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radical zero: Fahrbericht Hyundai Kona Electric

Was vom Tage übrig bleibt

Hyundai fährt elektrisch zweigleisig: Da ist einerseits die Ionic-Linie, 800-Volt-Architektur, richtig gut. Und dann sind die etwas profaneren Modelle, die mit 400 Volt auskommen müssen, sich aber in der noch nicht so alten Vergangenheit durch gute Zuverlässigkeit, geringen Verbrauch und entsprechend hohe Reichweiten zu einem ganz vernünftigen Preis auszeichnen konnten. Gerade so ein Kona Electric war bisher ein absolut vernünftiges, auch gutes E-Auto (siehe auch: Test Hyundai Kona electric).

Hyundai sagt, dass die zweite Generation des Kona als E-Auto konzipiert wurde, die Verbrenner-Varianten (es gibt in der Schweiz noch einen Vollhybrid mit 141 PS und einen reinen Benziner, auch 1,6 Liter Hubraum, aber mit Turbo und 198 PS) erst in der Folge entwickelt worden seien. Da mag es etwas erstaunlich wirken, dass der neue Kona doch ziemlich auf 4,35 Meter gewachsen ist, der Radstand um sechs Zentimeter zugenommen hat, denn eine E-Plattform sollte ja eine bessere Raumnutzung bieten. Die Insassen dürfte es nicht stören, die Platzverhältnisse sind im weiterhin angenehm kompakten Kona nun wirklich gut, reichlich Bein- und Kopf- und Schulterfreiheit, das kann kaum ein anderes kompaktes SUV so edel. Dazu kommen noch sehr grosszügige 466 Liter Kofferraum-Volumen, die bei abgeklappten Rücksitzen (40:20:40) auf bis 1300 Liter anwachsen.

Es gibt vom Electric zwei Leistungsstufen: Einmal ein kleinerer 48-kWh-Akku, 156 PS, Reichweite 377 Kilometer, eher schwache Ladeleistung von 74 kW. Und dann die grössere 65-kWh-Batterie, 218 PS, bis zu 514 Kilometer Reichweite (allerdings nur mit den serienmässigen 17-Zoll-Rädern), etwas bessere Ladeleistung von 102 kW. Der WLTP-Verbrauch soll beim stärkeren Modell bei 14,7 kWh/100 Kilometer liegen, das darf man dann als vorbildlich bezeichnen. Denn im Gegensatz zu anderen Herstellern (siehe auch Fahrbericht VW ID.7) schaffen die Koreaner ihre Vorgaben meist tatsächlich – bei unserer Ausfahrt, auf der wir den Hyundai in den Hügeln um Bern nicht schonten, zeigte der Bord-Computer 17,6 kWh/100 km an, da haben wir auf ähnlichen Probefahrten schon ganz andere Zahlen gesehen. Mit beiden Batterien ist bidirektionales Laden möglich.

Auf dieser ersten Ausfahrt gefiel uns der neue Hyundai Kona auch sonst mit seinem sehr souveränen Auftritt. Zwar muss man die Leistung von 218 PS und 255 Nm maximales Drehmoment für fast 1,8 Tonnen Gewicht nicht als überbordend bezeichnen, doch es reicht locker (hallo, Volvo EX30…). Der Antritt ist stark (7,8 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h) – und danach ist wunderbare Ruhe, exzellentes Gleiten. Die Lenkung ist zwar leichtgängig, aber im Gegensatz zu vielen Konkurrenzmodellen nicht gefühllos, auch die Bremse lässt sich so dosieren, wie man das von einem Benziner gewohnt ist. Das Fahrwerk ist selbstverständlich klar in Richtung Komfort getrimmt, das gelingt auch bestens, die Federung dimmt so ziemlich alle Unebenheiten gleich mal weg. Die Nordschleife ist in der Folge nicht das richtige Geläuf für so einen elektrischen Kona, doch man fühlt sich auf Anhieb wohl, sicher, bestens aufgehoben. Man sitzt sehr bequem, man hat beste Übersicht.

Und die Bedienerführung ist wie eigentlich immer bei Hyundai frei von Rätseln. Es gibt für die wichtigsten Funktionen weiterhin physische Tasten und Schalter – das ist genau so gut so. Der Innenraum ist «trotzdem» modern gestaltet, zwei grosse, freischwebend angebrachte, aneinander gekoppelte Displays machen das alles sehr ansehnlich. Das verwendete Plastik ist etwas hart, da dürften sich die Koreaner noch etwas mehr Mühe geben, doch die Verarbeitung machte einen sehr guten ersten Eindruck. Nichts Wildes, nichts Über-Schickes, kein Modernitätsschock, aber halt so, dass man das Gefühl hat, das wird alles auch in zehn Jahren noch gut aussehen und funktionieren.

