses wunderbare Kapitel jetzt zu Ende geht? Bovensiepen sagt lange nichts. Und dann etwas zum McLaren Artura, den er gerade aus knapp 300 km/h brutal zusammengebremst hat. Und dann, irgendwann später: «Wir hatten eine gute Zeit. Wir haben immer noch eine gute Zeit. Und wir werden weiterhin das machen können, was uns Spass macht». Sagt’s – und prügelt den McLaren aber sowas von die Autobahneinfahrt hoch, dass dem Beifahrer, der sich so manches gewohnt ist, Hören und Sehen vergeht.

Wir trafen Andreas Bovensiepen zuerst auf dem #cardesignevent und dann noch einmal bei einer Veranstaltung von #gcoty. Mehr feine Automobile haben wir in unserem Archiv.

1 kommentar

  1. Bolzli Peter Bolzli Peter

    Werter Peter
    Dein Bericht über Alpina freut mich natürlich ganz besonders. Als eingefleischter Alpina-Fan seit fast 50 Jahren (Hochzeitsreise 1978 nach Buchloe) bin ich der Marke bis heute treu geblieben. Waren es am Anfang nur die Alpina-Streifen auf einigen BMW 323i’s, wurden es mit der Zeit originale Alpina-Fahrzeuge. Angefangen hat es mit einem B3 3,2 Limousine (E36), gefolgt von einem B8 4,6 Coupé (E36), B7s turbo (E12) und einem B3 3,3 Coupé, welchen ich als einzigen heute noch besitze. Immer und immer wieder bereue ich den Verkauf der vorgängigen Modelle (Platz und Geld lässt grüssen). Aber ich habe ja noch ein schönes und exklusives Exemplar, welches ich ab und zu voller Freude und genüsslich fortbewege (KM 80’000). Noch zu Deiner Orientierung: Dein Fahrbericht in der Auto Illustrierten vom Dezember 1995 über den Alpina B8 4,6 befindet sich bei den Faforiten auf meinem Nachttisch und er war damals ausschlaggebend, dass ich das Fahrzeug gekauft habe. Es war klar mein bestes Auto aus dem Hause Alpina. Die Marke Alpina wird auch nach dem Verkauf an BMW für mich eine Herzensangelegenheit bleiben.
    Bei dieser Gelegenheit möchte ich dir für den radical Newsletter ein Kompliment machen. Dein Fachwissen und deine Art zu schreiben erstaunt mich immer wieder aufs Neue und lässt mich zwischendurch schmunzeln. Ich freue mich auf weitere Ausgaben und wünsche Dir noch einen schönen Tag.
    Herzliche Grüsse
    Peter Bolzli

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