Wir machen bei den Stromern seit ein paar Monaten immer den gleichen «Realitäts-Check», geben im Navi eine Adresse ein, die etwa 800 Kilometer entfernt liegt, schauen dann, wie lang die Berechnung dauert und wie sinnvoll die Routenplanung ist. Der Kona kann das so mittelprächtig, die Berechnung dauert ziemlich lange (35 Sekunden), die Vorschläge sind auf der sehr konservativen Seite – und die Reise, die wir konkret auch in unter sieben Stunden schaffen (mit einem Diesel), soll dann 14,5 Stunden dauern. Aber immerhin kann der Koreaner das, was bei Tesla seit mehr als zehn Jahren bestens funktioniert und bei anderen Herstellern heute immer noch nicht. Wir nehmen an: Der Kona lernt schnell, denn Up-Dates kommen unterdessen auch «over the air».

Und doch hat der Hyundai Kona Electric zwei Problemzonen. Die eine ist nicht selbstgemacht, sondern den jüngsten EU-Vorschriften und NCAP-Standards geschuldet. Fährt man zwei km/h zu schnell, dann piept der Koreaner sehr laut, nervend. Fährt man ein bisschen zu nah an eine Begrenzungslinie, piept der Kona sehr laut, nervend. Will man das dann über das siebte Untermenü ausschalten und richtet seinen Blick auf den Touchscreen, dann piept der Aufmerksamkeitswarner sehr laut, nervend. Langfristig ausschalten lässt sich das alles nicht, bei jedem Neustart beginnt das Spiel von vorne – hier übererfüllen die Koreaner die Vorgaben. Und nein, daran gewöhnen will man sich nicht – es wäre vielleicht an der Herstellern, bei den Behörden Einsprache zu erheben, die Bevormundung nimmt Ausmasse an, die schwer erträglich sind.

Ausserdem müssen wir über Geld schreiben. Es gibt den neuen Hyundai Kona Electric ab 42’900 Franken, dies mit 156 PS und der kleinen Batterie. Das ist exakt der Einstandspreis eines Tesla Model 3, das deutlich stärker ist, viel mehr Reichweite hat, viel schneller lädt und auch noch deutlich mehr Platz bietet. Für die grössere Batterie und mehr Leistung sind 4000 Franken mehr fällig, das erscheint uns dann schon der bessere Deal, ist aber im Vergleich, nicht nur zum Tesla, immer noch kein Schnäppchen. Den Ioniq 5 gibt es übrigens schon ab 49’900 Franken, das günstigste Benziner-Modell des Kona ab 39’900 Franken – und einen grösseren Tucson erstaunlicherweise schon ab 33’800 Franken. Wie auch immer: Der Wohlfühl-Faktor ist sehr hoch im Kona Electric – und das kann man irgendwie nicht in Franken und Rappen aufrechnen.

Mehr Stom: zero. Alles andere: Archiv.

4 Kommentare

  1. Heinz Kurzebeine Heinz Kurzebeine

    Ich würde nicht in der Kiste gesehen werden wollen, so hässlich ist das Teil.

  2. Max Müller Max Müller

    Die Technik bietet inzwischen grossartige Möglichkeiten zur Lichttechnik, wieso muss man dann so klobige Leuchteinheiten zusätzlich zum obligatorischen Lichtstreifen addieren?

  3. Eric DeLamotte Eric DeLamotte

    Der alte Kona war ein schickes praktischer Wagen, den ich in ein paar Jahren auf meiner Liste für einen Gebrauchten habe.
    Der Neue ist stylingmäßig in meinen Augen unglücklich – diese hinteren Licht-Warzen außen erinnern an die schlimmen SsangYong von früher und vorne sieht auch nicht besser aus. Stoßfänger und Schutz gibts nicht mehr, man wird sich immer sofort eine (teuere) Leuchteinheit beim kleinsten Parkrempler zertstören.
    Warum eckige Radläufe bei nunmal runden Räder gut aussehen sollen, wissen nur Asiaten, die so was bauen. Die können dann auch erklären, warum jedes brave Allerweltsfahrzeug bei Hyundai inzwischen mindestens 3 Heckabrisskanten und Spoiler braucht.
    Der alte Kona war ein gut gezeichneter Wagen – der neue ist einfach überbemüht und überstyled.
    Na ja, es wurden ja ein paar von den alten Konas verkauft…

    • Ingo Ingo

      Stimmt: ich hatte mich gefragt woran mich das Heck erinnert…SsangYong
      Alte Regel gilt auch hier: 9 von 10 Facelift/Überarbeitungen im Design sind schlechter als dass original Design. Logisch weil man ja sich beim ursprünglichen Design lange Zeit für die Entwicklung genommen hat und dann auf dieses Design eine eigentlich nicht nötige Veränderung setzten muss die dann auch noch sichtbar anders sein muss.

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